"'31 MITTHEILUNGEN wir--
Fünfter ahrgaug. 15. Februar 1870.
k. k. österr. luseums für Kunst Industrie.
Monatschrift für Kunst 8a Kunstgewerbe.
Am 15. eine jeden Monat erscheint eine Nummer. Abonnementspreis per Jahr G. ö.W.
Bodnctaur Bruno lnolur. Expedition von C. Geroldäz Sohn. Mm abonnirt im Museum,
bei Guold Camp, durch die Poutnnntalten, sowie durch alle Bnch- und Klmnllmndlungen.
lllll Dli Aunlll der Wohnllnp- Utber Ilöml und CQHIIIIL ll. Schlamm B. Coonhatd Blau die
villtillllldln lßhhrlßtlnll. Erwerbungen de! l. k. Hünl- und Anlilnlwlbllnh im J. 1859.
Nenlgkolzen du fnxuän. Knnnt-lndnnrlo. Bücher-Baue. Fomauung du Vnniohniual
dar Gypubgluo. Klcinun Mmheilnngwn. Inuun.
Blau dm Beilage in du Svizkn olnu lulben Drnakhugenl.
Die Ausstattung der Wohnung.
Der Erfolg aller Bestrebungen zur Verbesserung des Geschmacks
hängt zum wesentlichen Theile von der Ausbreitung der Einsicht ab,
dass das Welten des Geschmackes nicht erst in einer gewissen oder un-
gewissen höheren Region zu beginnen hat, dass nichts zu klein und nichts
zu neheliegend ist, um den Gesetzen des Styls und der Harmonie unter-
worfen zu werden. So lange man noch glaubt, nur an die Schöpfungen
dI hohen Kunst Ün Massstab der Gesetzmässigkeit legen zu müssen,
so lange man VI den Leuten Strenge zur Schau trägt und zu Hause
lieh daRir um hier gehen liest so lange hat die bessere Richtung
der Gegenwert Vergleiche mit der Zeit vor zehn und zwanzig Jahren
kaum viel grjen Werth eh den einer Mode und daher auch nicht
die Garantie längeren Idßndes. Für den Augenblick sind unsere
lnseen dem Publicmn noch eine andere Art von Theater man
Gesucht sie Zerstreuung, ßn hört mit Interesse" den mit Beispielen
belegten Eßbungm über Vor- und Riickschritte des Geschmacks, über
Entwickeu und Verfall der Künste und die Ursachen dieser Erschei-
nungenj, Cipdndet sogar wohl eine kleine Emotion wie bei dem Siege
im Schauspiel; aber auf dem weiten Wege von dem Schau-
piel-Hause bis zur Wohnung verdächtigen sich die Eindrücke
und Eßchlüsee, wo sie überhaupt vorhanden waren, während wohl den
gar nicht einmal die Beziehungen zwischen einem Museum und
ihrer Privatwohnung einleuehten und noch viel weniger die Pflicht des
Einzelnen, in seinem Kreise an dem Reformwerke mitzuarbeiten.
Erfordert "schon der einfache Menschenverstand, künstlerische Gesetze,
deren Berechtigung man anerkennt und deren Beobechtung man z. B. bei
öfentlichen Bauten und der Ausschmückung derselben begehrt, vor allein
auch innerhalb der eigenen vier Wände zu befolgen, so weit die Mittel
es gestatten, so ist es für die Befestigung eines geläuterten Geschmackes
von der höchsten Wichtigkeit, dass die Jugend schon unter dem Ein-
iiusse desselben aufwachse, dass sie wo möglich so wenig eine unhar-
monische Farbenzusammenstellung oder ein geschmackloses Geräth zu
sehen, wie ein unreines Wort zu hören bekomme, dass das Stylgefühl
zur andern Natur werde, wie das Gefühl für das Schickliche. In einer
solchen häuslichen ästhetischen Erziehung erkennen wir den einzigen
rechten Schutz gegen aberinalige Verwilderung.
Und doch ist es nicht einmal nothwendig, sich auf diesen Stand-I
punkt zu stellen, um die Bedeutung des Wohnungsschmuckes zu erkennen.
Unser Haus oder allgemeiner gesagt, unsere Wohnung ist gewöhnlich
die einzige kleine Welt, in welcher wir Herr und Gebieter sind, wenn
auch leider selten ohne eine starke constitutionells Beschränkung. Sollte
es darum nicht unsere Freude, ja unsere Ptlicht sein, auch als Herr und
Schöpfer in diesem Mikrokosmus, der unser ist, zu walten, seiner Ver-
schönerung, seiner Ausstattung unsere Liebe und Sorgfalt zuzuwenden
und ihn gewissermassen zu einem Tempel der Familie zu schmücken?
Und diese Liebesmühe würde keine verlorene sein. Das Gefibl der
Zufriedenheit, der Behaglichkeit in unseren vier Wänden würde uns
reiche Belohnung gewähren. Und doch müssen wir nur zu häufig
sehen, dass der Schmuck der Wohnung als etwas gleichgiltiges erachtet
wird, dass man sich des eigenen Willens und des eigenen Urtheils ent-
äussert und sich dem Decorateuroder Tapezier auf Gnade und Ungnade
ergibt. Andererseits folgt man gedankenlos einer schlechten Mode oder
verschwendet aus Unkenntniss bedeutende Mittel, um ein unbefriedigendes,
ja abstossendes Resultat zu erzielen."
Mit den hier citirten Worten leitete Custos Falke seine vier Vor-
lesungen über Verzierung und Ausstattung der Wohnung ein. Der Ver-
suchung, den Gegenstand historisch zu betrachten, ging er, so gross
dieselbe sein mochte, aus dem Wege. da die ästhetisch-kritische Behand-
lung des Thema's ohnehin die ihm verstattete Zeit reichlich in Anspruch
nahm. Ohne Gesetze von allgemeiner unbedingter Geltung aufstellen zu
wollen, da die Unterschiede im Klima, in den Lebensbedingungen von
Stadt und Land, Grossstadt und Kleinstadt, in Standes- und Vermögens-
verhältnissen, in Charakter und Gewohnheiten des Individuums stets einen
wesentlich bestimmenden Einfluss auf Anlage, Einrichtung und Schmuck
der Wohnung haben werden und haben müssen, suchte der Redner
die allgemeinen Bedingungen zu gewinnen, welche an den Grundbestand-
theilen einer jeden Behausung, an Wand, Decke und Fussboden, und an
dem überall unentbehrlichen Mobiliar hatten. Wo er auf Specielles ein-
gehen musste, hielt er sich vorzugsweise die bürgerliche Wohnung vor
Augen, wie sie dem Leben und dem Bedürfnisse der gebildeten Kreise
entspricht. Dabei sah er sich wohl vor, auch nur in solcher Beschränkung
ideale Forderungen aufzustellen; er berücksichtigte vielmehr ausdrücklich
die grossstädtischen Zustände auf dem Continente, welche nur in den
allerseltensten Fällen gestatten, die Architektur des Hauses und die innere
Ausstattung desselben in Harmonie zu setzen, er wahrte eben so ans-
drücklich dem Bedürfniss nach Wechsel und Erneuerung der Umgebung
sein natürliches Recht, welches Recht von archäologischen oder künst-
lerischen Pedanten" geleugnet werden würde. Er verlangte weder, dass die
Wohnung ein Kunstwerk im höchsten, im monumentalen Sinne, noch, dass
die Einheit eines hysterischen Styls mit aller Strenge durchgeführt werde,
-schon weil die Gegenwart Lebensbedürfnisse geschaffen hat, welche den
Zeiten, die sich eines bestimmten Styls erfreuten, unbekannt waren. Die
Harmonie bezeichnete er als das unerlässliche Ziel der modernen Wohnung,
als den Ersatz für den Abgang eines bestimmten uns eigenen Styls.
Somit war der Anstiucht, dass Unerreichbares gefordert werde, der
Weg abgeschnitten, und nun konnte der Redner seine Sätze aufstellen,
welche davon ausgehend, dass das Zimmer als umschlossener Raum in
seinem Charakter und in seiner Bestimmung bewahrt bleiben muss, dass
es durch seinen Schmuck verschönert, idaelisirt, aber nicht verwandelt
oder verkehrt werden soll, von der Bestimmung und den natürlichen
Eigenschaften von Fnssboden, Wand und Plafond die Bedingungen für
deren Verzierung herleiten. Da dieser auf vier Vorträge vertheilte Stoff
noch eine Ergänzung erhält durch einen fünften, welcher Tisch und
Tafel behandeln soll, so bildet dieser Cyklus von Vorlesungen ein in
sich abgeschlossenes Ganzes, welches hoffentlich in nicht zu langer Zeit
wird der Oeifentlichkeit übergeben werden, da ein Noth- und Hilfsbuch
solcher Art in Wahrheit einem allgemeinen Bedürfnisse abhelfen würde.
Ueber Mörtel und Zement.
Zwei Vorlesungen von H. Hlasiwetz, gehalten im Oesterr. Museum für Kunst und
Industrie am 25. November und 2. December 1869.
XI.
Schluss
Betrachten wir darum vorerst die Entstehung des Thons und der thonigen
Kalksteine, des Materials, mit dem wir weiter operiren sollen.
Es ist änsserst selten, dass wir in der Nntnr chemisch reine Mineralien,
chemisch reine Verbindungen finden, solche, welche neben ihren nach Aequiva-
lenten und chemischen Proportionen verbundenen Hauptbestandtheilen nicht noch
grössere oder kleinere Mengen von Nebenbestaudtheilen enthielten, die mit bei
künstlichen. Präparaten schlechthin Verunreinigungen nennen.
Ein oheriiichlicher Blick in des Laboratorium der Natur zeigt auch, dass
des nicht anders sein kann. Gegenüber unseren chemischen Laboratori umsnrbeiten
sind die in der Natur sich abspielenden Processe so wenig von einen der geschie-
den nach Baum und Zeit, dass bei dem wirren Durcheinander von St offen, die de.
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vermöge ihrer Affinitäten Verbindungen, Umbildnngen und Zersetsungen in jedem
Augenblick erleiden, reine Verbindungen oder Zersetsungsprodncte, reine Präpa-
rate im Sinne der Chemie gar nicht zu erwarten sind.
Erscheinen uns danim schon die schönsten Edelsteine nur als solche unreine
Präparate, die ihrer Verunreinigung vielleicht gerade ihre Schönheit verdanken,
so sind es natürlich noch viel mehr die Gebirgs- und Gesteinsarten und die Mi-
neralien, aus welchen diese selbst meist zusammengesetzt! sind, so dass sie als
mitunter ganz variable Gemische erscheinen, die nur innerhalb ziemlich weiter
Grenzen eine gewisse Constanz der Zusammensetzung zeigen, in denen wechselnde
Mengen von näheren individuellen Verbindungen eingeschlossen, oder diese unter-
einander zu festen Massen durch Krystallisation und Erstarrung zusammenge-
lrittet sind.
Es ist klar, dass wir in den durch Verwitterung und sonstige Zerstörung
aus diesen rohen Materialien entstandenen Producten dieselbe Ungleichförmigkeit,
dieselbe Verunreinigung eines, vielleicht als Hauptmasse auftretenden Körpers lll
gewärtigen haben, dass in diesen Zersetzungsproduczten überdies nicht selten Reste
unveränderten Gesteins enthalten sein werden.
Ein entsprechendes Beispiel zur Bestätigung des Gesagten ist nun der
Thon. Derselbe ist das Zersetzungs- oder Verwitterungsproduet des Feldspaths,
oder besser der Feldspathe.
Es ist früher schon erwähnt, dass diese Mineralien Doppelsilicate sind, he-
stehend aus kieselsaurer Thonerde und kieselsaurem Alkali, Kali oder Natron,
auch Lithien. Die Kalifeldspathe sind die vorwiegend verbreiteten.
Man kann in gewissem Sinne sagen, die Feldspathe seien Alaune, in denen
die Schwefelsäure durch Kieselsäure ersetzt ist. Reine Feldspatbe sind selten; sie
müssten farblos sein, wenn sie rein wären, sie sind aber meistens gefärbt; du
Färbende ist vornehmlich Eisenoxyd.
Tritt der Feldspath auch oft in grossen Massen auf, so bildet er doch nie
eigentliche Gebirge, wie etwa die Kalke oder Schiefer.
Allein es gibt Gebirgsmassen, grosss Gebirgszüge, die als einen Haupt-
bestandtbeil oder Gemengtheil Feldspath enthalten. Man kann sie elassificiren
in die vorwaltend feldspathigen den Granit, Gneiss, Byenit, Trachyt etc; in die
gemischt feldspathig-zoolithischen, die sog. Grünsteine oder Truppe, den Diorit,
Dolerit, Metaphyr, Basalt und endlich in die gemischt-feldspathig zoolithischen,
die Phonolithe und Klingsteine.
Alle diese aufgezählten Gebirgsmasseu sind krystallinische Silicate und echte
Festlandsgebilde.
Der Verwitterungsprocess des Feldspath drückt der Verwitterung und den
Verwitterungsprodueten aller dieser Massen einen gewissen Stempel auf. Das
endliche Verwitterungsproduct derselben ist ein verschieden reiner Thon.
Den reinsten Thon kann nur der reinste Feldspath geben. Er ist dann
fast farblos, kreideweiss, wenn er trocken ist; er heisst Porzellanerde oder Kaolin,
auch Pfeifenerde. Im Wesentlichen besteht er aus kieselsaurer Thonerde, mit
einem kleinen Antheil freier Kieselsäure.
Die Verwitterung bestand darin, dass der Feldspath in seine Componenten
zerfiel, die kieselsnure Thonerde und das kieselsaure Kali. Das letztere wurde
weiter zersetzt, zum Theil vom Wasser gelöst und weggewaschen, ein Anthsil
freier Kieselsäure blieb von der weitem Zersetzung des kieselsauren Kalis unlül-
lieh zurück und mischte sich der kieselsauren Thonerde bei, die eine .911; be.
ständige Verbindung ist.
