296 Donner sta g den 24. Jäuuer begann der Professor der Hendelsgeschichta an der hiesigen Handeleakademie, Dr. Adolf Beer, die angekündigten Vorträge über "Volks- wirthschaft der Gewerbe mit besonderer Berücksichtigung des Kunst- gewerhes". In der Einleitung berührte der Redner die grosee Bedeutung, welche in neuerer Zeit die Volkswirthschaft im Leben der Völker und Staaten gewonnen habe, wovon der bedeutende Aufschwung der Güterprodnction und die Unterordnung der äussern Politik unter die Forderungen des Nationalwohlstandes einen entschiedenen Beweis abgeben. Die Erkenntniss richtiger volkswirthschaftlicher Grundsätze müsse daher mit Recht als eine der groseen Errungenschaften der Neuzeit angesehen werden. Indem nun der Redner auf sein Thema übergeht, scheidet er die Erscheinungen der Aussenwelt in die zwei grossen Hauptgruppen der Naturpredukfe und der Erzeugnisse von Menschenhand, welch' letztere dem Bedürfnisse ihren Ursprung verdanken, die Natnrprodukte den Menschen dienstbar zu machen. Hieran schliesst sich die Erörterung des Güterbegrilfes und der Frage über die Bedürfnisse des Menschen. Nicht das Nothwendige allein sei Bedürfniss, sondern in Folge der gewonnenen höheren Culturstufe auch das Schöne, womit die Kunst in die Ge- werbe trete. An die Mittheilung alles dessen, was zur Deckung der Bedürfnisse des Men- schen in verschiedenen Beziehungen nothwendig sei, reibt Redner eine Uebersicht der Hauptzweige der Production in ihrer allmäligen Entwicklung, zunächst des Ackerbaues und dann der Gewerbe, deren möglicher Fortschritt als unbegrenzt bezeichnet werden müsse. Hieran schliesst sich die Definition des Begriifes des Capitales und jener Momente, welche zu dessen Bildung und zur Arbeitskraft der verschiedenen Völker am meisten beitragen, endlich eine Skizzirung der Geschichte der Arbeit im Alterthum, deren geringfügige Be- deutung durch die socialen Anschauungen der damaligen Zeit erklärt wurde. In dem zweiten Vortrage, Donnerstags den 31. Jänner, ging Redner auf die Besprechung des Handwerks sowie des Zunftwesens im Mittelalter über. Neben einer Classe von Knechten, welche sich der Bewirtbschaftung des Bodens widmeten, gab es eine andere, welche die unentbebrlichsten Handwerke betrieb und durch ihre gemein- same Arbeit eine Vereinigung oder Innnng bildete. Erst nach und nach erlangte das Handwerk neben dem Ackerbau eine selbstständige Stellung und verschaßte sich Aner- kennung, in welcher Beziehung die allmiilige Entwicklung des Stüdtewesens und der Ein- liuss der Kreuzzüge fördernd wirkte. Die Ausbildung des Zuuftwesens falle in das ll. bis 13. Jahrhundert. Unter den Ziinften habe sich das Baugewerbe am spätesten zu- sammengeschlossen, aber durch seine Knnstfertigkeit die Zunft vor allen andern zu Ehren gebracht. Mit der Blüthe der deutschen Städte stehen auch die Gewerbe auf ihrem Höhe- punkt. Aber erst nach einem mehrhundertjährigen Karnpfe erlangten die Züntte auch po- litische Gleichberechtigung. Das 14. und theilweise das I5. Jahrhundert füllen diese Glanz- periode des Handwerks aus. Doch schon durch den Untergang der Hansa und das Sinken des deutschen Handels starb der Lebensnerv des Gewerbewesens ab, womit der moralische und sittliche Verfall der Zünfte Hand in Hand ging. Dieselben traten endlich unter die polizeiliche Oberaufsicht des Staates, welcher durch die absolute laudesherrliehc Gewalt ihre selbstständige Autonomie in Kurzem beinahe gänzlich beseitigte. Mit einer Darstel- lung der gewerblichen Verhältnisse im 18. und 19. Jahrhundert und dem Hinweise, dass das Fesseln der Verhältnisse durch Satzungen sich nirgends verderblicher zeige, als im Reiche der Güterwelt, wie durch das aufkommende Maschinenwesen allmälig ein Gewerbe nach dem andern sich aus dem zünhigen Wesen herausarbeitete und das Zunftwesen durch eine Anzahl freier und concessionirter Gewerbe durchlöchert wurde, schloss dieser Vortrag. In seiner dritten Vorlesung, Donnerstag den 7. Februar, erliutertelledner den Untdrschied zwischen dem Handwerker, der auf Bestellung arbeitet, und dem Fabri- kanten, der seine Artikel im Hinblick auf künftigen Bedarf herstellen lässt, und setzte sodann in eingehender Weise den Einduss, den die Maschine auf das Handwerk genommen, auseinander. In klarer Weise vries er nach, welch' ungeheuren Aufschwung die gewerb- lichen Verhältnisse hierdurch erfahren, wie die Maschine in kürzester Zeit das zu leisten vermöge, was durch die Menschenhand nur langsam und mühevoll erzeugt werden könne, und zu welch' blühendem Zustande durch dieselben es die Gewerbe, besonders in England und Belgien, gebracht hätten. Welclf ungeheuren Einfluss hatte nicht die Weberei sowohl in Seide als in Wolle, auf die Spinnerei, die Papierfabrication, die Glasindustrie, ja sogar auf die Weissstickerei ausgeübt, die man sich früher nicht anders als durch Menschenhand hergestellt denken konnte. Die Sticker und Stickerinnen im Erzgebirge fangen nun nach dem Beispiel der Schweizer, von denen die Stickurt auch den Namen führt, mit Maschinen zu arbeiten an. Nur auf ganz wenige gewerbliche Gebiete, wie z. B. auf das Messer- schmiedhandwerk, habe die Maschine bisher keinen Einfluss geübt. Die oft vorkommende Annahme, als sei durch die Maschine die menschliche Hand entbehrlich geworden, müsse als ganz unrichtig bezeichnet werden, indem gerade in den Ländern, in welchen am mei- Fbrhetzung auf der Beilage.