L1 Literaturhoricht. Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Wilh. Oncken. Berlin, 1878. Es gehürt Muth und Unternehmungsgeist von Seite der Verlagsbuchhandlung Grote dazu, ein Werk zu beginnen, das auf vierzig Bände berechnet und mit Illustrationen ver- sehen ist. Wir begleiten Verleger und Herausgeber mit unserefi besten Wünschen und nehmen deshalb auch gleich ßbcim ersten Hefte Anlass, uns einige wohlgemeinte Bemer- kungen zu erlauben. Das Princip der Illustration - die Verbindung der Denkmalskunde mit dem geschichtlichen Unterrichte in Wort und Schrift - ist ein ganz vortretfliches; Professor G. Kinkel hat dasselbe auf dem kunsthistorischen Congresse in Wien seiner Zeit vertreten. Die Illustrationen sind auch gut gewählt und ausgeführt, die Ausstattung ist vor- züglich, der Preis massig; die Bedenken betretTen den Text und, um es gleich herauszu- sagen, die Ungleichmassigkeit der Darstellung. Das Werk soll für das gebildete Volk bestimmt sein, alle Culturvölker des Alterthums, des Mittelalters und der Neuzeit um- fassen, durchwegs fussend auf der neueren Forschungsniethode. Das erste Heft bringt, ge- wissermassen als Probe, den Anfang der Geschichte von Acgypten von Prof. Dumichen, und die Geschichte des alten Persien von Prof. F. Justi. Der gelehrte Aegyptologe bringt uns ein gelehrtes Werk, für jeden Fachmann sehr lehrreich, aber nur sehr wenig Gebildeten zugänglich. Die alte Geographie Aegyptens ist mit 56 Seiten noch nicht abge- schlossen, gelehrte Nachweise sind uberall zu Enden. Prof. F. Justi hingegen schliesst alle Noten, alle gelehrten Nachweise aus und hält sich genauer an das Programm. Aus der ersten Lieferung erhellt eine Verschiedenheit der Auffassung des Programmes, deren Abstellung zu Gunsten einer grosseren Gleichmassigkeit in der Behandlung des Stoffes sehr wunschenswerth ist, damit der Leser von Anfang an nicht über die Zielpunkte des Werkes irregefuhrt werde. Robert König: Deutsche Literaturgeschichte. Mit Farbendrucken und er- läuternden Abbildungen. Bielefeld und Leipzig, 1878. Auch dieses Werk fesselt wie das obengenannte unsere Aufmerksamkeit nicht blos durch seinen Inhalt, sondern in erster Linie durch seine artistischen Illustrationen. Es wurde vor mehreren Jahren, als in XVien der kunsthistorische Congress, dessen Fortsetzung in die Hände der Berliner Vertreter der Kunstwissenschaft gelegt wurde, der Wunsch ausgesprochen, es mochten die artistischen Denkmäler jeder Zeit als Illustrationen des Textes benützt werden; jede Zeit sollte sich durch sich selbst illustrircn. R. Königs v-Deutsche Literaturgeschichteu nahm dieses Princip auf, und fuhrt es in sachkundiger Hand durch. So Enden wir, um Beispiele anzuführen, Reproductionen von Miniaturen aus der Manessischen Handschrift, Heinr. v. Vcldecke, aus der Heidelberger Handschrift des Rolandsliedes, den Buchdeckel eines Evangeliars aus dem XIII. Jahrh.. Nachbildungen alter Drucke aus dem XV. Jahrhdt. Bei der Schilderung der Neuzeit sind die Bildnisse der Schriftsteller und Wiedergabe ihrer Autographe, z. B. von Luther's ältester bekannter Niederschrift des Liedes vEine feste Burg ist unser Gotn, weiters von Briefen Lessing's, Goethe's u. s. w. von besonderem Interesse. Da der Text knapp, allgemein verständlich und der Preis bei der Reichhaltigkeit der Abbildungen sehr niedrig ist, so ist das Buch im hohen Grade ernpfehlenswerth. L. v. Ranke: Zur Venezianischen Geschichte. Leipzig, Duncker 81 Hum- blot, 1878. 8. (Der gesammelten Werke 42. Band.) Bei dem unbestreitbaren Einüusse der politischen Gestaltung eines Landes auf die Entwicklung seiner Kunst sind wir berechtigt, in unsern Literaturbericht auch obiges, eigentlich streng historisches Werk, einzubeziehen. Der Altmeister deutscher Geschichts- forschung bietet uns in dem vorliegenden Bande drei Abhandlungen: Venedig im XVI. und am Anfange des XVII. Jahrhundertes; die Verschwörung gegen Venedig im J. 1618; die Venezianer in Morea. Die erste dieser Abhandlungen erscheint hier zum ersten Male in Druck; der Schwerpunkt derselbeu scheint uns zu liegen in der Erörterung der Macht- befugnisse des Rathes der Zehn und jener der Staatsinquisitoren. Wenn man bedenkt, wie complicirt die Regierungsmaschine gewesen , rnit welchem Raffinement die einzelnen Glieder derselben einander beschrankten und überwachten, so darf es nicht Wunder nehmen. dass uns eine klare sichere Darlegung der Verfassung Venedigs noch immer mangelt. Ranke, welcher als der erste auf die ausserardentliche Wichtigkeit der Rela- tionen venetianischer Gesandten hingewiesen, ist durch seine intime und umfassende Kcnntniss derselben vor Allen befähigt, neue Gesichtspunkte für die Betrachtung der ve- ezianischen Verfassung einzuführen; er hat dem noch nicht reichlich vorhandenen brauch- aren Materiale zu einer Geschichte derselben durch seine Studie einen kostbaren Zuwachs ukommen lassen. '