Das zersetzende Agens war die Kohlensäure im Verein mit dem Wasser.
Wahrscheinlich haben Strömungen von koblsnsaurem Wasser den Feldpsth oder
die aus ihm gebildeten Gesteine längere Zeit berührt. Dieser Einwirkung wider-
steht auf die Dauer fast keine Silicat-Gesteinssrt. Enthält, wie gewöhnlich, der
Thon Eisenoxyd, Kalk, Bittererde, Sandeinschlüsse u. s. w., so stammt er von
zusammengesetzten Gesteinen, den Graniten, Basalten, Griinsteinen vielleicht.
Häufig lässt sich aus diesen Nebenbestandtheilen auf das Urgesteiu zuriickschliessen,
aus dem er entstanden ist, selbst wenn dieses sich nicht mehr in der Nähe eines
Thonlagers befindet. Denn es ist anzunehmen, dass diese thonigen Zersetzungs-
massen oft vom Orte ihrer Bildung weggeschwemmt und an tieferen Stellen in
Mulden und Tbalern wieder abgelagert worden sind.
Die Basalte und Dolerite geben meist plastischen Thon, Hypersthenfels und
Gsbbro geben Walkerde.
Den Ahschwemmungsprocess, die Bchliimmung des Thons, wobei mechanisch
das feine Schllmmsel von den schweren gröberen Bestandthsilen getrennt wurde,
verrathen die Schichten, die sich in Thonlagern meist so deutlich zeigen.
Sehr oh linden sich Thone und Braunkohlen zusammen, und die Braun-
kohlenlager, aus denen sich durch ihren Verwesungsprocess continuirlich Kohlen-
säure entwickelt, sind dann ohne Zweifel das Bewirkende für die Thonbildung
aus benachbarten Silicaten.
Der Eisengehalt ertheilt den Thonen meist ihre verschiedenen Farben, die
vom Gnucn bis ins Ockerfarbige gehen.
Stark eisenoxydhaltiger Thon heisst Lehm. Er ist geschlämmter, mit Sand
vermischter Thon. Der Sand ist jene quarsige Kieselsäure, die früher einen Ge-
mengtheil der Gesteins bildete. Diese widersteht der Verwitterung am längsten,
die einzelnen Qusrzkörner werden durch die Verwitterung der anderen Bestand-
theile, des Feldspaths, Glimmers, des Augits u. s. w. blossgelsgt und vertheilen
sich in der Vsrwitterungsmasse. Ist diese bis auf einen kleinen Rest von dem
Lande weggeschwemmt worden und dieser dann dem Druck einer iiberlagerten
Erdschichte ausgesetzt gewesen, so kann er durch diesen Rest zusammenkitten
und einen Sandstein geben.
Geriethen die weggeschwemmten Thonmassen in den kohlensauren Kalk und
mischten sich, so lange dieser noch weich und schlammig war, mit ihm, so ent-
standen die thonhaltigen kohlensauren Kalks, die so verbreitet sind.
Ich habe die Kalkbildung in der letzten Stunde näher besprochen und her-
vorgehoben, dass sie ein, von dem Augenblicke an sich nothwendig einstellender
Process war, wo das Meer organische Bildungen pflanzlicher und thierischer Art
su enthalten begann.
Durch alle sogen. Formationen hindurch findet man solche Kalkablagerungen
und beschreibt sie als Bergkalk, Muschelkalk, Kchlenkalk, Jura-, Lias-, Kreide-,
Nummulithem, Cerithienkalk u. s. w. und der Vorgang ihrer Bildung war durch
alle Zeiten derselbe; ihre wechselnden Eigenschaften rühren nur von der wech-
selnden Beschatfsnheit der kalkbaueuden Thiere.
Von diesen reinen Meereskalken zu unterscheiden sind aber jene, die Ver-
witterungs- und Zersetsungsprodncte kalkhaltiger Gesteine sind. Kalke, welche
Einschlüsse enthalten, die im Meere nicht vorkommen können, Beirnischungen von
Silicaten, Feldspsth, Quarz, Idokras n. s. w., dann besonders Thonsilicaten.
Diese fremden Bestandtheile enthält das Meer tiir sich nicht, und sie können
nur als Schlamm durch die Flüsse, die diese Zersstzungsmassen von Festlands-
bildungen fortspiilen, in den Schlamm gekommen sein.
Für manche Kalke sind sie besonders charakteristisch, so z. B. Sir die
Jurakalks, die dadurch ihre besondere Farbe, ihr eigenthümliches Korn, ihre
Schichtung in horizontaler Richtung erhalten.
Die Masse so durch Verwitterung gebildeten und von den Bächen, Flüssen
und Strömen fortgespiilten Schlammes ist unglaublich gross.
Eine grosse Rolle spielen hierbei besonders die Gletscher-Bäche und Ströme,
deren Wasser mit Sedimenten beladen ist. Um Ihnen einen Massstab für den
Umsatz dieser Producte zu geben, sei nur erwähnt, dass nach den neuesten Unter-
suchungen der Rhonegletscher allein täglich 605 Millionen Kubikmeter Wasser
liefert, und dass mit diesem Wasser täglich 86 Millionen Kilogramm Sediment
fortgeführt werden.
Diese ungeheure Masse von Sedimenten gelangt nur zum Theil durch die
Flüsse ins Meer und in den dort sedimentirenden Rhizopoden-Kalk. Ein anderer
Theil lagert sich in den Thälern ab und betheiligt sich an der Bildung des sog.
Isöss, dessen Entstehung bisher so problematisch war, obgleich er den Haupt-
bestandtheil der von den Alpenströmeu durchüossenen Thäler ausmacht. Er ent-
hiilt oft über 20 pCt. kohlensauren Kalk, Thon, freie Kieselsäure und die ge-
wöhnlichen Beimischungcn von Eisenoxyd, Bittererde u. s. w. neben 1-3 pCt.
Alkalien.
Er ist also auch weiter nichts als ein sehr thoniger Kalk oder kalkiger
Thon, eine Mischung, die in so vielerlei Verhältnissen vorkommt. Eins Art sol-
cher thoniger Kalke nennt man Mergel. Es sind diejenigeb, wo der Thongehalt
über 10 pCt. beträgt.
Manche Kalkspecies der ältern Formation, besonders der Keuper oder bunte
Mergel gehören hierher.
Meistentheils sind die Mergel brauchbare Kalkarten für hydraulische Mörtel.
Sie sind verwitterbar, und zwar um so leichter, je mehr der Thongehalt zunimmt.
Durch diesen Process, der besonders durch den Frost unterstützt wird, durch das
Krystallisiren des in die poröse Masse eingedrungenen Wassers, wodurch sie ge-
sprengt wird, entsteht die Mergelerde.
Die Mergel sind also meistens durch Verwitterung von Kalkgebirgen unter
Mithilfe des meteorologischen Wassers entstandene Bildungen, sagen. Siisswasser-
kalke, dem Diluvium und Alluviurn angehörend, meistens ohne Schichtung, und es
gehören hierher auch die Kieselkalke, Tkavertine, Erbsensteine, die Ritfsteine und
Madreporenkalke, die gleich der Kreide noch reich sind an Resten von Organismen.
An solchen Thonknollen, die in einem Mergel in England vorkommen,
solchen Kalknieren", wie man sie auch nannte, wurde gegen das Ende des 18.
Jahrhunderts von James Parker zuerst die Eigenschaft wahrgenommen, dass be-
sonders sie durch Brennen eine Masse geben, die zerrieben oder gemahlen und
mit Wasser angemacht einen vorzüglichen hydraulischen Mörtel liefert.
Beim Brennen werden sie, die früher grau waren, braun, in Folge der
Bildung von Eisenoxyd aus dem Oxydnl. Das Brennen muss bei grösserer Hitze
geschehen als das Kalkbreunen; das Erhärten erfolgt schon nach einer Stunde.
Parker nahm hierauf ein Patent.
Aehnliche an der Küste von Boulogne in Franklreich sich findende Bildungen
verwandte 1802 Lesage mit dem gleichen Erfolge zu hydraulischem Mörtel.
Pasch fand und untersuchte ähnliche Kalkarten in Schweden.
1818 publicirte Vicat seine berühmte Arbeit über die Mörtel. Die hydrau-
lischen brachte er in drei Classenß
1. Schwach hydraulische Kalke, welche mit Salssiiure behandelt bis 15 pCt.
thonigen Rückstand lassen, gebrannt mit Wasser noch ziemlich stark gedeihen,
und erst nach längerer Zeit einigen Wochen fest werden und dem Wasser erst
nach ziemlich langer Zeit zu widerstehen vermögen.
Vgl. Die hydraulischen Mörtel" von Michnelis. Leipzig 1869,
2. Gewöhnliche hydraulische Kalke, welche bei 25 pCt. thonigen Rückstand
lassen, nach dem Brennen mit Wasser nur noch wenig ihr Volumen vermehren,
nach einigen Tagen fest werden und innerhalb Jahresfrist, meist aber früher, voll-
kommen erhärtet sind und dann vom Wasser kaum mehr angegrißen werden.
3. Stark hydraulische Kalke, welche 30 pCt. die besten und darüber tho-
nigen Rückstand geben, nach kurzer Zeit fest werden, gar nicht oder nur wenig
ihr Volumen mit Wasser vermehren, nach Monatsfrist schon sehr hart und dem
Wasser kaum mehr zugänglich sind und nach wenig Monaten in Luft und Wasser
Steinhürte erlangen.
Diese letztem erhielten auch den Namen .I'Öll1lBCll0 Cemente, Roman-
cemente", der nur an die Vorzüge des antiken Wassermörtels erinnern sollte,
der aber unrichtig gewählt ist, sofern damit auch eine chemische Gleichartigkeit
ausgedrückt sein sollte, denn wir hörten schon, dass die Römer ein ganz anderes
Material, die Pussolane, ihrem Mörtel zu Grunde legten.
Auch das Wort Cement oder Ciment etym. cacmntum, Bruchstein, caedere,
hauen wurde bald in verschiedenem Sinne gebraucht. Man verstand darunter
ebensowohl den, aus thonigen Kalksn erbranuten fertigen hydraulischen Mörtel, als
oft auch hlos die hydraulisirenden Massen und Zuschläge, TuEe, Trasse, Puzzo-
laue, vermittelst deren man den Kalk in Wassermörtel verwandeln kann.
Die Thon- oder Kalknieren nodules of clay, aus denen man die Mörtel-
masse in England brannte, benannte man nach ihren Fundorten. Allgemein hiessen
sie Portlandsteine, und später, als man, besonders fussend auf die Untersuchungen
Vicatis, wonach die Güte der Steine abhängig ist von einem bestimmten Mengen-
verhültniss zwischen Thon und Kalk, danach künstliche Mischungen dieser beiden
Beskndtheile mit bestem Erfolg zu hydraulischem Kalk zu brennen lernte, wurde
diesem Präparat von Josef Aspdin, einem Maurer in Leeds, der um dasselbe die
griissten Verdienste hat, der Name Portland-Cement beigelegt, weil er dem aus
natürlichen Portlandsteinen dargestellten an Wsrth gleicbkommt. 1824
Beide Arten, hydraulischen Mörtel darzustellen, die Art, durch Brennen na-
türlich yorkommande Kalksteine oder Mergel, die eine angemessene Menge von
Thon neben kohlensaurem Kalk enthalten, und diejenige Art, diese beiden Be-
standtheile in passenden Mengen künstlich zu mischen und dann zu brennen, sind
heute im ausgedehntesten, schwunghaftesten Betriebe.
Solche natürliche Mischungen sind, wo sie sich finden, von hohem Werth
und werden nach dieser Richtung in grösstem Massstabe ausgenützt. Wo die Natur
sie nicht schon hieflir vorbereitet hat, haben sich Fabriken oft von miichtigem
Umfang aufgethan, die künstlichen PortlandvCement fahriciren.
Wir wollen diese beiden Arten der Darstellung nun ihrem praktischen Be-
lriebe nach betrachten, und dann wieder auf die Theorie des Erhärtens dieser
Arten von hydraulischem Mörtel näher eingehen.
Die Erfahrung hat, wiederholen wir, festgestellt, dass ein bestimmtes Ver-
hältniss swischen kohlensaurern Kalk und Thon in den thonigen Kalksteinen vor
Allem das beste ist. Zahlreiche Analysen haben hiezu verholfen.
Wie diese im Einzelnen ausgeführt werden, ist hier nicht zu erörtern; es
geschieht nach bekannten Regeln der analytischen Chemie.
Als Resultat aber wird für einen guten hydraulischen Kalk verlangt, dass
er, mit Salzsäure behandelt, sich zum Theil auflöse, einen andern Theil als tho-
nigen Rückstand hinterlässt.
Der lösliche Theil, der der Hauptmenge nach aus kohlensaurem Kalk mit
nur kleinen Mengen yon Eisenoxyd und Oxydul, Maguesia und Thonerde besteht,
betrage im Durchschnitt zwischen 60 und 80 pCt.
Der unlösliche thonige Antheil, enthaltend Kieselsäure, Thonerde, kleine
mnes unserer berühmtesten und werthvollsten Lager von hydraulischem Kalk
ist das von Kufstein in Tyrol. Wir verdanken dem Münsprobirer Herrn Kripp
in Hall eine umfassende Studie darüber.
