Die Erwerbungen des k. k. lfüns- und Antikencabinets im Jahre 1868. Die Fortschritte der archäologischen Wissenschaft und der veränderte Standpunkt derselben bedingen auch eine Erweiterung des Kreises der Denkmäler, welchen archäolo- gische Sammlungen zu vertreten haben. Während man noch vor wenigen Jahrzehnten nusschliesslich die Ueberreste des classischen Alterthurns sammelte und Allem, was nicht in diesen Rahmen passte, als barbarischen Erzengniss keine weitere Beachtung schenkte, werden jetzt mit gerechtfertigter Sorgfalt die Zeugen der ältesten heimischen Cultur- austände gesammelt; da sie die wichtigsten und fast alleinigen Aufschlüsse über die Völ- ker, welche in frühester Zeit unser Vaterland bewohnten, über deren Leben und Sitten gewähren. Man ist aber zu der Erkenntniss gelangt, dass die Alterthumsmusesn die Ge- schichte der Entwicklung des menschlichen Geistes, wie er in Kunst und Handwerk zum Ausdruck kommt, darzustellen haben, und Eir das allseiüge Studium dieses Entwicklungs- ganges haben oft unscheinbare Fundgegcnstände die grösste Bedeutung. Die ccmparative Forschungsmethode, die neuester Zeit in der Archäologie angewendet wird, erfordert die stete Vergleichung der Culturerzeugnisse der verschiedenen Völker, um deren Zusammen- gehörigkeit, den Entwicklungsgang der Civilisation und dessen Gesetze zu erforschen; die historischen Museen haben daher auf solche selbst von den fernsten Völkern Bedacht zu nehmen. Im Verlaufe des verflossenen Jahres war das k. k. Antikencabinet so glücklich, eine Reihe von Erwerbungen zu machen, welche gerade in dieser Richtung Lücken aus- gefüllt heben. [n erster Linie steht eine sehr bedeutende, über 300 Stücke umfassende Sammlung von Waffen und Werkzeugen aus Stein und Bronze, welche Herr Graf Ernst v. HoyobSprinzenstein dem Cahinet widmete. Sämmtliehe Gegenstände wurden im Kreise oh dem Manhartsberge gefunden und rühren aus der überaus reichen Sammlung her, welche Ritter Candid v. Engelshofen durch langjähriges, unermiidliches Sammeln aller in diesem Bezirke gefundenen Alterthiimer auf dem Schlosse Stockem bei Horn anlegte. Es sind Steinwerkzeuge von der einfachsten Znrichtung, indem nur an einem Feldstcin eine Schneide nngeschliden wurde, bis zu sehr vollendeten, mit rafßnirter Technik ausgeführten Formen. Die kleinen Beile, Meissel, Schaber, Hobel. Hämmer, Schläge] etc. bezeichnen die einfachen Bedürfnisse eines wohl nur von Jagd und Viehzucht lebenden Volkes; mit unbegreidicher Kunstfertigkeit sind aber die kleinen Sägen und die höchst aierlichen, zum Theil an den Schneiden gezähnten Pfeilspitzen aus hartem Feuerstein, der aus der Gegend von Briinn stammt, gemacht. Zahlreiche Splitter und Abfälle liefern den Beweis, dass dieselben an den Fundstellen verfertigt wurden. Die diese Gegenstände begleitenden Thongefdsse, darunter auch Siebe und Lampen, sind roh und grob, Thou- und Steinperlen dienten als iirmlicher Schmuck. Einen wesentlichen Fortschritt der Gultur bezeichnen die zum Theil an denselben Orten gefundenen Gerithe und Schmucksachen aus Bronze, unter denen sich schön geformte Aexte, Beile, Messer, Ringe, Fibeln, Nadeln, eine Pincette und ein vollständiges Toilettegerlith befinden. Ebenso lieferten mehrere mit Unterstützung Sr. Excell. des Herrn Oberstkämmerers Grafen Crenneville vorgenommene Nachgrabungen, die zugleich den Zweck hatten, ver- schiedeneAnsiedlungspunkte zu constatiren, eine Anzahl der ältesten Kuustproducte Oester- reichs. In einem bei Pottschach aufgedeckten Urncngrabfelds waren die mit den Unber- resten der verbrannten Leichen angeüillten gmssen, hauchigen Urnen mit kleineren, oft sehr zierlichen und reich verzierten Gefdssen umstellt, die den Verstorbenen als Ausstat- tung für das jenseitige Leben mitgegeben wurden; sie gehören unzweifelhaß einem kel- tischen Volksstamrne an. Bei Maiersdorf in der „neuen Welt" gelang es an den Abhängen der "langen Wand' sogar die Fundamente der runden, aussen mit Thon belegten Hütten der alten Ansiedler aufzudecken. Die daselbst gefundenen Guriithe und Schmucksachen der erlesensten Art aus der schönsten Goldbronze dürften aber kaum einheimisches, son- dern vielmehr durch den Handel importirtes etruskisches Fnhricat sein. Ein dritter Co- lonisationspunkt ist Kettlach. Hier wurden Reihengriiber mit unverbrannten Skeletten auf- gegrnbdn, deren Bcigaben Geflsse von ganz anderer Veraierungsart als die des benach- barten Pottschacher Urnenfeldas, Ersringe, zum Theil emaillirt, Eisengsrlthe (darunter ein Hufeiscmseltsamer Form) und sehr schöne vielfirbige oder aus blauem Fadenglase ver- fertigts Glasperlen (Millefiori) bildeten. Hier sind spätere, wahrscheinlich germanische Ansiedler des 5. und 6. Jahrhunderts bestattet. Ans solchen Zeugnissen der ältesten Co- Ionisation baut sich allmülig die Älteste Oulturgescbichte des Landes auf. Unter den verschiedenen, von anderen Fundorten herriihrenden Altertbümern sind bemerkenswerth: ein Schmuck, bestehend aus langen Gehtingen von flisschenförmigen Bronseperlen in mehreren Reihen, Finger- und Ohrringen in der beliebten Spiralfcrm, in der Nihe von Stoekerau gefunden; ein bei Steyer ausgegrabenes schönes Bronzeschwert, endlich verschiedene Aexte, Keile und Schmucksachen, die bei Görz gefunden wurden,