welche Zartheit und Vollendung bei den kleinen Schmnckarbeiten, welche künstlerische Bildung in der Führung des Grabstichels, der mit figürlichen und ornamentalen Compositionen die Flache zu bedecken und dem Niello vorzuarbeiten hat! Der Verein dieser Künste und künstlerischen Eigenschaften hat Werke geschatfen und uns hinterlassen, welche staunenswürdig, welche in ihrer Vollendung geradezu unbegreiliich sind, wie z. B. des Nürnberger Wenzel Jamnitzer berühmter Tafelaufsatz, den in seiner Vaterstadt ein alter simpler Kaufmann als heiligen Schatz bewahrt und trotz aller kolossalen Angebote nicht von sich lässt. Wir kennen ein anderes Bei- spiel solcher Verehrung aus jüngster Zeit und aus derselben Stadt. Es gibt oder gab dort einen alten Schlossermeister, der eben zur Noth mit der Arbeit seiner Hand seine Familie ernährte. Derselbe war im Besitz eines solchen Pocals, den er in tiefstes Geheimniss hüllte, selbst vor der eigenen Familie. Nur wenn er spät Abends vom Bier nach Hause kam und die Seinen nach der Gewohnheit schlafend fand, so zog er aus ver- borgeuem Wandschrank sein Kleinod hervor und ergötzte sich daran in der stillen Einsamkeit der Nacht. Endlich entlockte ihm in schwacher, redseliger Stunde ein Antiquar sein Geheirnniss; es kam der Versucher, und der Alte konnte der Verlockung nicht widerstehen, die ihn im Ver- gleich mit seiner bisherigen Existenz zum wohlhabenden Mann machte. Wir erinnern uns nicht, ähnliche Geschichten von Arbeiten der heutigen Goldschmiedekunst gehört zu haben. Noch am Ende des I6. und im Anfang des 17. Jahrhunderts stand die Goldschmiedekunst in schönster Bliithe trotz des Verfalles der gleich- zeitigen hohen Kunst, wenn sie auch manche Aufgaben, namentlich die grössereu, in barocker Weise löste. Gerade bei uns in Wien sind die Arbeiten dieser Zeit, die man wegen der Vorliebe des Kaisers Rudolf als die rudoliinische Periode der Goldschmiedekunst bezeichnen kann, noch äusserst zahlreich und sie beweisen, dass man diese Kunst mit eben so viel Geschmack und Feinheit als technischer Vollendung übte. Von jener Zeit an ging es aber rasch abwärts. Die pomphaüe Periode Ludwigs XIV. liebte nicht das Kleine und Zierliche und fand nur Ge- fallen an der Goldschmiedekunst, wenn sie kolossale Aufgaben in edlen Metallen zu lösen hatte. Dergleichen Arbeiten, obwohl von der Gegen- wart missachtet, gibt es noch heute in den Schatzkammern, aber sie zeichnen sich durch Baroekheit der Composition, Manierirtheit der For- men, wie durch Plumpheit und Rohheit der Arbeit aus. Die kleineren Gegenstände zumal zeigen den Verfall der Technik, Lieblosigkeit der Arbeit und das Verschwinden der besseren Arten des Emails; sie machen Niemand mehr Freude und zeigen sich eher als Muster, wie man es nicht machen soll. Einzelne Meister erheben sich wphl über das Niveau, wie z. B. Dinglinger, der zumeist in Dresden für die kunstliebenden 17'