Nicht das richtige Verhältniss von Thon und Kalk allein bedingt jedoch
die Güte eines hydraulischen Kalks, sondern es ist für dieselbe auch die Innig-
keit der Mischung, die feine Vertheilung, in der sich allseitig die Kieselsäure mit
dem Kalk befindet, maassgebend, und es ist der hydraulische Kalk darum um so
besser, je weniger Kieselsäure in grössern Massentheilchen, in der Form von
Quarz oder Sand sich darin befindet; er ist ferner, da das Eisenoxyd zur Hy-
dranlisirung nichts beiträgt, um so besser, je weniger Eisen sich bei dem Thon
befindet, der nach der Zersetzung mit Salzsäure zuriickbleibt.
Endlich sind die dichten festen Mergel weit den lockern porösen vorzu-
ziehen, da sie, was erreicht werden soll, beim Brennen einen dichten harten
Stein geben.
Das Brennen selbst ist von dem gewöhnlichen Kalkhrenneu kaum verschieden.
Ma.n liihrt es ebensowohl wie dieses in intermittirenden Schschtöfen aus, als in
solchen, die einen contiuuirlichen Betrieb gestatten, wie sie früher kurz beschrie-
ben wurden.
Arbeitet man in Schachtöfen, so bedient man sich als Feuermaterial am
liebsten der Coaks, weil die Temperatur heim Brennen des hydraulischen Kalks
durchgängig höher erfordert wird als heim Brennen des gewöhnlichen kohlensauren
Kalks, aus Gründen, auf die ich gleich zurückkommen werde.
Der Brand selbst muss möglichst regelmässig und durch die ganze Be-
schickung des Ofens hindurch gleichmäßig erfolgen. Er wird sorgfältig iiber-
wacht und dauert für eine Quantität von 50 Tonnen 10.000 Kilo etwa 24
Stunden.
Für das continuirliche Brennen haben HoKmann und Licht 1858 eins Ofen-
construetion erdacht, die in ihrer Weise epochemachend und das ratlonellste ist,
was man bisher kennt.
Es sind die nach ihrer Form sogenannten Ringöfen, die die Temperatur in
einer Weise zu reguliren und das Brennmaterial auszuniitzen gestatten, wie keine
andere Ofenconstrnction.
Die Temperatur, die erreicht werden muss, ist höher, als die zum Schmelzen
des Schmiedeeisens erforderliche, die 1900" C. beträgt. Man bedarf heller Weiss-
glühhitze, d. i. etwa 2000" C.
Man kann und muss durch öfteres Probexiehen sich von dem Grade der
Zersetzung der erhitzten Masse überzeugen, und die Erfahrung hat, im Verein
mit der Theorie, gelehrt, dass die Masse erst dann als gahr gebrannt betrachtet
werden darf, wenn ihre Farbe nach dem Erkalten ein eigenthümlichss Graugriin
ist, das von Eiaenoxydkalk herriihrt. Bis zu diesem Farbenton nimmt die Masse
an Hydraulicität zu; darüber erhitzt wird sie blaugrau von Eisenoxydulsilit und
der Cement ist dann schon untauglich.
Noch höher erhitzt schmilzt sie zu einer ohsidianartigen, durch dasselbe Si-
licat grünschwanen Schlacke.
Das Pulver des normal gebrannten Steins ist grau, mit einem Stich ins
Grünliche, es ist scharf und rauh anzufühlen.
Der Cement wird den Consumenten in dieser Form verabfolgt." Um sie her-
zustellen, wird der Stein, der etwa die Härte und Dichtigkeit gut gebrannter
Mauerziegel hat, einer Quatsch! oder Brechvorrichtung übergeben und dann iu be-
sonders fiir diesen Zweck eingerichteten Mahl- oder Beib-Mechanismen zerrieben
und endlich gesiebt. Bei älteren Werken bedient man sich auch wohl noch der
Stampf- oder Pochvorrichtungen.
Das fertige, gut gemischte und durchgeschaufelte Product wird schlieaslich
in Fässern verpackt dem Handel übergeben.
Kann man so den Cement oder hydraulischen Mörtel aus natürlichen tbo-
nigeu Kalksteinen oder Mergeln brennen, so ist, bei aller Sachkenntniss und allen
Vorsichtsmassrsgeln, die aufgeboten werden müssen, und die ich hier übergehen
muss, das Verfahren doch im Grunde höchst einfach.
Es complicirt sich natürlich da. wo man, wie bei der Fabrication des künst-
lichen Portland-Cements, sich eine solche Mergelmasse aus ihren Bestand-
tbeilen, dem kohlensauren Kalk und dem Thon, erst herstellen muss.
Dieser Industriezweig hat jetzt schon grossartige Dimensionen angenommen,
und fast alle grösseren Staaten besitzen bereits zahlreiche rationell betriebene
Etablissements zur Herstellung eines Products, dessen Verbrauch sich durch die
immer ausgedehnter und kühner werdenden Bauten unserer Eisenbahnen, Brücken,
Tunnels u. s. w. von Jahr zu Jahr steigert.
Die nächste Bedingung natürlich ist, dass die Fabrik über einen passenden
Thon und einen passenden kohlensauren Kalk in ihrer Nähe veriiigt.
Bei der Wahl des Thons hat man sich eben so sehr von der chemischen
Zusammensetzung desselben leiten zu lassen, als man Rücksicht nehmen muss auf
seine mechanische Zusammensetzung, auf seine Hcmogeneität, sein Freisein von
gröberen Sand- und Mineralientheilchen.
Thone von glattem, muschligem, nicht rauhem, unebenem Bruch, ohne fremde
Einschlüsse, die mit Wasser leicht einen gleichmässigen Brei geben, sind die
besten. Davon versichert man sich überdies durch eine Schlämmprobe und zum
zweiten durch eine chemische Analyse.
Die brauchbaren Thone enthalten zwischen 60-68 pCt. Kieselsäure, 12
bis 22 pCt. Thonerde, 7-14 pCt. Bittererde, keinen oder bis zu pCt. Kalk,
2-4 pCt. Alkalien und oft Spuren von Gyps.
Den kohlensauren Kalk verwendet man am liebsten in der Form der Mergel-
erde, der Kreide oder des Siisswasserkalks. Diese Art von Kalken ist miirber und
leichter zu zerkleinern als andere dichtere und krystallinische Kalke, wenn die
letzteren auch reiner sind.
Dass man auch dessen Zusammensetzung analytisch bestimmt haben muss,
versteht sich, denn es muss ja danach die Zusammensetzung der ganzen künst-
lichen Mcrgelmischnng berechnet werden.
Als Anhaltspunkte für diese Rechnung und die Mischung der beiden Be-
standtheile, des Thons und des Kalkes, dient die Erfahrung, dass Kalke, welche
im natürlichen Zustande l120 pCt. Thon, entsprechend 18-30 pCt. im ge-
brannten Zustande enthalten, die brauchharsten hydraulischen Mörtel liefern.
Zu dem englischen Portland-Cement wird ein Gemisch von Thon aus dem
Medwaydnss mit Kreide benützt. Steinkohleuasche, Trass, Puzzuolanerde etc.
können gleichfalls verwendet werden.
Man beginnt damit, die gehörig lufttrockenen oder auf Darren getrockneten
Materialien zwischen Quetacbwalzen, Rollwerken oder Mehlgäugcn zu pulverisiren
und durch Metallsiebo abzuseihen.
Waren sie sehr rein, besonders die Kreide, so können nun diese Pulver,
vorausgesetzt, dass sie so fein sind, wie sie ein Sieb mit etwa 500 Maschen für
den Quadratcentimeter liefert, sofort nach nbgewogenen oder abgemessenen Mengen
mit Wasser in einer Knstmaschine zu einem Teig geknetet, dieser in Ziegeln oder
passende Stücke geformt, getrocknet und gebrannt werden.
Allein die verwendeten Kalke besonders sind selten so frei von Sand und
Nebenbestandtheilen, dass dieses trockene Mischverfahren angewendet werden kann,
und man muss, um diese zu entfernen, zu einer Vorbereitung durch Schlämmen
seine Zuflucht nehmen.
Es kommen die pulverigen Massen dann zuvor in einen grossen Trog, in
dem ein Riihrapparat umgeht, der sie mit Wasser zu einem Brei anrührt, von dem
weiterhin im constanten Zuliiessen der Wasserstrom durch passend angebrachte
Ausdussöiihungen in grosse gemauerte lache Bassins das Feine und Leichte ah-
führt, während der Sand und die gröberen Theile zurückbleiben.
Wenn die suspendirte Masse in den Bassin abgedossen ist, zieht man das
Wasser ab, lässt den Rest an der Luft verdunsten und von den porösen Wänden
absorbiren, zertheilt sie scbliesslich wieder durch einen Mechanismus gleichförmig,
mischt, knetet, fonnt und brennt sie.
Alle die hierzu gebrauchten Maschinen und Apparate sind jetzt so ver-
bessert und zweckmässig eingerichtet, dass ein schneller ununterbrochener Betrieb
möglich wird.
Die zu Teig geknetete Mischung wird entweder mit Handarbeit ganz so
wie beim Ziegelstreicben geformt, oder durch eine Ziegelmaschine in Strängen
ausgequetscht, die ein Messer oder ein Draht in Fragmente schneidet.
Das Weitere, das Trocknen, Darren und Brennen, hat, wie wir hörten, fast
alles mit den Operationen in einer Ziegelei gemein.
Die gebrannten Massen werden schliesslich zermalmt, gemahlen, gesiebt,
durchmischt und verpackt.
Nun erübrigt uns nur noch, den chemischen Grund aufzufinden, aus wel-
chem diese Präparate, mit Wasser zusammengebracht, nach einiger Zeit erhärten
und zu einem künstlichen Mineral werden.
Fragen und untersuchen wir vorerst, ob dieser Grund analog oder identisch
sein kann mit demjenigen, aus welchem jene erst beschriebene Art hydraulischen
Mörtels, die nach dem Vorgangs der Römer aus Tußen und Kalk dargestellt war,
fest und steinartig wurden.
Dort hatten wir gefunden, dass uns die Natur ein Zersetzungsproduct der
Feldspathe oder stark feldspathhaltiger Gesteine in der Form der Laven, Tuife,
Trasse u. s. w. bot, in welchen der Feldspath durch vulkanische Einflüsse, durch
Hitze also, so verändert war, dass dieses und verwandte, zugleich vorkommende
Doppelsilicate, sowie die vorhandene krystallisirte Kieselsäure, der Quarz, in die
speciiisch leichtere, die aggregirte, amorphe Form übergegangen waren, so dass
beim blossen Vermischen mit Kalkhydrat und Wasser sich ein festwerdendes kry-
shllisirendes Kalksilicat bilden konnte, welches wir als die Ursache des Erbartens
des Mürtels betrachten konnten.
Wir erinnern uns nun sogleich, dass auch bei den aus thonigen Kalksteinen
oder entsprechenden künstlichen Mischungen von Thon und kohlensaurem Kalk
erhrannten Cementen, wir es mit einem Zersetzungsproduct des Feldspaths dem
Thon, zu thun haben.
Diesmal aber war die Zersetzung des Feldspaths nicht durch Hitze, sondern
bei gewöhnlicher Temperatur durch Verwitterung erfolgt, und das Zersetzung!-
product, der Thon, die kieselsaure Tbonerde enthält die Kieselsäure nach nicht
in jener Form, dass sie ohne weiters durch eine stärkere Base wie der Kalk ist,
aus ihrer Verbindung deplacirt und in kieselsauren Kalk verwandelt werden
könnte. Gebrannter Kalhxalkhydrat zersetzt den Thon beim blossen Vermischen
nicht oder nur zum kleinsten Theil. Gewöhnlicher Thon ist auch von Salzsäure
nicht zersetzbar, wohl aber waren es die gebrannten oder geschmolzenen feld-
spathigen Gesteine, die Laven, TuEe, Puzzolane u. s. w.
Gebrannter Thon würde sich mit Salzsäure auch zersetzen; aus sehr un-
reinem gebrannten Thon, aus Lehm bestehen unsere gewöhnlichen Ziegel oder
Backsteine; folgerichtig müssten diese mit Kalkhydrat schon eher sich zu einem
Kalksilicat verbinden und einen hydraulischen Mörtel geben können.
In der That linde man, dass ein solcher entsteht, wenn man eine innige
Mischung von Ziegelmehl und Kalk darstellt; wirklich ist Ziegelmehl eine Art
künstlicher Puzzolane, und zwar die älteste, deren sich schon die Römer immer
bedienten, wo sie keinen vulkanischen Sand zur Bereitung ihrer hydraulischen
Mörtel vortanden.
Wir kommen nun der Erklärung schon etwas näher; wir finden, dass ge-
brannter Thou mit Kalkhydrat sich in der Kälte umsetzt. Wie wird sich der
Thou verhalten, wenn er mit dem Kalk zugleich erhitzt wird?
Das Nächste natürlich ist, dass der kohlensaure Kalk der Mergelarten oder
solcher künstlicher Mischungen seine Kohlensäure verliert und zu Aetzkalk wird.
Die Kohlensäure entweicht schon bei miissiger Rotbgliihhitze.
Brennt man die Mergel aber nur bei dieser Temperatur, so wird die
Masse nur braun und gibt ein braunes Pulver von geringer Erhirtungsfabigkeit,
welches sich mit Wasser noch stark erhitzt oder löscht.
Man lindet, dass wenn man die Temperatur so sehr erhöht, als es ohne
die Masse zu schmelzen angeht, das Product lichter wird, graugriin, und an
Erhärtungsfdhigkeit unendlich gewonnen hat, dass es sieh ferner mit Wasser an-
gerührt, nicht oder nur ganz unbedeutend erwärmt. Es enthält also
dann keinen freien Aetzkalk mehr.
