Abb. 4. Vögel xus gchlascncm Glas und mit auf glßn Milchglas- fiiden. die dcn rcizvollcn Eindruck von weißem Gcfiedcr vermitteln. das die Auseinandersetzung mit den neuen künstlerischen Mög- lichkeiten nicht aufnehmen wollte und konnte, blieb konservativ und beschränkte sich immer mehr auf das Kopieren der alten Formen. Dies führte schließlich zu der Produktion von „Glas- kunstwerken", die ausschließlich als Reiseandcnken für die Fremden bestimmt waren. In ihrer Sterilität und Geschmack- losigkeit hatten sie nichts mehr mit dem alten Geiste der vene- zianischen Glasmacherkunst zu tun. Dieses Stadium völliger Degeneration versuchte PilUlO Venini, der am Comer See geboren wurde und aus einer alten Glas- macherfamilie stammt, mit der Gründung seiner Manufaktur im Jahre 1921 auf der Insel Murano zu überwinden. Anknüpfend an die alte Tradition, war er eigenwillig genug, seinen eigenen Weg zu gehen. Der Anfang war schwierig. Galt es doch den handwerklich ausgezeichneten Glasbläsern, die am Alten hingen, seine neuen Ideen verständlich zu machen und sie dafür zu ge- winnen. Dies ist dort, wo die schöpferische Gestaltung unmittel- bar während des Herstellungsprozesses, in freier Weise sich voll- ziehen mufl, eine schwierige Aufgabe. Was aber dabei als Ergebnis herauskam, spricht die eindeutige künstlerische Sprache der Gegenwart. Paolo Venini scheut nicht die Tradition, die Anknüpfung an die Formen der Vergangen- heit. In verschiedenen Richtungen jedoch wird diese Ausein- andersetzung mit den Formen, der Technik und dem Geiste der gläsernen Schmuckgerätc der Vergangenheit geführt. Nur solche Formen werden gewählt, die in ihrer schlichten Linienführung und in ihren ausgewogenen Maßverhältnissen dem gegenwärtigen Formemplinden entsprechen. Neben diesen zeitlosen Formen be- dient er sich aber auch der köstlichen Dekortechniken, die ein- stens den Ruhm des venezianischen Glases ausmachten, wie Faden-, Nctz- und Milleiioriglas. Diese Dekore auf neue Formen angewendet, erhöhen nur noch deren spielerischen Reiz und kul- tivierte Eleganz. Aber neben diesen zartwandigen und hauchdünnen Wunderge- bilden, zeigt Venini Gestaltungen, die in ihrer Farbigkeit und Formprägung völlig dem neuen Formgefühl entsprechen. So liegen bei den Mosaikgläsern nur wenige aber leuchtende Farbtöne wie kräftige Pinselstriche konstrastierend neben- einander. Dickwandige und nahezu kristallhaltc Gebilde von kühner Formgebung zeigen eine einheitliche und gedämpfte Farbigkeit. Sie wird durch die geschliffene und mattglänzende Oberfläche bewirkt und durch die verschiedene Dicke des Glases nuanciert, sodaß der Eindruck entsteht, als 0b sich das Licht im Medium des Glases ständig zu farbigen Schatten verwandelte. Paolo Venini hat seine Arbeiten auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt. Viele Museen und Sammlungen besitzen sie, weil sie den hohen Anforderungen, die die Gegenwart an moderne kunst- handwerkliche Erzcugnisse stellen muß, in vollem Ausmaße gerecht werden. Was sich daher als das Oeuvre dieser modernen Glashüttc präsentiert, läßt erkennen. daß auch für die Gegen- wart die künstlerischen Möglichkeiten auf dem Gebiete eines jahrtausendealten Werkstoffes schier unerschöpflich sind, wenn Wagemut und Ideenfülle sich in liebevoller Sachkenntnis seiner bedienen. 24