die im Iinterbewußten und in der Schicht PSyChO-pltyäläßllßl" Reaktionen verankert sind. jedermann kann an sich selbst nach- prüfen, dafl er runde Formen mit dem Begriffsbereielt des Weib- lich-Mütterliehen, des Bergenden und Irdischen, winkelige und spitze Formen aber mit dem des Männlichen, Rationalen und Herausforderndcn assoziiert. Ebenso herrscht ein gewisser Kon- sensus über die Bedeutung von Links und Rechts, Oben und lnten oder über warme und kühle Farbwirkungen. Die Bereit- schaft, elementare Qualitäten dieser Art als Bestandteile des ästhetischen Erlebens zu akzeptieren, hat sich im Laufe der letzten eineinhalb jahrhunderte im Abendland kontinuierlich ent- wickelt. Sie ist die wesentlichste Voraussetzung für das Ent- stehen nicht nur der modernen Kunst, sondern auch jenes „imaginären Museums" gewesen, aus dessen gewaltigen Depots wir alle heute schöpfen. Die künstlerischen Produkte fernstei" Kulturkreise - des alten Sumcr, des praekolumbiztitischen Amerika, Ostasiens und des archaischen Hellas - werden um jener lilementarqualitätcn willen als Kunstwerk: gewürdigt, auch wenn wir von ihrem konkreten historischen, kultischen und geistigen Hintergrund keine oder eine nur sehr blasse Vorstellung besitzen. Während die Gruppen und Richtungen in der heroischen Phase der modernen Kunst jeweils nur einzelne dieser Elementarqua- litäten erprobten und einer methodischen Bewältigung zugänglich machten, schöpfen die Künstler der jahrhundcrtmitte diesbe- züglich schon aus einem großen Reservoir. Hier werden Syn- thesen möglich, zugleich aber auch sehr individuelle Varianten. Und sowohl in der einen wie in der anderen Hinsicht scheinen uns die Wlandbildcm Herbert Tasquils bemerkenswert. Ihr synthetisches Wesen wird dem Betrachter offenbar, sobald er die Ambivalenz der einzelnen Formmotive erkennt, die ja nicht nur Bestandteile einer „abstrakten" Komposition, sondern zugleich auch „BedeutungsträgeW sind. (Ich vermeide mit Ab- sicht den übliehercn Terminus „Gegenstandssymbolef weil er nicht das Wesentliche trifft. Es geht hier nicht darum, benenn- bare Objekte in die Bilder einzuführen, sondern um eine Sinn- gebung des formalen Geschehens. Daß bedeutungshaltige For- men gelegentlich auch Erinnerungen aus unserer Gegenstands- erfahrung wachrufcn, bleibt demgegenüber sekundär.) Die vor etwa vierzig jahren noch gesonderten Bemühungen um die reine Form auf der einen, um die reine Aussage auf der anderen Seite sind hier verbunden. Der jüngeren Generation, der Tasquil (ge- boren 1923) angehört, entspricht es, eine solche Verbindung nicht mehr in kleinteiligen Formgcflechten, sondern im groß- zügigen Gegeneinander prägnanter Kontraste zu suchen. Da- durch gewinnen die Einzelelemente - unabhängig von ihrer ab- soluten Größe - eine monumentale Qualität, wie sie bis vor kurzem in der modernen Malerei nicht üblich war. (Monumen- talität war fallweise im Rahmen einer noch weitgehend gegen- ständlichen Kunst -- bei Leger, Schlemmer und manchmal bei Picasso - anzutreffen. Im ungegenständlichen Bereich aber tritt sie uns, wenn wir von den im Grunde dimcnsions-indifferenten Schöpfungen des Konstruktivismus absehen, erst seit etwa 1940 bei Magnelli, später bei Dewasnc und bei anderen jüngeren Ita- lienern und Franzosen entgegen.) Insofern also könnten sich Tasquils Bilder einer zukunftswei- senden europäischen Stilentwicklung der Gegenwart einordnen. Ihre persönliche Note resultiert aus der spezifischen 'l'ünung ihres Sinngehaltes und aus der sehr suggestiven Wirkung, die hier erreicht wird, ohne die lapidare Gestaltqualität der Formen durch expressive Details zu gefährden. Ein in unseren Breiten nicht gerade häufiges, eher mittelmeerisch anmutendes Wissen um die Form spricht sieh hier aus: sie wird nicht als notwendi- ges Medium der Kunst nur eben hingenommen, sondern tritt mit dem pathcti. hen Anspruch auf, Gleichnis materieller und geisti- ger Grundkräfte zu sein. Und eben dadurch wird sie zum Becleutungsträger. Man könnte 26 3. Stock 2. Stock Erdgesehoß In vierfacher Abwandlung behandeln Herbert Tiasquils Wandbiltlct" ein formales - und existenzielles - Grundthema: die S innung zu hcn polaren Gebilden, die von einem ve mittelnden Zentralmotiv in Schutt-ht- gehalten wird. Wie im Großen, erfüllt sie auch im Detail und in der flitrhigkeit eine Fülle subtiler Kontras '. Kurven und G ade, differen- zierte und großz gig umrissene Flachen antworten einander ebenso wie einzelne komplementäre Farbenpaare. Die Einheitlichkeit der Far- benskala wird durch vorsichtiges Brechen der allzu lauten Töne mit Schwarz erreicht. Nie entsteht so jener schrille und lll'llli 'elle liffrkt, der unserem neonbeleuchteten, von Wcrbe- und Warnungsxicheim cr- fülltcn Lebensraum schon allenthalben eignet.