Otfenbar hatte also die höhere Temperatur noch einen anderen Erfolg, als
blos den Kalk ätzend zu brennen und den Tbon aufzuscbliessenW
Erst die neuesten Untersuchungen haben diesen Erfolg klar gemacht und
erwiesen, dass in dieser höheren Temperatur auf die Bildung von Aetskalk und
das Aufschliessen des Thnns eine Verbindung des Kalks mit der Kieselsäure
sowohl, als auch mit der Tbonerde folgt, dass sich ein sogenanntes
Kalkaluminat bildet, eine Verbindung, in welcher die Thonerde gegenüber
dem Kalk die Rolle einer schwachen Säure spielt, dieselbe Rolle, die die Kiesel-
säure in dem Kalksilicat hat.
Die mittlere Zusammensetzung eines guten Portlaud-Cements ist
Kalk ...... ..60.0 Kalk... ..0.8
Bittererde .. 1.2 Natron. .. 0.7
Tbonerde.... 7.5 Gyps.. .. 1.8
Eisenoxyd ..... 3.3 Kieselsäure ..24.3
Es ist also im Wesentlichen eine wasserfreie Verbindung von Kalksilicat
mit Kalkaluminat, und die Erhirtung dieses zu Pulver zerriebenen Gemengen
unter Wasser scheint auf nichts anderem zu beruhen, als auf einer Aufnahme
und chemischen Bindung von Wasser.
Der analogste Proeess dieser Art ist das Hartwarden eines Breiea von ge-
branntem Gyps.
Der Gyps, waaserhalüger sebwefelsaurer Kalk, verliert beim Brennen leih
Krystallwasser, und der gebrannte Gyps nimmt mit Wasser angerührt dieses
Wasser wieder auf, damit wieder krystallisirend, sein Volum vergrösaerlld und
erhartend.
Erhiirteter Gyps verhält sich bei neuem Brennen gerade so wie zuvor. Auch
erhlirteter hydraulischer Kalk gibt beim Brennen das Wasser wieder ab und die
gebrannte Masse nimmt es von Neuem auf, damit von Neuem erhärtend.
Zu stark gegliiht wird der Gyps so dicht, dass er nicht mehr mit Wasser
zu erhärten vermag.
Zu stark gebrannter Cement, geschmolsener vielleicht gar, ist im selben Falle.
Unentschieden ist noch, ob das Kalltsilicat und das Kalkaluminat unter sich
zu einer neuen Verbindung zusammentreten oder unverbunden neben einander
existiren.
Je nach der Zusammensetzung der Mergel und der künstlichen Gemische
werden diese beiden Verbindungen in verschiedenen äquivalenten Mengen sich
bilden, so dass sich eine, allen Cementen entsprechende chemische Formel nicht
wohl gehen lässt.
Die Nebenbestandtheile der Materialien, das Eisenoxyd, die Bittererde, haben
keine hydraulisirenden Eigenschaften; die Alkalien sind nützlich, insofern sie zur
Aufschliessung des Silicats beitragen und als lösliche kieselsaure Alkalien sich
leicht mit dem Kalk zu festwerdendem Kalksilieut umsetzen.
Beim eigentlichen Erhiirten unter Wasser miissen sie in das Wasser über-
gehen, welches einen Theil seiner Alkalinitiit auch wirklich ihnen verdankt.
Das Erhiirien bedarf einer gewissen Zeit und einer, ein gewisses Mass
nicht überschreitenden Wassermenge.
Gypspnlver würde, mit viel Wasser angerührt, zerschlimnat werden, bevor
seine einsehen Partikeln Zeit haben, durch Krystallisation an einander zu kitten.
Beim hydraulischen Mörtel ist es ebenso.
Auch die Kohlensäure des Wassers ist nicht ohne Autheil bei dem Er-
hmnngsprocess. Sie bildet an der Oberfläche einer Schichte des hydraulischen
Mörtels kohlensauren Kalk, der das weitere Eindringen der Kohlensäure hindert,
indem er bald die einzelnen Zwischenräume der obern Partien verlegt. Könnte
sie andauernd bis in das Innere der Masse eindringen, so würde sie ihn lockern
und verderben.
Leitet man Kohlensäure in Wasser, in welchem Cement suspendirt ist, so
kann man ihn dadurch ganz zersetzen. Es wird kohlensanrer Kalk gebildet und
Kieselsäure frei.
Störend genug wirkt diese Kohlensliurezersetzung schon beim Meerwasser,
welches immer reicher an Kohlensäure ist, wie Fluss- oder Quellwasser.
Ausserdem leidet der hydraulische Mörtel im Meerwasser noch durch die darin
vorhandene schwefelsaure Magnesia und das Clormaguesinrn. Diese beiden Salze
wirken auf den Kalk des Mörtels und verwandeln ihn in schwefelsauren Kalk und
Clorcalcium. Sie fressen und nagen ihn an, er kommt in's Blättern und die Bauten
werden allmälig ihrem Buin entgegsngeüihrt.
Die Frage, immer und unter allen Umständen dem Verderben der Cemente
im Meerwasser vorzubeugen, ist noch nicht völlig gelöst. Nur die dichtesten unter
ihnen sind ganz widerstandsfähig, Puzzolanmörtel mehr als hydraulische Kalkmörtel.
und auch diese erst dann, wenn ihr Erhiirtungsprocess grösstentheils unter dem
Einfluss der Luft beendigt ist.
Der hydraulische Mörtel und der Portland-Cement hat, seit man ihn wohl-
feil und verlässlich herzustellen versteht, auch bei Land- oder Hoohbauten viol-
fach schon den gewöhnlichen Knlkmiirtel verdrängt, und wird namentlich da immer
angewendet, wo es darauf ankommt, irgend einer Bau-Construction in kürzester
Zeit einen hohen Grad von Festigkeit zu geben.
Man kann sagen, dass Portland-Cernent mit der dreifachen Menge Sand
lUl
vermischt einen Mörtel gibt, der nach einigen Monaten schon fester ist, als Luft-
mörtel nach hundert Jahren.
Und wenn an Eleganz und Schwung moderne Bauwerke oft die, früherer
Perioden übertreffen, so ist das auch mit in der grosssn Festigkeit und Trag-
fähigkeit zu suchen, die wir kiihnem architektonischen Entwürfen durch hydrau-
lischen Mörtel und Eisen zu geben vermögen.
Der gewöhnliche Luftmörtel wirkt kittend durch die sehr nllmälige Bildung
von kohlensaurem Kalk, die sich erst in grossen Zeiträumen gänzlich vollendet.
Der hydraulische Mörtel wirkt kittend durch die Wasseraufnahme eines
Kalksilicats und eines Kalkaluminats, die in sehr kurzer Zeit ihr Ende erreicht hat-
Der gewöhnliche Luftmiirtel ist auf lange hinaus eine Quelle der Wasser-
ahgsbe und erhält dadurch die Räume feucht und unbewohnbar. Der hydraulische
Mörtel im Gegentheil zieht das Wasser einer feuchten Atmosphäre an und macht
die Räume trocken.
Nur in seltenen Fällen verwendet man den hydraulischen Kalk oder Port
Iand-Cement iiir sich mit Wasser zu Brei angemacht. Nur dünne Schichten können
sich durch die ganze Masse hindurch hydratisiren, bevor die Kohlensäure ihnen
schädlich wird.
Die Regel ist, dass er mit Sand, am besten feinkörnigem aber rauhem
Quarzsand, Feuersteindehitus, Sand von feldspathhnltigen Mineralien und Gesteinen,
auch wohl von zerstossenen Ziegeln vermischt angewendet wird.
Grober Sand lässt sich nur bei Fundamentirnngen anwenden, und auch da
sollen die Zwischenräume durch eine Zuthnt von Feinsand ansgeiiillt sein.
Guter Portland-Cement verträgt auf Theil Theile Sand. Meistens wird
in den Fabriken schon durch Vorversuche die Menge des Sandes, die der Cement
verträgt, ermittelt, und auf den Fässern zusammt einer Gebrauchsanweisung noürt.
Der Sand wird mit dem Cementpulver zuvor gemischt und dann erst die
nöthige Wassermenge zugeiiigt, so dass ein Brei entsteht, der mit der Kelle auf-
getragen, verstrichen und verputzt werden kann.
Das Anmachen des Mörtels erfordert alle Umsicht eines erfahrenen Arbeiters.
Die Mischung muss möglichst innig sein, die Mörtelmasse darf sich von dem Sand
nicht durch du spec. Gewicht trennen, die Wassermenge muss die gerade ent-
sprechende sein.
Die zu vermauernden Steine und Ziegel werden vor dem Auftragen gehörig
geuetzt, dem verputzten Mörtel durch öfteren Anspritzen die zum Festwerden nöthige
Wassermenge zugeiiihrt.
Die Schnelligkeit, mit der der hydraulische Miirtel erhärtet, hat darauf ge-
fihrt, dieses Erhärten in Formen vor sich gehen zu lassen, in die man ihn ein-
streicht oder presst, und auf diese Art künstliche Steine, Ornamente und Bild-
werke darzustellen, eine Kunst, die heute gleichfalls einen hohen Grad von
Vollkommenheit erreicht hat.
Cementguss' nennt man auch wohl diese Gegenstände, weil das Gemisch
von hydraulischem Kalk und Sand mittelst einer eigenen Mirchmuchine zur Con-
sistenz eines in die Formen giessbnren Breies gebracht wird.
Der ausgedehntestcn Verwendung zu architektonischen Decorationen, zu
Pliastsrungen, Rinnen, Gossen, Caniilen, Reservoires iiir Flüssigkeiten, Wannen,
Ssrkophsgen, Anschlsgsiulen, Schilderhiuschen, Schwellen und Stufen u. dgl. fähig,
gewinnt der Cementgnu immer mehr an Verbreitung.
Ebene Eichen, Platten u. dgl. lassen sich schleifen und durch das Ein-
rhhrsn von braunen und rothen Okern, Ultramarin, Barytwsics, Msngauoxydoxydul
in den zu formenden Brei kann die Masse auch geflrbt oder msrmorirt werden.
Ein anderm bekanntes, aus Zement hergestelltes Prodnct ist der sog. Beton
oder Concret, ein Aggregat von Bruchstücken harten Gesteins, das durch Cement
verkittet ist, von den Römern schon dargestellt und von ihnen Signinum benannt.
Es ist das zweckmässigste Sunogat von Steinen, wo es an solchen fehlt und kann
durch Guss zwischen aus Brettern geüigten, snseinandernehmbaren Formen in jede
beliebige Gestalt gebracht werden. Der Baumeister Lebrnn zu Alby baute 1830
aus diesem Material ein ganzes Wohnhaus sammt allen Verzierungen, Smfen und
Gewölben, welches nichts zu wünschen übrig liess.
Die wichtigste Anwendung dieses Beton's aber ist die für Meeres- und
Küstenbauten sowie fiir Fortiiicationsswecke, wo es nach dem Aussprnche der
dänischen Artillerie-Priifnngscommission von keinem anderen Material übertroffen
wird, indem es mit der Festigkeit anderer Verbandmauerwerke die Eigenschaft
loser Massen vereinigt, von Geschossen nur local zerstört werden zu können, d. b.
bombenfest zu sein.
Die Brücke über die Tbeiss bei Szegedin, die 1857 vollendet wurde, ward
mit Beton fundamentirt.
Ich müsste fürchten, Sie zu ermiiden, verweilte ich noch länger bei meinem
Gegenstands.
Lmt sich gegen die Wahl desselben selbst auch einwenden, dass er
schwerlich so interessant und beziebungsreich behandelt werden kann, um einen
grössern Zuhörerkreis zu befriedigen, so lässt sieh doch für diese Wahl geltend
machen, den er wenigstens ein zeitgemiiss es Thema der Besprechung biete in
einer Stadt wie die unsere, die, was ihre Bauten betriEt, gerade jetzt sich einen
Perikleischen Buhm zu erwerben im Begriße steht, in einer Zeitperiode, wo wir
vor weiteren Bauprojecten riesigster Art stehen, die auszuführen der Baukünstler
oft genug die Mithilfe der Chemie benöthigt, einer Mithilfe, deren der Beschauer
und Bewunderer des fertigen Werkes sich kaum bewusst wird.
Und doch haben wir Chemiker im Laboratorium auch unser bescheidenes
Theil daran, und gerade die vielen Voranalysen und Fragen über Mörtelmatelia-
lien, die in der lemten Zeit nur in meinem eigenen Laboratorium Gir Baumeister
und Baugesellscbaften zu beantworten waren, haben es mir nahe gelegt, dieses
Capitel etwas eingehender zu besprechen.
B. Oeeehetti über die venetianische Glufebricetiou.
Bulle storln delP nrte vetrnrin Murenase, cenni di B. Cecchetti. Venerin 1865.
Des 1865 in Venedig erschienene Werhchen bringt auf nicht mehr als 66 Seiten
einen reichen, nuf emsige archivarieche Forschung gegründeten Beitrag nur Geschichte der
Glesfnhrieetion Venedigs. Es iet eine wnhrhnß erfreuliche Arbeit, durch deissigee Sammeln
des Stofss, gedringte Zunmmenstellung und Auswahl des wichtigsten, schlicht objective
Darstellung und groese Uebereichtliehkeit gleich nusgezeidznet, wie heute nieht an allen
Monographien geriihmt werden kann. Nur durch bündige Bemerkungen verknüpft, lisnt
der Verfasser die Geschichte der Kunst durch ihre Documente eelber sprechen und schwer-
lieh vermlichte irgend eine Umschmelzung ihres Inlmltee ein klareres Bild zu entwerfen.
