76 sondern auch für das gesammte polytechnische Unterrichtswesen hat. Zwar ist die königl. Gewerbe-Akademie keineswegs die älteste Schule dieser Art, indem die Pariser Ecole polytechniqne sie um etwa 27 Jahre an Alter übertrifft: auch ist sie nicht die erste in Deutschland gewesen, indem das Wiener Polytechnikum gegen fünf Jahre vor ihr gegründet wurde. Allein für Preussen und für ganz Norddeutschland ist die Anstalt von solchem Werth und Einfluss gewesen, und fünfzig Jahreswechsel wiegen in un- serer raschlebigen Zeit so schwer, dass diese Feier eine wohlberechtigte genannt werden darf. v nEiner der merkwürdigsten Züge in der von der Anstalt durch- laufenen Geschichte ist deren allmälige Entwickelung aus kleinen An- fängen, ihr gleichsam natürliches Wachsthum. Während neuere polytech- nische Schulen das Glück hatten, voll entwickelt und wohlgerlistet, wie Athene aus dem Haupte des Zeus, in's Leben zu springen, musste diese Schule den Pfad des Fortschrittes selbst suchen und Probestücke durch- machen, welche den jüngeren Schwestern grösstentheils erspart geblieben sind. Die Fortentwickelung war um so schwieriger, als sie keinen Augen- blick ohne eine gleichzeitige der technischen Mittelschulen des Landes vorgenommen wurde, wodurch von Anfang bis heute der engste Zusam- menhang zwischen sämmtlichen technischen Schulen Preussens in der glücklichsten Weise erhalten worden ist. Man darf sagen, dass deshalb die Gewerbe-Akademie in ihrer Begründung eine seltene Festigkeit be- sitzt, welche der obersten Leitung des technischen Unterrichtswesens in Preussen immer zum höchsten Lob gereichen wird. Bei dem Studium der Urkunden der Anstalt ist es fesselnd, zu sehen, wie mit unverbrüchlicher Strenge an diesem wahrhaft bedeutenden Grundsatze festgehalten wurde. Dieser Grundsatz bildete - das verdient besonders hervorgehoben zu werden - den Kern, das Mark der Pläne Beuth's lange schon vor dem Jahre 182i sowohl, wie immer nachher; und er kann denjenigen, welche in anderen Staaten polytechnische Schulen zu schaffen beabsich- tigen oder begonnen haben, nicht warm genug an's Herz gelegt werden. Freilich ist er nicht leicht durchzuführen, seine Früchte zeitigen langsam; sogenannte brillante Erfolge lassen sich nicht in Kürze mit ihnen erzielen; allein er sichert, wenn die Zeit der Reife naht, die wahre innere Tüchtig- keit des Resultats. uWie hoch aber müssen wir erst Beuth diesen Ernst anrechnen, wenn wir uns vergegenwärtigen, welchen Schwierigkeiten er überall be- gegnete, wo er die Industrie Preussens zu heben versuchte. Seine Ener- gie verliess ihn aber unter den schwierigsten Umständen keinen Augen- blick. Ging sie doch so weit, dass er bei Beschaffung der als Muster in's Land zu bringenden Maschinen, deren Ausfuhr aus England damals bei schwerer Strafe verboten war, Wege einschlug, von welchen er der englischen Grenzzollbehörde keine oflicielle Mittheilung zu machen für gut fand.