„Orientalisches" aus dem gleichen Jahr, ferner die schiefe „Kir- che", die „Kuh" und der den späteren Nolde und noch späteren Nay vorwegnehmende „Garten" von 1910 auf, Bilder, die gleich- sam aus der Farbe das Gesammeltsein und die Entfaltung des Ganzen offenbaren. Das ist, wenigstens unserer Meinung nach, große bleibende Kunst, und zwar im Stil der „Fauves". In den Jahren des „Blauen Reiters" aber wird es dann schon wieder anders. Wer von Kandinsky redet, meint eigentlich immer diese und dann die späteren Jahre am Bauhaus und in Paris. Aber bei aller Anerkennung für das sozusagen theoretisch Gül- tige an Kandinskys Schritten auf die „Abstraktion" und damit auf die „Absoluthcit", d. h. auf die Abgelösthcit der Malerei von der Erschcinungswelt zu, bei aller (bedingten) Anerkennung für seine Schriften und seine später am Bauhaus aufgestellten „Regeln" fängt ab 1911 eigentlich die Willkür an. Kandinsky sprengt die Welt - gewiß -, und das bringt nicht jeder fertig. Doch sieht man vor diesen Bildern aus den Jahren 1911 bis 1914 einmal vom Brand der Farben, von der Dynamik der formalen Rhythmen ab, die zunächst natürlich ihre Gewalt auf den Be- sehauer auszuüben wissen, dann stellt sich unfehlbar heraus, daß auf diesen Bildern eigentlich nicht viel Wirkliches geschieht, daß sie irgendwie „gemacht" sind, wenn sicher auch in einer Art von Rausch, und daß der kleinste und stillste Klee mehr wesent- liche Inwendigkeit sichtbar macht als diese Turbulenz, die sich nach dem ersten Weltkrieg zu Tabellen und Formeln, zu regel- rechten Skalen organisiert, in die nur gelegentlich einmal noch ein bißehen russische Folklore und Reminiszcnz einen Abglanz vom eehten Leben wirft. Wahrscheinlich kann man das auch anders sehen, aber dieses Sprengen statt Erschließen, dieses Berauschlscin durch abstrakte Abb. 2. Kandinsky: D:r Brnutzug, um 1902-1903. groß- oder kleinformatige Arabesken (das sich von der nicht gezeigten Bauhaus-Zcit ab systematisiert), gibt im Hinblick auf die kunstgewerblich auigczogcnen Ritter und Ritterlräuleixi am Anfang dieser Laufbahn mancherlei zu denken. Die gleichzeitige Ausstellung von rund 60 Arbeiten von Gabriele Münter aus allen ihren Schaliensperioden reg! hierzu noch entschiedener an, auch wenn die Bilderauswahl nicht als die günstigste erscheint. Einige Stücke aber wie etwa „Kandinsky am Teetisch" (19lO[11) und verschiedene Stillcben, teils aus der gleichen Zeit, teils aus den Abb. 3. Kandinsky: Garten, 1910. 12