Die folgenden Zeilen wihlen aus dieeun grossen Schutze des allgemein interueanteste
in kürzester Inhlltennglbe, wie es vielleicht förderlich seln mag. die Geschichte dieser
einst so glänzenden Industrie etwas zu beleuchten, über die vom Standpunkte der moder-
nen Forsbhung so Wenig genügende! vbrllegt. Er werden der Kunstgeschichte überhaupt
nicht völlQ unwichtige Daten ntid Namen nli Bereicherung sus diesen venetinniseheu Ur-
kunden zugeführt, endlich durch einige dieser Stellen euch für Deutrchlnnds Glesindustüe,
uereu suuauge uu uuuwcu aJusaAna auuuaa, IIVMIIBUIIIWAVIAVUIIUM ...............g.... g.....,......... ....
unserem Zwecke war das getreueste Anschliessen an das treifliche Werk unerlässlich, von
dessen werthvollem Inhalt berichtet werden sollte; selbst in Betreß der zuletzterwihnton
Absicht haben wir uns verderband begnügt. auf deutsche Quellen erst hinzuweisen. Manche
Stellen sind daher, auch wo dies nicht ansgedeutat wurde, fast wörtlich übersetzt, ande-
rerseits dachten wir mit der unveränderten Aniihrung gewisser technischer localer und
ähnlicher Bezeichnungen, wie mariegola u. a., ein besseres zu thun, da es sich ja um die
venetianische Glaserzsugung und ihre Eigenthiimlichkeiten handelt, verdeutscbt dergleichen
Ausdrücke aber selten den Sinn treffen können.
Nachdem mit kurzen Worten der bekannten unsichern Nachrichten und Annahmen
über den Ursprung das Glases gedacht worden, beginnt der Verfasser mit den ältesten
Zeiten Venedigs. Es fehlen gewisse Belege für die Existenz venetianischer Production in
den Jahrhunderten nach dem Falle des Römerreiches, bis zum ll. und 12. Jahrhundert
schweigen die Berichte, in denen zahlreiche Arbeiten verzeichnet sind, über Glas und
Glasbereitung. Gefiisse, von welchen daselbst die Rede, bestehen aus Holz oder Metall,
gleichwohl ist anzunehmen, dass die Flüchtlinge vom Festland auch die Glaskunst mit
herüberbrachteu; bestimmtes mag in den leider verlernen Documeuten des Maggior Consiglio
aus dieser Zeit su finden gewesen sein.
Charakteristisch spricht sich der ganze Geist des venetianischan Gemeinwesens in
den Gesetzen aus, welche die Glasfabrication unter eben nicht milde Abhängigkeit gestellt
hatten. Ungerecht aber wäre es gleichwohl, gerade Venedig der Principion halber zu ver-
urtheilen, welche nicht nur im Mittelalter die allgemein bei Städten und Herren
geltenden gewesen, denen die freie humane Anschauung der Gegenwart nicht ahnungsweise
innewohnte und Kunst und Künstler ebensogut ein Capital waren, wie Ackerland, Wald
und Bergbau. Wir wissen ferner nicht, ob ohne so harte Schulung so glänzende Zukunft
gefolgt wäre. Frweitig beginnt die Regiemng sich einzuniischen, der maggior consiglio
ist die damit betraute Obrigkeit. Von dieser Behörde gehen schon in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrh., dann in den nächsten Perioden eine Anzahl Verordnungen aus, welche
drei Punkte vor allem, den Export des nur Glaserzeugung erforderlichen Materials, die
Besteuerung der Erzeugnisse, endlich die Answanderungsgelüste der Arbeiter massregelten.
1279 wird dem Gutdünken der Richter überlassen, fiir Mass und Gewicht des Glases im
Gebiete Venedigs und des Ducats Bestimmungen zu treifen, 1285 verbietet man die Ans-
fuhr von Sand und Alsun, sowie des Glases in Stücken. Waren die Werkstätten der Stadt
voll von thlitigen Arbeitern, deren Fleiss dieselbe reichlich mit ihrer schönen Waare versorgten,
so musste es die schaßensfreudigen treiben, draussen in aller Welt der Hilde Fleiss mit
weitem Erwerb und Lob gelohnt zu sehen; der frische Trieb jeder gesunden Tblitigkeit
dieser Art weckte die Wnnderlust und bald mussten die Riiume der Vaterstadt solchem
Streben zu enge werden. Aber dem ruft die Staatsklngheit ein unerbittliches Veto entgegen,
mit den entschiedensten Mitteln wird wider den Künstler vorgegangen, dem sein und
seiner Kunst Gedeihen, Bliithe, Znkunß und Ehre mehr am Herzen lagen, als das stolze
Prunken, sowie der ansschliesslichs Vortheil, den die Stadt allein aus seiner Mühe sich
erwachsen sehen will. So erlässt der grössere Rath 1295 ein Decret, durch welches
die, so aus Venedig behufs der Ausübun ihrer Kunst in die Fremde zogen, als Ver-
wiesne zu betrachten und nach ihrer Heim ehr des Rechtes verlustig seien, in Venedig
wieder Glasarbeit zu fertigen. Alle Oefen auf dem Festlande werden aufgehoben und Venedig
allein soll die Sütte der Kunst bleiben. Ja, die Regierung ging sogar bis zur Aufmunte-
terung zur Denunziation unter den Genossen desselben Gewerbes; ein andermal zwingt sie
der grosse Widersinn derartig unfreier Verfügungen durch den auf das eigene Interesse
geübten Rückschlag selbst zum Widermf, zur lnconsequenz und Abänderung. Als man
nlmlich den aus der Fremde heimkehreuden Meistern eine Strafe auferlegt, scheint
einfach Niemand nach Venedig zurückgekommen und, wie schon früher, Mangel an
Arbeitern eingetreten zu sein, denn nun griE man zum entgegeugesehten Mittel und
hob die- Geldbusse 20 soldi di grossi durch Gesetz vom 2. Jlinner 1315 nicht nur auf,
sondern suchte die Auswärtigen Eir Venedig und Murano zu gewinnen. Die Einladung
hatte möglicherweise Erfolg, denn schon das folgende Jahr wird die Strafe wieder ein-
gesetzt und auf 50 soldi erhöht alles Vorgänge, welche eine enghersige Wirthschatt
auf's beste kennzeichnen. In diesem Jahrhundert folgt 1385 ein abermaliges Ausfuhr-
verbot, Alaun, Seepdanaenasche und die übrigen Elemente des Glases betreffend, worin
es, wenig motivirend, heisst lerra nostra semper unser-i; Quant in "mit," Mm"
mistcrilml vitreonsm am jiolariomm de Mumm, rum eomennrü nec eonssntiut, quod
lernen catimnn, de quo filmt uitra ezlmhatur de Venetiü, ul an im mm ranoveaturde hinc
pro bom ierrae nostrae. .. Ein gleiches war schon 1282 erlassen worden, doch mit der
uns sehr interessanten Ausnahme, dass den Deutschen erlaubt sei, eine auf dem Rücken
fortsuschadende Last Glas bis zum Werth von I0 Lire steuerfrei auszuiiibrsn. Halten wir
hiemit die Nachrichten von Vorkommen des Glases in Deutschland zu dieser Zeit und
aus deutschen Quellen zusammen, so ergibt sich nur Bestätigung der Annahme, dass
neben Venedig eben dieses Land vorzüglich die Technik handhabte. Darum wendet sich
ein Erlass vom 2. Juli 1345 gegen die Glaserzeuger, weil dieselben fucimit eovporalnh dc
vüm ointilrh covporalibus cristallo et ipso uzndant Teotonids quod in masämwn prejudi-
tium clicte arti ndundat," womit wahrscheinlich die noch unversrbeitete Glssmasse ge-
meint ist.
Doch zurück zur Hauptsache. Dem nach aussenhin beschränkten Gewerbe wurde in
dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis hingegen Schutz und Sorge gewidmet, freilich, wie
jeglicher Sache des bürgerlichen Lebens, um des allgemeinen Vortheiles willen, 1291 schuf
man Murano zur lonie der Glasmacher um, als der Feuersgefahr wegen ihre Oefen in
der Stadt nicht mehr geduldet werden konnten. Dort, auf der nahegelegenen Insel, durßen
sie ihres Gewerbes walten, so weit man ihnen Spielraum gönnte. Nur den Vericelli
wird gestattet, in Venedig, aber auf allen Seiten wenigstens fünf Schritte von den
Gebäuden entfernt, ihre Oefen zu errichten 1292. Doch kamen auch Senitlitsriicksichten
hinzu, so dass wieder 1294 und 1308 des fumo mal ssno" wegen derartige Arbeit die
Stadt verlassen musste. Wo aber die Velgemassregelten und doch in einer Art Zucht Ge-
pdegten geduldet blieben, genossen sie mannigfach die Fürsorge der Regierung, die sie
fiir sich ja gedeihend und fruchtbringend sehen wollte. Einmal E. November 1287
erlaubt man den Fioleri von Murano bis 1000 Wagen Holz aus den Wäldern zu holen,
sowie öüers Sorge getragen wird, dass einerseits das rechte Material und in guter Quali-
tlt für ihre Werke zur Verüigung stehe, andererseits auch durch die Erzeugungsart selber
das einheimische Product Ehre einbringen möge. Diese Vorkehrungen nehmen natürlich
mit dem wachsenden allgemeinen Cultnrzustand immer bedeutendsten Umfang an, bis im
vorigen Jahrhundert der Professor der Chemie Carburi 1774, 20. August beauftragt wird,
die Einrichtung undßestellung der Oefen zu untersuchen und zu regeln. Die Censori
wachen über die Befolgung der Vorschriften, welche zu allgemeiner Kenntniss durch
Senatsdecrct vom 1. April 1780 gebracht wurden und iiher die lultur der roscano ge-
nannten Pflanze, deren Verbrennung und die Gewinnung der Soda handelten. Von jenen
Pflanzen, deren Asche durch Laugen die Soda lieferte, allgemeine Kenntniss zu verbreiten,
wurde den Obrigkeitcn empfohlen, wie es heisst ad universale notiziu der" suddili ehe ai
daronno il meriuz di eccitare Jineorogyire alla deriderata coltivazimie per propnb prajitto
per quelle miiveraale della nazione." Eine Anzahl von Verordnungen bestimmen ferner
seit den ersten Jahrhunderten die Zeiträume, in denen die Ofenarbeit feierte. Zur Ver-
schiedenheit dieser Verfügungen gaben mannigfache Umstände Grund; bald erforderte eine
lange Dauer der Fabrication und die ungeheuere Erbitznng eine entsprechende Rnhezeit,
bald aber driiugten die Bestellungen zu fortgesetzter Arbeit. Wir haben derlei Erllisso von
1400, 1417, 1468, 1523, 1549; den Giustizieri Vecchi ist mit grosser Strenge vorge-
schrieben, Uebertretungen zu verhindern, doch finden sich Ausnahmen wo es sich um
Vortheile, nicht des Einzelnen, sondern des Gemeinwesens handelt. So von 1289, 1296,
l8l7 und 1318, wo es ausdrücklich heisst pcrche toma ul maggior projitto di tutla
Io süß."
Der Verfasser schliesst diese Einleitung mit den Worten Wir erwähnten diese
Gesetze nur, um zu zeigen, wie eingehend die Sorge gewesen, welche die Republik für
eine Kunst trug, deren Bedeutung gleichmhlssig mit der Erweiterung des Handels und dem
allgemeinen Fortschritt der Industrie zunahm." Die folgenden sechs Abschnitte handeln
über Glas-, Kryltall- und Buntglasarbeiter; Spiegelfabrikanten; Margarite; Perlai; Handel,
Steuern, Statistik der Kunst; die Behörden der Glasmacherzunß.
Der Verfasser beginnt den ersten Abschnitt mit einer Erwähnung jenes Buches des
Theophilus, das in 81 Capiteln den Stand der Glasfabrication und künstlerischen Verwen-
ühte, noch keine Anfänge und Keime gezeigt hätte. Indess erst im 15. Jahrhundert ver-
nehmen wir von Meistern und kennen deren Namen und Werke, erst 1400 nennen die
Gesetze die octroi als solche und von da an beschiihigen sich die verschiedenen Obrig-
keiten sorgfältig mit dem Gewerbe und seinen Angelegenheiten. Der Verf. gibt in Kürze
eine Reihe von Decreten, nicht lilter als das 16. Jahrh., welche in den Hßllptpunktgu m.
befugte Ausübung der Fabrication, Accorde, welche vor Beginn der Arbeitsfrist geschlossen
und meistens schlecht gehalten wurden, dann auch Contrebande betretien, Zwistigkeiten
und deren Entscheidung, die Verhältnisse des Glashaudels, Verhinderung des Imports, Ver-
minderung der Aufnahme von Gesellen und Arbeitern regeln. Diese Actenstücke liefern
Ihr-hetzen; auf der Beilage.
Beilage zu Nr. 53 der Mittheilungen etc."
bereits mehrere deutliche Anzeigen von dem Gange, den die Glssbereitung Venedigs all-
mllig genommen. Zu Ende des ersten Viertels im vorigen Jahrhundert tauchen auch in
diesen Verordnungen schon die Symptome der Abnahme auf Jünlroduzione rcandalosa
daunatüsima celri crülalli forutieri." Man musste Probearbeiten einführen, um die
geschickten Arbeiter von den untauglichen zu sondern und der Bezahlung von iiberlliissi-
gen nicht zu unterliegen. Nichtsdestoweniger beklagt schon im nächsten Jahre 1725 ein
Senatsdeeret vom 17. November den Verfall der Manufnctur, die Zahl der Oefen vermin-
dert sich von 24 auf da beschliesst man, die Prohibitivmassregeln gegen jedwede Aus-
fuhr energisch anzustrengen und die Exportsteuer hingegen zu beseitigen. Zugleich dcnkt
man an Erleichterung der Einfuhr von spanischer und maltesischer Asche. Drei Jahre
später werden sogar, den alten Principien völlig entgegen. Meister und Gehilfen nach
Verona gesendet, um dort zu arbeiten. 1729 klagen die Berichte des Rathes der Zehn
von Neuem. wie die Kunst so tief in Abnahme stehe, dass ohne die kräßigste und schleu-
nigste Abhilfe die unheilbare Auflösung nicht mehr abzuhalten wäre. Dagegen fruchtete
die Ernennung von Untersuchungscommissionen wenig; stetes Wiederholen der Verbote
und geringe Versuche zu neuem Aufladen vermochten das Todte nicht mehr zu beleben.
