370 der Kirche gewidmete Goldschmiedekunst, in der sich jene Styl-Wand- hingen so klar spiegeln, dass ihre Hervorbringungen nicht allein zur Abrundung und Vervollständigung des Bildes des Kunststandpunktes einer gewissen Zeit dienen, sondern dass sie sogar durch die Sorgfalt und Wichtigkeit, die ihnen von Verfertigeru und Bestellern beigelegt wurde, den vollen Werth selbständiger Kunstdenkmale erhalten, zumal wenn sie aus jenen Jahrhunderten stammen, aus denen die Reste spär- lich genug auf uns gelangt sind. Es ist aber ungleich schwerer, demjenigen, der sich wenig in eine historische Anschauung vertieft hat - also der grossen Menge des Publi- cnms - das einigermassen richtige Verständniss des Mittelalters und der Denkmäler, die es uns hinterliess, zu eröifnen, als das der Renaissance und selbst der Antike. Dies nicht etwa hlos darum, weil deren Pro- ductionen überhaupt höher stehen, sondern weil der Grundton der An- schauungen des Mittelalters, der auch aus den Kunstwerken reflectirt, ein wesentlich verschiedener ist von den leitenden Ideen der antiken und, daher herübergenommen, auch der modernen Welt. Doch, um bei unserem Gegenstands zu bleiben, habe ich hier darauf hinzuweisen, dass neben der hohen archäologischen Bedeutung der Alter- thümer des Welfenschatzes ihnen eine um nichts geringere allgemein künstlerische innewohnt. Vor Allem sind es die Emailwerke - Reli- quienschreine und Tragaltärchen - und die reich aufgebauten Ostenso- rien, die unsere Aufmerksamkeit fesseln. Die Kunst der Emailmalerei ist neben der ihr in vielen Stücken ähnlichen Glasmalerei eine der schönsten Techniken, die das Mittelalter schuf und zur Bliithe brachte, und so ganz ist sie aus ihm entsprossen, dass selbst die Stylbedingungcn des Emails - wenigstens gilt dies ganz- lich für das Emuil champlevee - selbst in seiner heutigen Anwendung nur erfüllt werden können im Anschlusse an die Kunstweise des roma- nischen oder frühgothischen Styles. In welchem Masse die Formen- und Farbengehung des Email champlevee mit dem genannten Zeitstyle eng verbunden ist, erhellt aber schon daraus, dass wir es mit ihm ent- stehen und gänzlich ausser Üebung kommen und verschwinden sehen, als in der Kunst eine neue Zeit heranbrach, deren Forderungen diese Eniailtechnik nicht mehr entsprechen konnte. Bei der gegenwärtig an- gebahnten Wiederbelebung der Emailleurkunst wird ein genaues Studium der alten Werke eine Grundbedingung des Erfolges und der Weiterbil- dung sein. Das grosse knppelfirmige Reliquiar des Welfenschatzes kann ebenbürtig an die Seite der bedeutendsten Emailwerke, die uns erhalten sind, gestellt werden, wie der Schrein der heil. drei Könige in Köln und das Klosterneuburger Altarwerk. Schon der Aufbau dieses Reliquien- schreines ist ein in edel-einfacher Weise schön entworfener. Einer qua- dratischen Grundfläche sind an den Rechteckseiten kleine Vorbauten