des Denkmals gehend gemacht hat, wollen die Herausgeber darin gefunden haben, dass
diese Reliefs infolge Mangels an vollwerthigen geschulten Bildhauern durch Soldaten aus-
geführt worden seien, deren nicht blos gelegentliche, sondern sehr ausgedehnte Verwen-
dung zu Bauaufführungen in den Grenzländern, durch vielfache Zeugnisse erhärtet, fest-
steht. Ferner hat Niemann die Beobachtung gemacht, dass am unteren Cylinder, wo sich
eben die minderwerthigen Reliefs befinden, auch die decorative Behandlung der Archi-
tektur höchst auffallende Abweichungen von den Regeln der classisch-römischen Bau-
kunst aufzuweisen hat, abermals im Gegensatze zur viel reineren Behandlung des Archi-
tektonischen an der sechsseitigen Basis oben. Niemann hat zwar keine Erklärung für
diese Erscheinung zu liefern versucht; der Leser wird aber zunächst, nach Analogie des
von den Sculpturen Vorgebrachten, anzunehmen geneigt sein, dass auch die unclassischen
Details der architektonischen Decoration auf Rechnung der am unteren Cylinder thätig
gewesenen ungeübten Soldatenhande zu setzen seien.
Welcher Art sind nun die erwähnten Abweichungen von der classischen Regel?
Für's Erste sind die Pilaster zwischen den "Metopen: nicht Träger der Gesimse, sondern
eben gleichsam Triglyphen, in eingestandener rein decorativer Function und auch von
allzu gedrungenen Verhältnissen. Das ließe sieh nun allerdings zur Noth noch durch den
künstlerischen Un-geschmack der Soldaten-Decorateure erklären, und vielleicht selbst
auch die ganz untektonische Verzierung der Pilasterschäftc mit Rankenornamenten, ferner
gewisse Barbarismen im Akanthusfries darunter und in der intermittirenden Wellenranke
und dem Gesimse darüber, - Details, zu deren Discussion, so interessant und lehrreich
sie wäre, es uns hier am Raume gebricht. Im höchsten Maße auffallend ist dagegen die
Bildung der Basis und des Capiräls der einzelnen Pilaster ohne Ausladung nach vorne,
sondern nur nach den Seiten. Da das Capitäl mit seinem vom korinthischen Capitäl ab-
geleiteten pflanzlichen Schmucke mit dem Schaft des Pilasters in einer Fläche liegt, so
ist es klar, dass dasselbe nicht mehr als ein Kelch aufgefasst wird, gebildet aus gleichmäßig
nach allen Seiten ausbiegenden Akanthusblattern und Spiralranken, wie es am Denkmal:
selbst an den echt römischen Pilastern der sechsseitigen Basis der Fall ist, sondern als eine
Platte, auf deren Fläche das pflanzliche Ornament als äußerlicher, gleichsam malerischer
Schmuck aufgelegt erscheint. Das ist aber nichts Anderes, als die typische Behandlung
des späteren byzantinischen Capitäls! Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die
Beobachtung der Detailbehandlung des Pflanzenornaments. Schon die unzweifelhafte
Analogie mit dem korinthischen Capital lehrt uns, dass wir in den Gebilden, welche die
bezüglichen Pilastercapitale schmücken, Akanthusblätter im Prohl gesehen zu erkennen
haben. Dieser Akanthus zeigt aber nicht mehr die üppigen, überfallenden, feingegliederten
Zacken, wie sie die echt römischen Pilastercapitäle an der sechsseitigen Basis aufweisen,
sondern er ist in lauter schmale, magere, lanzettförmige Blättchen aufgelöst; damit werden
wir aber wiederum zu der byzantinischen Art der Behandlung des Akanthus übergeleitet
(HaJgia Sophia, San Vitale). Diese Abweichungen können -also nicht mehr als Aeußerungen
der Rohheit und des Ungßchmackes aufgefasst werden, sondern sie geben sich als
Aeußerungen eines sehr bestimmten Stilgefühls, das späterhin einer ganzen weithin
hertschenden Kunstweise zu Grunde gelegen hat.
Angesichts dessen wird man vielleicht zunächst geneigt sein, das Denkmal seiner
Entstehung nach der traianischen Zeit abzusprechen. Es ist nicht zu leugnen, dass einige
weitere Umstände einer solchen Spä-terdatir-tlng zu Hilfe zu kommen scheinen: so das
Vorhandensein einiger Blocke, die Niemann in seiner Reconstruction nicht unterzubringen
vermacht hat, ferner die epigraphisch ganz anormale Zerreißung der lnschrifttafel ir.
zwei Stücke. Man mochte hienach zunächst der Vermuthung Raum geben, dass das
ursprüngliche Denkmal während der Wirren des 3. Jahrhunderts namentlichen seinem
unteren T-heile Beschädigungen erlitten haben mochte, und dass Constantin der Große,
der nachweislich die in der Nähe des Denkmals gestandene Stadt Tropaeum Traiani aus
den Trümmern wieder aufgerichtet, das Denkmal selbst in seinen unteren Theilen im
barbarisirten Stile seiner Zeit erneuert hat. Einer solchen Annahme steht aber die ganz
bestimmte Aeußerung Niemann's entgegen, dass nach seiner Untersuchung des Denkmals
absolut kein Anzeichen dafür spricht, dass seit seiner ersten Aufrichtung in der durch
die Inschrift bezeugten trajanischen Zeit jemals eine Erneuerung oder Ergänzung einzelner
Theile stattgefunden hätte.
Es bleibt also nichts übrig, als uns mit der Thatsache der Entstehung der eigen-
thümlichen Decoration der unteren Denkmaltheile in traianischer Zeit auseinander-zusetzen.
Der mangelhaften künstlerischen Schulung römischer Soldaten wird- man sie hinfort
nicht mehr zuschreiben dürfen; diese hätten wohl Römisches in unvollkommener und
roher Weise wiedergegeben, aber nicht neue, unrömische Stilgesetze angewendet. Wir
fragen nun: wer waren dann die Hersteller der unteren Theile des Monuments von
Adamklissi?