,Von da", so schildert der Verf. den Zustand, folgt in den Decreten ein fortwiihrendes
Beklagen über Flucht der Arbeiter, Verbreitung ausländischer Erzeugnisse, über schwere
Bedrlingnisse und Zwiste in der heimischen Kunst." Nun folgen stets wechselnde Auf-
sichts- und Untersuchungscollegien, Schriften werden verfasst, welche dem Uebsl steuern
sollen, die gewöhnlichen Erscheinungen und künstlichen Mittel, wodurch du Abster-
bende gefristet werden soll.
Dies misslnng aber allen Experimenten von Seite der Regierung, die Begabung
eines Einzelnen musste dem schwachen Flackern der Flamme noch einmal kräftigen Schein
verleihen. Es ist gewissermassen eine Vergeltung, aber doch nur nothwendige Folge, dass
der Staat, welcher die Freiheit der Kunst, die ganze Kunst nur um ihretwillen allein,
missachtete und nur zu seinem Wohle gepflegt, nun auch nicht im Stande ist, blus durch
seine Mittel der matten frisches Leben einzuhaucbcn. Jener Einzelne aber wsr Ginseppe
Briati, welcher die Kunst plötzlich zu noch nicht erlsngter Bedeutung erhob, indem er die
fremden Krystzllglliser nicht nur an Reinheit erreichte, sondern in seinen Fabricsten rei-
chere nnd hiihnere Formen zur Anwendung brachte. Trotz mancher Missgunst erhielt
Briati ein auf 10 Jahre vom Rath der Zehn 23. Januar 1736; er litt nicht
wenig durch die Anfeindungen, die ihm hieraus erwachsen. Auch Stefano Motte verdient
genannt zu werden. Ihm wurde durch sechs Jahre die Fahrication der Glasscheiben über-
geben und 1741 die Pacht auf ein weiteres Triennium gelassen. Die Brüder Giacomo und
Dolnenico Mszzola hatten schon 1734 die Pacht salmmtlicher Oefen innegehabt, und sich
1737. als 90 Maestranze Meisterschaften aus Verzweiiinng gezwungen waren, ansser-
halb des Staates Arbeit zu suchen", verpflichtet, durch Arbeitgebnng dem Uebel möglichst
abzuhelfen. 1742 nahm die Regierung abermals den Antrag entgegen, wonach dieselben
Mazzolb drei Oefen, je zu sieben Töpfen, errichten wollten, nur wurde bedingt, dass das
Privilegium Briati's unverletzt verbleibe. Und eben diese Privilegien raubten, wie der
Autor treiflich berkt, die Wohlthaten der Concurrenz. Nun kamen Klagen iiber die
schlechte Qualität der runden Fcnsterglässr und sogleich entzog man Stefano Motta sein
dreijähriges Privllegium. So engte man das Kunstgewerbe hartnäckig in das Corporations-
wesen ein und beschränkte durch kleinliche Gesetze, ohne zu erkennen, dass das Princip
der Genossenschsß und der Protection von Seiten der Regierung jegliche monapolisirten
Gesellsdlaßen iibertreße". Das Collegio snll' arte vetraria di Mnrano wurde in einem De-
crete von 1745 für seine Vorsicht gelobt, seine Vorschläge aber unbeachtet gelassen.
Es ist lehrreich, den Anzeichen der Dissolntion in Allem, was man thst und unter-
liess, beschloss und aufhob, zu folgen. Die Gebrüder Mazzolä erhielten 1746 ein dreijäh-
riges Privilcgium, da sie 1789 bereits ein Material aus Schlesien eingeführt hätten, welches
die Wirkung von Soda und Pottasche erreiche und in England üblich sei; ferner sich
zur Heizung von 22 Töpfen, sowie, dem damals schon gewöhnlichen Brauche nach, zur
Zahlung von 70 Ducaten an die überflüssigen Meister verpflichtet hatten. Briati und
Mehrere aber traten gegen die Mazzola und ihr Privileginm auf, indem die Einfuhr jenes
wichtigen Schmelzmittels! des Genannten Verdienst war, und so annnllirte der Rath der
Zehn du Im 26. Sept. 1746 verliehene Priviieginm bereits am 19. Dec. desselben Jahres.
Schluss folgt.
106
Die Erwerbungen des k. k. liiinz- und Antikencabinets im Jahre 1869.
Der stetige Aufschwung, den Oesterreich in Kunst und Wissenschaft durch rege
Thitigkeit auf allen Gebieten des Geisteslebens nimmt, macht sich auch in den Kunst-
und Alterthumssammlungsn des kaiserlichen Hofes geltend. Die Erwerbungen von bedeu-
tenden, das Studium der Kunst- und Culturgeschichte nach verschiedenen Richtungen
wahrhaft fördernden Werken mehren sich, ausgebreitetere Verbindungen mit den ver-
wandten Anstalten anderer Länder heben den intellectuellen Verkehr und versprechen
vielfache Vortheile und fiir die Zukunft der Sammlungen wird durch entsprechende Ein-
richtungen gesorgt.
Diese wachsende Bliithe verdanken diese Sammlungen vor allem der Muniiicenr
Sr. Majestät des Kaisers und der von Kunstsinn und Verständniss der künstlerischen und
wissenschaftlichen Interessen durchdrungeneu obersten Leitung des gegenwärtigen Oberst-
kiimmerers. Schon im Jahre 1868, dem ersten der Amtsführung Sr. Excellenz, machte
das k. k. Miinz- und Antikencabinet, wie in diesen Blättern berichtet wurde, zahlreiche,
besonders culturgeschichtliche Acquisit-ionen; das abgelaufene Jahr war ein noch glück-
licheres und zeichnet sich namentlich durch die Erwerbung einiger Kunstdenkmale von
hervorragender Bedeutung und einer grossen Anzahl auserlesener Münzen und Me-
daillen aus.
Zu ersteren gehört eine antike Büste des Kaisers Augustus aus Elfen-
bein. Schon die Seltenheit von erhaltenen Arbeiten aus diesem leicht zerstörbaren Ma-
terials und die aussergewöhnliche Grösse von Zoll machen dieses Kunstdenkmal merk-
würdig, noch mehr aber die ausgezeichnete, höchst vollendete Arbeit, während die meisten
der aus dem Alterthume auf uns gekommenen Elfenbeinsculpturen aus spät römischer Zeit,
daher von untergeordneten Kunstwerthe sind; denn die berühmten Werke des griechischen
Alterthums aus diesem StoEe kennen wir nur aus der Beschreibung, ägyptische und as-
syrische sind überaus selten.
Die Büste zeigt eine grossartige Auffassung; in Haltung und Ausdruck prägt sich
die Hoheit und stolze Majestät des römischen Imperators aus. Der Adlerblick des Auges,
der ernste, gebieterisch trotzige Mund, die markigen Ziige, die fiir Augustus charakteristi-
schen starkknochigen Wangen und das bedeutende, volle Kinn vereinigen sich zu dem
Eindrucks männlicher Kraft und selbstbewusster Wiirde, den das lebensvolle Bildniss her-
verbringt. Um den Kopf aus dem gegebenen Stücke Elfenbein möglichst gross bilden zu
können, wurde mit Aufopferung der streng richtigen Proportion die Büste im Verhiltnisse
etwas kleiner, der Lorbeerkranz ganz flach gehalten; diese weise Beniitzung des edlen
Materiales und die echt plastische Behandlungsweise entsprechen ganz dem römischen
Geiste, im Gegeusatze zu der malerischen, oft nicht steifgemässen Behandlungeart der
Renaissance.
Ein zweites Kunstwerk von grosser Bedeutung ist ein Greif aus Bronze, Fuss
hoch; er wurde am Magdalenenberge bei Klagenfurt auf dem Boden, wo das römische
Virunum stand, gefunden. Er diirlte zu Fiissen einer Apollo-Statue befindlich gewesen
sein; zwischen seinen ausgebreiteten Flügeln sieht man noch einen viereckigen Rahmen,
in welchem die Leyer des Gottes eingefügt gewesen zu sein scheint, ähnlich wie bei einer
Statue im capitolinischen Museum. Er hebt eine Vorderpranke auf ein Zeichen ge-
bändigter Wildheit und blickt zu seinem Herrn wie den Tönen seiner Leyer lauschend,
empor. Die lebendige Phantasie, welche den Charakter verschiedener Thiere zu einem
lebendigen, harmonischen Gebilde zu verschmelzen verstand, ist eben so bewunderuuge-
als die ueliliche, fein empfundene Modellimng und die präcise Ausliihrung. Un-
streitig gehört dieses Bildwerk zu den vorziiglichsten seiner Art, die uns aus dem Alter-
thume erhalten sind.
Unter den neu erworbenen Cameen verdient ausser einer feinen Pallas archaisti-
sehen Styls und dem Fragmente eines Tauroholiums in hohem Relief besonders eine
Chalcedon-Camee von der schon seltenen Grösse von Zoll hervorgehoben zu werden;
sie zeigt den Triumphaufzug Constantins des Grossen. Der Kaiser, von Vic-
toria bekriinzt, steht in der von der Göttin Roms geführten Quadriga, umgehen von elf,
zum Theil allegorischen Figuren. Darstellung und Technik gewähren grosses Interesse.
Von hohem kunstgeschichtlichen Werthe ist eine grössere Sammlung auf Cyperu
gefundener Alterthiimer, deren Eintreffen bevorsteht, bestehend aus Vasen ganz eigenthüm-
licher Form und Verzierungsart, archaischen Bildwerken aus Stein und Terracotta nebst
allerlei Bchmuckgegenständen. Bekanntlich bilden die Funde aus den cyprischen Gräbern
eine Art Mittelglied zwischen altasiatischer und griechischer Kunst, deren Wechselwirkung
sie durch gewisse Mischformen veranschaulichen, und sind fir die Geschichte der Eut-
wicklung mancher Typen, besonders der Venusidole von besonderer Bedeutung. In den
Figuren und Köpfen aus Stein prägen sich die charakteristischen Merkmale der verschü-
107
denen Style in sehr bestimmter Weise aus, daher sie fiir das Studium derselben sehr ge-
eignet sind.
Römische Militärdiplome aus Erz, welche die Ertheilung des Biirgerrechtes an
verdienstvolle ausgediente Soldaten enthalten, gehören zu den wichtigsten aber auch an
den sehr seltenen epigrapbischen Denkrnalen, daher das Auftauchen eines neuen immer
ein archäologiscbes Ereigniss ist. Dem kais. Autikencabinette gelang es, ein solches zu
erwerben, das bei Kiistendje gefunden wurde. Es rührt von Vespasian aus dem Jahre 76
her und ist besonders dadurch ausgezeichnet, dass es ein priitorianisches Diplom ist, deren
man bisher nur vier und zwar aus späterer Zeit kennt, und uns mit bisher unbekannten
Consuln sulfectis bekannt macht.
Verschiedene Werkzeuge, Waden und Schmucksachen der ältesten Culturepocheu
aus Stein, Bronze und Eisen stammen meist aus österreichischen Funden Maiersdorf,
Pernitz, Kettlach, Tuln in Nieder-Oesterreich, Prossnitz in Miihren u. s. w.; sie sind
zum Theile Geschenke des Herrn Grafen Saint-Genois, des Herrn Forstdirecmrs Johann
Newald in Gutenstein und des Herrn Cooperators Adalhert Dungl in Tuln. Ein in seiner
Art vielleicht einziges Stiick ist eine Fibula aus Silber, 12 Zoll lang, mit doppeltem
Bogen, eine Mischform römischen und germanischen Styles. Sie ist sammt Spirale und
Dorn aus einem einzigen Stücke Silber gearbeitet, das eine Länge von circa Fuss ge-
habt haben muss.
Eine höchst werthvolle Bereicherung erhielt die ägyptische Sammlung durch
vier kolossale Säulen aus rothem Granit, um so interessanter, als kein europäisches
Museum derartige Säulen besitzt. Drei derselben wurden beim Baue eines Ferts in Ale-
xandrien von dem Ingenieur A. Lukovich gefunden und von demselben Sr. Majestät als
Geschenk dargehracht. Diese, 20 bis 24Fuss lang, haben gebündelte Gchiiße und Capitäle
in Gestalt der. Lotosknospe, also die echt altägyptische Fonn; die zahlreichen Hierd-
glyphen enthalten den mit verschiedenen Epitheten ausgestatteten Namen des Königs Seti
I1. Merienptha der 19. Dynastie, der von 1321 bis 1300 v. Chr. als zweiter Nachfolger
Rhamses des Grossen Sesostris regierte.
Die Siiulen wurden nicht an ihrer Fundstelle gearbeitet, sondern in späterer Zeit,
vielleicht unter den Ptolemliern aus Memphis dahin gebracht, wohl um bei einem Baue
benützt zu werden, der aber unterblieben zu sein scheint, da. kein anderer Bauhestand-
theil mitgefunden wurde. Jede Säule hat ein Gewicht von 420 bis 450 Centnern, daher
war der Transport mit gressen Schwierigkeiten verbunden und konnte nur durch das
energische Zusammenwirken der damit Betrauten, des Generalconsulates in Alexandrien,
der kaiserlichen Marine und der Südbahngesellschaft zu Stande kommen. Eine vierte,
glatte Säule gab der ägyptische Kriegsminister Schahin Pascha zur Vervollständigung da-
zu. Diese herrlichen Denkmale uralter, hoher Cultur, durch ihren kriittigen Styl wie durch
die bewnndernngswürdige technische Ausüihrnng gleich ausgezeichnet, sind gegenwärtig
im Hofe des unteren Belvederds aufgestellt und dürften bei dem Bau der neuen kaiser-
lichen Hofmuseen, der in Aussicht steht, eine treffliche Verwendung dir den grossen
ägyptischen Saal finden.
