„ES LIEGT EIN SCHLOSS IN ÖSTERREICH" Von FELIX IIALMER Niederösterreich ist reich an Natur- und Kunstschönheitcn. Eine ideale Verbindung zwischen Landschaft und Architektonik stel- lcn die Burgen und festen Schlösser dar, die es in reicher Zahl (rund 550 Burgen und Ruinen, sowie über 500 verschwundene Objekte) in diesem Bundesland gibt. Die Verteilung ist keines- wegs gleichmäßig, so liegen weitaus die meisten Burgen im Wald- viertel und im Viertel unter dem Wienerwald, das Viertel ober dem XVienerwald besitzt sehr wenige Burgen. l)ie starke Auf- gliederung des Landes in die einzelnen Hoheitsgcbietc im Zuge einer gesicherten Landnahme bedingt den Bau von Burgen, der im 12. und 13. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreicht, aber zur Zeit Ottokars von Böhmen eine starke Einschränkung cr- iährt, die erst nach dessen Tod teilweise aufgehoben wird. Im späten 13. und 1-}. Jahrhundert ist es mit dem klassischen Burgen- bau vorbei. Die verschiedensten Bcrgiormcn, auf denen sich Burgen erheben, bedingen vielgestaltige Bcringformen. Das (icliindc wird nach bestem Wissen und Können für die Verteidigung ausgenützt. Merkwürdigerweise kommt bei uns die älteste Burgenlorm, der Rundling, nicht vor, Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß eben die Bodengestaltung für die Grundrißbildung ausschlag- gebend war. Auch das Fehlen jeder Prunkarchitektur kann fest- gestcllt werden, obwohl doch die alte Hohcnstztuier-Burg Eger, die Lieblingsresidenz Rudulis von Habsburg, nicht so weit ent- fernt war. S0 begegnet man immer wieder den gleichen Bau- teilen: Berchirit, Palas, Kapelle, Ringmaucr und häufig, aber nicht immer, dem Torbau. Der Bau muilte Schutz bieten, diese Aufgabe mußte er auf jeden Fall erfüllen. Er brauchte nicht repräsentativ zu sein wie die alten Kaiscrpialzen. Der Ernst ihrer Aufgabe zeigt sich auch in ihren Umrissen. Äirotzig erhebt sieh der Berehirit, Schutz und meistens letzte Zuflucht seinen Bewohnern bietend, schlicht und einfach der Palas; die hohen Eine der interessantesten Anlagen ist O h e r r a n na. Ihre Errichtung kann zu Beginn des 12. Jahrhundert: oder noch etwas früher angesetzt werden. Bis in das 16. Jahrhundert war sie Sitz der Neidegger. Von kriegerischen Ereignissen war hier nichts zu künden. Sie war das Ver- waltungszentrum des Gebietes „Grie" in kirchlicher und weltlicher Beziehung. Jene Funktion dürfte auch mit der für damalige Verhältnisse großartigen Burgkapelle zu begründen sein. Diese Kirche war Pfarr- kirchc für die nächste Umgebung. sie war aber auch der einzige sakrale Raum der Burg. di: selbst kein: Kapelle besaß und imre beiden Türme waren die Berchfrite für die Ves e. Der Kern der Anlage gehört dem 12. und 13. Jahrhundert an, die Ncideggcr schufen im 1G. Jahrhundert den Renaissancebau, sein Schwerpunkt liegt im Wehrhaften und nicht im Wohnliehen, es ist daher zu verstehen, daß das romanische sakrale Kunstwerk erhalten geblieben ist. S0 spiegelt diese Kirche die Welt- anschauung des Iliachmlttelalters: „La chcvalerie c'est 1a farm ehretienne de la eondition militaire." Im nördlichen Waldviertel nahe der heutigen Staatsgrenze liegt die gmßartigste Wasserburg Niederösterreichs, Heidenreichstein. Der Erschließung und Besiedlung dieses Gebietes, welche von Raabs aus erfolgten, verdankt die Burg ihre Errichtung. Ein Heidenreid-i dürfte der Bauherr gewesen sein. In der mittelalterlichen Grafschaft Litschau gelegen, erscheint sie bereits um 1200 im Lichte der Geschichte. Die- ses Hoheitsgebiet Litschau bildete mit der Grafschaft Raabs den Inhalt der Königssch-enkungen des 11. Jahrhunderts an die Babcnberger. Be- deutende Geschlechter saßen hier, so die Herren von Wasserbvurg, Klin- genberg, Puchheim, Pollheim, Volkra und Pnlffy. Der ältesten Bauzeit (13. Jahrhundert) gehört der mächtige Berehfrit an, der sich schützend vor die im Osten anschließende Anlage stellt, in deren Außenmauer auch heute noch der alte Baukern steckt. Des Turmes gewaltige Bau- masse besitzt keine Fensteröffnung, sondern nur sich nach außen ver- jüngende Schlitzc; trutzige Wehrhaftigkeit und Sicherheit bietend, das will sein Charakter sein. Das späte Mittelalter schafft die heutige An- lage der Burg. Damals wird im Norden der zwingerartige Vorbau er- richtet und durch bauliche Um- oder Neugestaltung der äußere Burg- hof mit seiner turmbewehrten Ringmauer geschaffen worden sein. Wie- der liegt der Schwerpunkt des ganzes Baues in der Abwehr: fast kein Fenster, um die Mauern nicht zu schwächen. runde Türme mit ihren Wehrgängen flankieren die Mauerzüge. Die Renaissancezeit bringt das Umbauen zum wehrhaften Prunkbau. Hier hat diese neue Formenwelt nur wenig verändert. Ein zweiter Torbau wird geschaffen, die Nord- und Westscite der Vorburg zum Teil neugestaltet. Die grüßte Ver- änderung haben der Nord- und Osttrakt des inneren Burghofes er- fahren. Gewaltig entströmen diesem Bau die Klänge des späten Mittel- alters, die der Renaissance verklingen zart... 11