Eine Platte aus schwarzem Granit, ein Geschenk des k. k. Consuls v. Schwegel
in Alexandrien, zeigt Opferdarstellungen des Königs Psammetich II. 590 v. Chr.
nebst dessen Namensring und Hieroglyphen von sehr zarter, eleganter Ausführung.
Es wiire zu weitläufig, von den bunderten von Münzen aller Zeiten, welche das
kaiserliche Cabinet im Jahre 1869 acqnirirte, auch nur die wichtigeren anzufiibren; es
mag daher nur einiger besonderen numismatischen Seltenbeiten und Prachtstiicke Erwäh-
nung geschoben, wie der Münzen von Kelenderis, Tarsus und Augusts. Cilieiä, Philome-
lium Phrygiä unter den antiken, des überaus seltenen Thalers Bernhards von Sachsen-
Weimar für das projectirte Herzogthum Franken 1634, des Doppelthalers Ludwigs III. von
Hessen 1604, der Thaler von Max v. Batenhurg, Adolf von Salm, Paul Sixt Trautson,
des Kürntner Ducatens K. Maximilians I. von l5l9, des höchst interessanten Ducatens
des Cardinal-Königs von Frankreich Karl X. 1590, so wie mehrerer Kreuzfahrer-Münzen,
welchen sich einige künstlerisch ausgezeichnete Contrefait-Medaillen von Martin Geyer,
Wolfg. Paler u. A. anreihen.
Die k. k. Ambraser-Sammlung erhielt einen namhaüzen Zuwachs an Waffen
Helniharten, Cusen, Partisanen und Bidenhiindern verschiedener Form, welche Gattungen
bisher nur spärlich vertreten waren. Unter mehreren Holzschnitzwerkeu zeichnen sich drei
vollrund gearbeitete Modellfignren aus, Mann, Weib und Kind, von lebensvoller
Charakteristik und der feinsten Empfindung in der ungemein zarten Durchführung. Unver-
kennhar ist der Einiinss Diirers; in der That erinnern die treiflichen Figiirchen lebhaß
an des Meisters Holzschnitte in der Proportionslehre, Sie stammen ans der Sammlung des
verstorbenen Medaillcurs J. D. Böhm, welcher anerkannt feine Kunstkenner sie für Werke
von Dürer selbst hielt, Wn-Zeit.
Ieuigkeiteu der französischen Kunst-Industrie.
Durch Vermittlung des Baron v. Schwarz-Senborn sind dem Oesterr. Museum einige
Collectionen der modernsten französischen Kunst-Industrie zur Ausstellung zugesendet wor-
den, welche ein grösseres Interesse auf sich zu ziehen geeignet sind, da sie einen neuen
Weg einschlagen. Dies gilt zunächst von einer Sammlung von Spitzenvorhängen, die
zum erstenmale Farbe mit dem weissen, durchsichtigen Stoße zu verbinden trachten. Das
decorative Gefühl, welches dieser Neuerung zu Grunde liegt, ist ein ganz richtiges, und
es ist nur zu verwundern, dass man erst heute darauf verfällt. Schreiber dieses hatte schon
vor mehreren Jahren den Vorschlag dazu gemacht, allein es scheint, als ob es überall
nöthig ist, dass erst die französische Autorität das Wagniss bei dem Publicum garantirt.
Einige derartige Versuche, die wir einmal bei Philipp Hass und Söhne sahen,
scheinen ohne Anklang geblieben zu sein. Helfen wir, dass der französische Vorgang das,
was an sich richtig und geschmackvoll ist, nun auch zur Mode macht, denn jene Eigen-
schaften allein genügen bekanntlich nicht.
Die weissen Spitzenvorhünge, wenn sie nicht mit farbigen Stoßen verbünden wer-
den, haben den Nachtheil, dass sie als grosse weisse Flächen sich nicht in die colori-
stische Decoration des Zimmers einfügen. Sie bilden eine Lücke in derselben, die zur
Ausfüllung nach Farbe verlangt. Wiederum wollen unsere nur zu häufig dunklen Zimmer
die schweren undurchsichtigen WollstoEe oder ihren Ersatz nicht immer leiden, weil sie
das wenige Licht gar zu sehr beschränken. In solchen Fällen kann man dem Conüict
nur entgehen, wenn man in die Spitzenvorhänge selbst Farbe hineinbringt, doch so, dass
man die Durchsichtigkeit derselben ganz oder zum Theil bestehen liisst. Dann bildet sich
ein coloristischer Uebergang von der gefärbten Wand zur Lichtöifnung des Fensters. Dies
war der Grund, der uns schon früher zum erwähnten Vorschlage veranlasste.
Die Anwendung der Farbe ist freilich eine beschränkte, insoferne als die Farben
hinlänglich haltbar sein müssen, um das Waschen oder Putzen der Vorhänge mit ver-
tragen zu können, oder der farbige StoE muss so angebracht sein, dass er leicht getrennt
und wieder verbunden werden kann. Für den ersten Fall empfiehlt sich am meisten Both,
das sich auch am angenehmsten in der Decoration verwenden lässt. Die ausgestellten fran-
zösischen Beispiele zeigen fast sümmtlich Roth als verzierende Farbe, und sie suchen da-
mit ihre Aufgabe auf sehr verschiedenem Wege zu lösen. Sie lassen z. B. den durchsich-
tigen Spitzenstoif mit senkrechten farbigen Streifen abwechseln, sei es, dass sie diese
unterlegen oder dazwischen einschieben, und zwar benützen sie dazu Seide oder als min-
dere Art das sogenannte Rouge. Diese abwechselnden rothen und lichten weissen Streifen
sind stylistisch nicht ganz tadellos, aber sie erfüllen so ziemlich ihren Zweck und sind
jedenfalls den ganz weissen Vorhängen vorzuziehen. Eine andere Art der Fas-henanwen-
dung ist die, die Farbe in das Muster der Decoraüon, sei es durch Unterlegnng, sei es
durch die Maschine, sei es durch Handarbeit, hineinzuziehen. Die französische Golleetion
gewährt auch davon Beispiele, die aber für unsere Sitte nicht alle anwendbar sind. Der
Franzose kann eine sehr reiche, g-rossartige Zeichnung, welche die ganze Flüche bedeckt,
gebrauchen, weil er inVerhindung mit dunklen Vorhängen nur einen solchen Vorhang,
der nach rechts oder links gezogen wird, ungefsltet vor dem Fenster hängen hat. Wir
haben zwei Vorhänge, die wir in Falten zu den Seiten auf binden. Dadurch zerstören wir
das Muster, und je reicher dieses ist, je mehr es noch durch Farbe herausgehoben wird,
umsomehr bleibt die Störung des Edectes zu bedauern. Das ist ein Umstand, den die
Imitation des französischen Vorganges für unsere Zwecke und unsere Sitte zu beachten hat.
Siimmtliche in Rede stehende Vorhänge stammen aus der Fabrik von Meunier zu
Tarare.
Die zweite Collection bilden orientalische Imitationen von Parvillee, einem Künstler,
welcher längere Zeit im Orient gelebt und gearbeitet hat. Es sind zum grössten Theile
decorative Fayencen zur Wandbekleidung, sodann andere Decorationen auf Leinwand, in
Stucco, bemalt und vergoldet, letztere ähnlich wie an den Decken und Gesimsen der Al-
hambra und anderen älteren arabischen Gebäuden. Da diese unter gegenwärtigen Verhült-
nissen bei uns nur sehr vereinzelte Anwendung haben, so interessiren uns mehr die Fay-
encen eine glänzende, mit grösstem Erfolge wieder zu belebende Decorationsweise, der
von unseren Architekten und Thonwaaren-Fabrikanten noch viel zu wenig Beachtung ge-
schenkt wird, während im Orient Aussen- und Innenwiinde sich damit bekleidet finden.
Das Hauptstück unter den Fayencen Psrvillees ist eine grosse Füllungs-Decoration, orna-
rnental, etwa in derArt eines Gebetsteppichs, aus zahlreichen Stücken zusammengesetzt.
Es ist ein Geschenk des Fabrikanten an das Oesterr. Museum. Die Farbengebnng ist sehr
schön und harmonisch, die künstlerischen Motive sind persisch, in deren Wiedergabe je-
doch der Franzose sich nicht hat verbergen können. Er hat an verschiedenen Stellen den
schönen Schwung der persischen Ornamente, den Flug der Linien durch barocke chine-
sische Krümmungen und Ansbiegnngen unterbrochen und dadurch sein schönes Werk selbst
mit einem hässlichen Fehler versehen.
Auch diese Arbeiten sind uns sehr lehrreich und bedeutsam. Sie zeigen uns nicht
blos, dass den Franzosen nllmiilig, wie nneh der varjährige Congress der Kunstvlndnstriallen
zu Paris bewiesen hat, vor ihrer eigenen Manier angst und bange wird, dass sie neue
Wwe einschlagen und besonders den von ihnen verzichteten und ihrer bisherigen Manier
schnurstrncks zuwiderlenfenden Orient nnfsnchen und studiren; sie zeigen uns leider auch,
dass bei ihnen, den Franzosen, zwischen der Einsicht, zwischen der Erkenntniss der Sach-
lage und der Ansiihrnng ein viel kürzerer Weg ist als bei uns. N. Fr. Pr.
Bücher-Revue.
Die mit B. K. bezeichneten Nummern sind die Nummern der Bibliothek des Museums.
Speclmrns de In deeorallon et de Pornenlentation an XIX. siecle parLidnard.
125 plsnches divisees en pnrt. Liege et Leipzig, chez Ch. Claesen, 1866. B.K.2579.
Es gehört zu den schwierigeren Aufgaben der Literatur, die Kunstschiitze der Ver-
gangenheit der Gegenwart zugänglich zu machen. Nicht blos Künstler, in noch höherem
Grade Industrielle und Techniker, haben eine gewisse Scheu, sich mit den Denkmälern
der Vergangenheit zu beschäftigen; Vielen unter ihnen fehlt die nöthige Vorbildung, um
mit Aussicht auf Erfolg alte Werke zu stndiren und der Kunstindustrie der Gegenwart
nutzbar zu machen. Unter diesen Umständen sind gewisse Werke ganz zweckmlissig,
welche es sich zur Aufgabe stellen, eine Brücke zwischen den Traditionen der Kunst frii-
herer Zeiten und den Anforderungen der Gegenwert zu bauen. In die Reihe dieser Werke
gehören die Specimenv von Liänerd, die approbirt vom Conseil de perfectionnement de
l'enseignement des Arte du dessin in Belgien, in die oflieielle Liste jener Modelle ein-
getragen wurden, welche auf Akademien und Zeichcnschuleu zugelassen sind. Die Orna-
mente des Herrn Lienard sind in gewisser Beziehung selbständige Erfindung, aber mit
Zugrundeleguug zumeist von Motiven hervorragender Künstler aus der Zeit der Renais-
sance und des Styles Louis XIV. und Louis XVI. Sie eignen sich vorzugsweise für Or-
namentisten, die lTxrKunsttischler, Intsrsietoren, Schlosser und Deoorateure für Innenräume
arbeiten. Trotzdem, dass wir nicht für Alles, was sich in diesem Sammelwerke voriindet,
die Verantwortung einer Empfehlung übernehmen wollen, gehören die ßpecimeus" von
Liänerd zu den brauchhareren und besseren Biiohern der Art, die auf dem Kunstmarkte
erschienen sind.
Capelln dells felniglla Pellegrlni esistente nella Cbiess S. Beruardino di Verona.
Verona, 1816. B. K. 2627.
Wir zeigen dieses Werk, das nur in einer sehr kleinen Auüsge in den Buchhandel
kam, aus einem doppelten Grunde an; es ist erst jüngst der Bibliothek einverleibt worden
und zugleich hat das Museum die siimmtlichen ornementalen Abgüsse dieser Cspelle er-
worben. Diese Capelle ist das Werk des Architekten Micbele Saninieheli, eines Veronesers
von Geburt, der im Jahre 1554 von der Msrgherita Pellegrini den Auttrag Eir diese Ca-
pelle erhalten. Nach dem Tode der Margherita Pellegrini im Jahre 1557 sollte der Bau
nach dem Projecte Michele's in Folge testsmentariscber Anordnung von den Erben zu
Ende geführt werden, was aber nicht geschah. Margherita, aus der adeligen Familie
der Pellegrini, wer die Gernalin des Benedetto de' Baimondi, des Sohnes des Guuesco de'
Rnimondi. Aus diesem Grunde wird die Cspelle Pellegrini in der Kirche S. Bernardino
in Verona von Vßsari Capelln di Guareschi genannt.
Wie Vasari im Leben Michele Sun Micheleü" erzählt, zeigte Michele sich tredlich
an vielen Werken seiner Hand in Verona, vornehmlich an der schönen reichgeschmückten
Capelle der Guareschi in S. Bernardino. Diese ist rund wie ein Tempel in korinthischer
Ordnung mit allen Ornamenten dieses Styles und ganz aus hartem, weissen Stein aufge-
führt, den man in jener Stadt Brongo nennt, weil er beim Bearbeiten einen Klang gibt.
Er ist mit Ausnahme des feinen Marmors der schönste der bis jetzt aufgefundenen Steine,
ganz fest, nhne Löcher oder Flecken. Da nun die Capelle innen ganz aus solchem Stein
besteht, von vortrefflichen Stsinmetzmeistern ausgeführt und sehr wohl aneinander gefügt
ist, glaubt man, es gebe kein schöneres Werk dieser Art in Italien. Michele baute das-
selbe in runder Form, so dass die drei dort befindlichen Altäre mit ihren Giebeln und
Simsen summt der Thiirößnung vollkommen im Kreis laufen, fast den Ausgängen ähnlich,
welche F. Brunelleschi den Capellen in der Kirche degli Angeli in Florenz gab eine
110
Arbeit, die ihre Schwierigkeiten hat. Oberhalb der ersten Säulenreihe baute Michele rings
um die Capelle Deckengelinder mit schön geschnittenen Säulen, Cspitälen, Lauhwerk,
Grotesken, kleinen Pfeilern und anderen unglaublich deissig gearbeiteten Dingen. Die
Thilre der Capclle ist korinthisch, nassen-viereckig und sehr schön, einer antiken ähnlich,
die er nach seiner Aussage an irgend einem Orte in Rom gesehen hat."
Csv. Giuliari liess in diesem Jahrhunderte die Capelle reinigen, wiederherstellen,
und gab das genannte Werk heraus, das werthvolle Mittheiluugen über Michele Sanrnicheli
und die Familie Psllegrini enthält
K. Polyteehnikum zu Stuttgart. Aufnahmen und Skizzen der Architekturschule in
Rothenburg a. d. T. unter Prof. W. Biilumer. Mai 1869. kl. Fol. B. K. 2618.
Diese Publication, Aufnahmen der Architektur-schule des Stuttgarter Polytechnikums
unter dem Architekten Prof. Bänmer, dem ausgezeichneten Herausgeber der "Gewerbe-
halle", ist ein vortredliches Werk in handlicher Form über die alte schwäbische Reichs-
stadt Rothenburg an der Tauber, die eine Fiille ihrer alten Architektur, fast durchweg
Renaissance des 16. Jahrhunderts, sich bewahrt hat. Das Werk, voll zahlreicher Details,
trägt ganz den malerisch romantischen Charakter der Stadt, so dass man es mit dem
grössten Vergnügen durehblättert. Es enthält 31 Doppeltsfeln, von denen eine Reihe dem
Rethhnuse gewidmet ist. Eine anders Reihe gibt die Aufnahmen von einem in seiner
Art mustergiltigen bürgerlichen Bauwerke, dem Geisselbrechfschsn Hause. Die übrigen
Tafeln gewähren die mannigfachsten Gegenstände und Darstellungen Strassenansichten,
Zirnmerinterieurs, Höfe, Portale, Thürme, Brunnen, Ansichten der alten Stadtmauer, Giebel,
Schnitzwerke und verschiedenes ornamentale Detail.
Vorlegehllltter für archäologische Uebungen. I. Serie. Wien 1869. B. K. 2628.
Prof. Alexander Conze hat den Gedanken Braun's weiter ausgeführt, den Kunst-
geschichte und Kunstarchäologie Studirenden Abbildungen rlassischer Bildwerke zu bieten,
an welchen sie die Darstellungen erkennen und deuten lernen können. Vorzugsweise ist
darauf Bedacht genommen werden, verschiedene Darstellungen eines und desselben Vor-
ganges zusammen zu stellen, so dass der Schüler sowohl der feststehenden charakteristi-
schen Ziige und Attribute, wie der Wandlungen in der Auffassung und im Geschmacks
inne wird. Es ist unverkennbar, dass in der Hand eines einsichtigen Lehrers diese Vor-
legebllitter sehr fruchtbringend werden können. Die erste Serie umfasst 12 Blätter, darunter
zwei Vasenbilder des Oesterr. Museums Mord des Aigisthos und Priamos bei Achilleus.
Vasari "Leben der ausgezeichnetsten Maler etc. etc.", übersetzt von Förster,
Bd. pag. 319.
Folr-taetzung den Verzeichniues
der im k. k. terr. Museum zu Wien käuflichen Gyps-Abgiisse.
hdn
m. Gegenstand des Abgusses W51"-
a. 11
am m11 einst 111111111 11mm. 111111111111 111 1111111111. 1a" hoch
1111111011111. 111mm. 1a" 1111;. 12" 11.11..
Kuba, Spltnudlulme. Orlguul 111 Bronze, oo
2M Waibliohu Kopf. Hlllftßlid" in Ildlillßulorm, Oxigmll von Lucu de" lobbu,
011111111111. 1mm numuwn. 2a" um, 11" m1
Wmd-Cnpitll vom 2111111111191. 21" um. 1a" 11111..
Abacns. 1101-1111.. xym und 111mm vom 2111111111111. 111111. 12" brext
ms kubimhu Kyml und 1m mm Ehnchthelon. hoch. 1a" m1
Kyml mit umgu, 10" hoc 11" m1
am Mwanlopf, m11. 1a" 11m1. 15" breit.
251 Annthubhtt. antik. 11m1. 10" bunt
wiornlliemlo
ISSSSI
lll
Kleinere Mittheilungen.
Neu ausgestellte Gegenstände. Am I5. Jlinner 1870 Eine Suite von Pho-
tographien nach alten Möbeln, Geschenk der Commission des Gewerbemuseums in Harn-
bnrg an das Museum; Email, Porzellan, Lackgegenstände aus Java, Japan und China,
Eigenthum des Herrn Baron Pereira; ein Kästchen aus Ebenholz und ein Rahmen,
entworfen und geschnitzt vom Bildhauer Heinz; der junge Speckbacher, nach Deder-
ecker in Holz geschnitzt von S. Stein er.
Arn 19. Jänner Chinesisches Schachbrett mit Elfenheiniiguren, ferner die Tiefen-
karte des adriatischen Meeres von A. Rois, beide aus dem Besitze Sr. k. Hoheit des
Herrn Erzh. Rudolf Medaillen-Porträt des Hofschauspielers Lewinsky vom Bildhauer
K. Ostrowski; die Denksänle ,Spinnerin am Kreuz", in Holz geschnitzt von Lorenz
Stegar, ehemals Zeichendiener in der k. k. Militär-Akademie zu Wiener-Neustadt, unter!
Leitung des Herrn Hauptmanns Maehold, Lehrers an der Militär-Akademie; ein
Schreibkasten. angefertigt von F. Wenger, Eigenthnm des Herrn A. Samek.
Am 23. linner Christus und die Ehebrecherin von Marco Marziale 1500, Oel-
gemiilde. Privat-Eiganthum; Modell zum Umbau des Olmiitzer Domes mit Beniitzung
des Choruuterhaues. nach dem Entwurfs des Architekten J. Lippart ausgeführt von
J. Hntternr; zwei Cabinete von Ebenholz mit eingelegter Elfenbeinarbeit im Btyle
des 17. Jahrhunderts. Privat-Eigeuthum; "apanesische Gewänder und Stickereien, ein-
geschickt von der ostasiatischen Expedition; Holzimitationsu mit Proben von Farbe-
msterialien nach dem Verfahren des Herrn Jean van der Mersch Mertons in Gent,
Geschenk an das Museum durch Vermittlung des Herrn Curators Ritter v. Wertheim.
Am 2". Jlinner Ein Weihwasserkessel, Silber und Pakfong, nach den Entwürfen
des Malers F. Wachsmann in Prag, ausgeführt vom Silberarbeiter J. Kaisberger
daselhst. mit Tulaniello, gravirt von Hampeis; Messgewand mit Stiekarbeit von Frl.
J. Poche in Prag; ein Plnvial mit Schliesse. gestickt von Frl. J. Schermaul, Mo-
dellirnng der Madonna von Popp. Email von G. Pawlaxisky, Metallarbeit vom Hof-
juwelier J. Grohmann. siimmtlich in Prag; eine Suite von Photographien nach Ent-
wiirfen von F. Wach srnann; zwei Consolen, in Holz geschnitzt in der Art Brusto-
lanäs; Gobelins darunter Compositionen nach Lafontuine aus der Fabrik des Herrn
W. Chocqueel. eingeschickt durch Herrn Hofrath Baron Schwarz-Seuborn.
Am 3. Februar Photographien nach Holbein und Sassoferato, aus der Galerie
Brentauo-Birkenstock in Frankfurt; Entwürfe zu Decoraüonen Fnirlimmerrliume
vom Architekten Hofmaun; Entwürfe fiir Parkbrunnen und Aquarien von Prof.
Wolanek; Silberkashn, entworfen und ausgeführt vom Tischler Schalhas;
Holakäslchen mit eingelegtem Elfenbein und antike Bronzelampe, Eigenthum des Herrn
A. Samassa in Lnibach; Messgewand mit Gold- und iiguraler Stickerei aus der Fa-
brik des Herrn Uffenheimer in Innsbruck.
Am F. Februar Eine Suite vnn Handzeichnungen von P. P. Rubens aus der
Kunstsammlung Sr. k. Hoheit das Herrn Ersherzogs Albrecht; das Wappen das
Grafen Clam-Gallas, Hochstickerei von Fräul. Therese Davidek; gestickte Decken,
schwedische Haus- und Bauernarbeit, Eigenthum des Herrn v. Bnreustamm.
Besuch des Museums. Im Monat Januar 1870 wurden die Sammlungen des
Museums von 8140 Personen besucht.
llnlzilliilntluru Auf der Weltausstellung von 1867 erregten die Holzimitationen
des Herrn Jean Van der Marsch in Gent besondere Aufmerksamkeit durch die Treue,
mit welcher sowohl die Farhentöne als die Textur der verschiedenen Hölzer wiedergegeben
waren. Das Oesteneichischs Museum erhielt nauestens von Hen-n Van der Marsch eine
von seinen Arbeiten, eine Füllung, zum Geschenk und dazu eine Darstellung seines Ver-
fahrens nebst einer Anzahl der bei demselben zur Anwendung kummenden Stifte. Diese
Stiße bestehen aus einer Mischung von Röthel, Frankfurter Schwarz und gelbem Ocker,
deren Verhältniss zu einander davon abhängt, ob ein dunkleres oder lichteres etc. Holz
dargestellt werden soll für Ahorn oder Eschenholz muss der gelbe Ocker durch Neapel-
gelb ersetzt werden. Die Farbstoffe werden durch etwas Leim gebunden, die dann ge-
formten Stifte an einem warmen Orte getrocknet Hat man den Farbenstih von der er-
forderlicben Nuance, so wird das zu bemalende Holz mit einer Composition aus Terpen-
tinöl Litrel, Leinöl Lizre, sehr wenig Trockenöl und ein wenig von der Farbe das
zu imitirenden Holzes überzogen. Hierauf ädert man den Grund mittelst des Farbenstiftes,
glättet die Zeichnung mit einem Abluzspinsel und lässt das Ganze trocknen. Wenn's
nöthig, können nachträglich mit dem Pinsel und-der entsprechenden Oelfarbc Retouchen
vorgenommen werden. Ist diese Arbeit vollendet, so lässt man sie wenigstens vierund-
zwanzig Stunden stehen und erthsilt endlich dem Holze noch einen Farbsniibersug, dessen
Zusammensetzung mit Wasser sich nach der Holzert richtet. So ist z. B. fair Eiehenholz
angegeben Term de Siennn, Umbru, gebrsnnte Terrn de Siennu und Schwarz; Eir Nuss-
holn Urnbrß, gebrnnnte Umbru, Frankfurter Schwarz, Terrs. de Siennn, gebrannte Terru
de Siennu, Krupplnck. In diesen Ueherzug bringt man die Maserung u. s. w. hinein.
Den Schluss der Operation macht das Firnissen.
Uober dle vorjlhrlze Ausstellung In Brllnn entnehmen wir einem Bericht
in der Zeitschrift des rnlihr. Gewerbevereins nachstehende Daten. Die Gesummtznbl der
Aussteller belief sich auf 105, wovon 42 auf Briinn, auf die übrige Provinz Miibren,
47 auf Wien und auf andere Städte Oesterreichs und Deutschlands kommen. Die Ge-
sammtzuhl der Besucher erreichte nur 7583; du hierbei etwa 900 Arbeiter und 150
Schulen, welche nur die Hälfte des Eintrittspreises zahlten, miteingerechnet sind, so
konnte die Einnahme aus den Eintrittsgeldern nur verhältnissmiissig gering ausfallen. Die
Einnahmen der Ausstellung selbst betrugen an Eintrittsgeldern 1301 B. 40 Im, für Kataloge
180 ü. 80 kr. und für Inserate im Kataloge 180 5., zusammen 1662 8., dagegen die Aus-
gaben Täunsportkosten, Versicherungen, Ausstattung der Lucnlitliteu u. s. w. mehr als
4000 B. Der Ausfnll wurde durch den Absatz von beinnhe 8000 Losen gedeckt.
Alle Buchhsndlungen und Postunstulten nehmen Bestellungen an auf
Kunst und Gewerbe,
Wochenschrift zur Förderung deutscher Kunstindustrie.
Jahrespreis mit den Beilagen? Thlr. 10 Sgr.
Gesuche von Arbeitskräften finden unentgeltliche Aufnahme.
Neue Publicetionen des Oesterr. Museums.
Katalog der Bibliothek
des
k. k. Oesterr. Museums für Kunst und Industrie.
Selbstverlag des Museums.
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Der erde Versuch, eine für die Zwecke der Kunslinduslrie angelegte Bibliolhek
wiuenschahlich zu ordnen.
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in Silber und Gold,
entworfen und gezeichnet für den Kaiser Rudolf I1. von Hhvla Slrndn.
42 Tafeln mit Text. Fol.
Verlag der BecFschen Univerm-Bncbhandl. A. Hölder.
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Selbstverlag de knie. kiin. österreichischen Muaenmu.
Druck von Carl Geroldä Sohn in Wien.