DER ERSTE DER HEILIGEN BERGE KÄRNTENS VON HEDWIG KENh Kärnten ist reich an Waldbergen, deren Gipfel eine weiß ins Land leuchtende kleine Kirche krönt. All diese Plätze sind richtige Heiligtümer in ihrer Stille, Unberührthcit und urtümlichcn Schlichtheit. Sie leben das Jahr hindurch ihr zeitloses Leben, wie der sie umgebende Wald, wie die Wiesen und Felder, nur an einem oder zwei Festtagen erwachen sie und werden Mittelpunkt der Umgebung mit Messen, Prozession, Blechmusik, Tanzboden und Verkaufsbuden. Der Kirtag sieht dann nicht viel anders aus als die lieste im Tal und doch sind seine Ursprünge ehrwürdigcr und mit altersgrauer 'l'raditi0n verwoben. Wenn am Dreinagel- freitag, dem zweiten Freitag nach Ostern, um 12 Uhr mitter- nachts mit einer Messe in der Kirche des Magdalensberges der volkstümliche Vierbergelauf eingeleitet wird, so pflanzt sich ein Brauch fort, der sicherlich vor 2000, vielleicht schon vor 3000 Jahren geübt wurde. Nach der Messe ziehen die Teilnehmer betend im Laufschritt den Berghang hinunter, über das Zollfcld, auf den Ulrichsberg hinauf und so mit kurzen Rasten in den Kir- chen zum Veitsberg und schließlich zum Lorenzenberg ober St. Veit. Hier, in St. Veit, endet die Wallfahrt nach I6 Stunden Lauf. In christlichem Gewand lebt so eine heidnische Fruchtbar- keitsbegehung weiter, denn es wird heute noch von den Teilneh- mern daran festgehalten, daß sie um der Ernte wegen mitziehen. Solange nur ein Mann den Lauf durchhalte, werde Kärnten Brot haben. Äußerlich unterscheidet sich der Magdalensberg kaum von den andern Kärntner Kirchbergen. Da ist, wie üblich, das kleine Kirchlein, ein spiitgotischcr Bau, ein kleines Mesnerhaus, das Wirtshaus, dessen Stadl und das Beinhaus, der Karner. In der Kirche überrascht freilich der reichgeschnitzte Altar aus dem Jahre 1502 mit seiner reizvollen Hauptfigur der heiligen Helena. Diese Heilige ist wie Magdalena Kirchenpatronin, der Grund der doppelten Schirmherrschaft bleibt unbekannt, wenn man nicht mit dem Volksmund den scherzhaftcn Ausweg annimmt, daß beide Heilige „Lenis" sind und daher zusammengehören. Im Schrifttum des 19. Jahrhunderts wird durchgehend die Bezeich- nung „Helenenberg" gebraucht. In der Kirche sind zahlreiche Quadern verbaut, die sich nach ihrer schönen Bearbeitung und ihrem Material, edlem Marmor, als römisch zu erkennen geben. Das wiirc für eine Kärntner Kir- che kcine Seltenheit, zahllos sind hier die in Kirchen vermauerten Römersteine, mit und ohne Relief, mit und ohne Insehriften. Einzigartig bleibt jedoch ein rohes Stcindenkmal vor der Kir- chent-üre, ein niedriges Becken mit drei plump gearbeiteten Köpv fen, dem eines Jünglings, einer Frau und eines Bärtigen, wohl eines Grcises. Vermutlich ist es ein Überbleibsel der vorrömi- sehen, einheimisch-keltischcn Kultur, ein alter Opfcrstein, ge- schmückt mit dem Dreikopf, dem Symbol einer keltischen All- macht-Gotthcit. Die Spitze des Berges muß einst im 2. Jhdt. v. Chr. ein keltisches Heiligtum getragen haben, zu dessen Inven- tar wohl auch der Dreikopfstein gehörte. Die Römer umbauten das Gipfelplateau mit läcfcstigungsmauern, deren Reste schon bei cincm seichten Anstich zutage treten. Was der Spaten des Aus- gräbers so ans Tageslicht hebt, sind vor allem römische Mauern, Steinbauten, die nach der Militärbesetzung unserer Gebiete durch die Römer 15 v. Chr. aufgeführt wurden. Das Ältere, Einheimi- sche, hauptsächlich Fachwerkhäuser, hat geringere Spuren bin- tcrlassen. Das Hauptergebnis der Grabungen, die, finanziert vom Lande Kärnten und wissenschaftlich betreut vom Österreichischen Ar- chäologischen Institut, seit 1948 jeden Sommer bisher durchge- führt wurden, ist die Erkenntnis, daß auf dem Magdalensberg die älteste Römcrstadt Österreichs liegt, deren Blüte etwa die Jahre 15 v. Chr. bis 41 n. Chr. umfaßt. Inschriftlich bezcug jener keltische Stamm, der den Berg besiedelte, der der Nc Diese Norici aber sind bedeutsam, da nach ihnen jenes St; gebilde benannt wurde, das die Römer 15 v. Chr. bei ihrem F zug in den Ostalpen vorfandcn, das Königreich Noricum. Regnum Noricum wiederum ist nach seiner territorialen Abg zung der unumstrittene Vorgänger unseres Österreich. Trotz der IOjiihrigen Ausgrabungstätigkeit ist erst ein kle Teil der Bergstadt freigelegt, die Arbeiten sind schwierig, da Berghang, der mit seinem Material die bergseitigen Bauten l servierte, erst stufenweise abgetragen werden mufl. Was zu kam, gibt Rätsel genug auf. Manches kann nach römischen P2 lclen einwandfrei erklärt werden, wie der von Hallen flanki Die spätgotischc Kirche auf dem Magdalensberg mit dem Karncr 2. Jahrhundert v. Chr. stand hier mit großer Wahrscheinlichkeit ein tisches Heiligtum. große Tempel, eine Basilika, der Ort des Handelsverkehrs und Rechtsprechung, ein Tribunal an ihrer westlichen Schmals d. h. das Podium, von dem aus der römische Statthalter sein R teramt ausübte, eine kleine Villa mit Hof, Badeanlage und Kü Aber vieles widersteht der Einordnung in bekannte römische l typen, so ein Gebäudekomplex mit einem eigenartig kon ziert verschlungenen Zugang, der im Hauptraum eine he Quelle birgt und Schauplatz von Kulthandlungen mit Y serbesprengungen einheimischer Art, aber auch Versammlu ort des norischen Landtages gewesen sein dürfte. Unrömiscl auch die stufenweise Anlage von Hfiusern den Hang hinauf entstehen so Schmalräume mit 'l'reppen- und Korridorzugät untereinander, die dem Beschauer von unten her den Eindi einer richtigcnBergstadt, einer Arx, geboten haben müssen. M würdigerwcise waren die Terrassenriiumc nicht als Wohnun sondern als Werkstätten zur Verarbeitung von Bronze, Eisen Stahl bestimmt. Zahllose Funde von Gußtievgeln, Gußfort Schmiedewerkzcugen, Schmelzöfen, unfertigen Arbeitsprodul lassen an dieser Verwendung keinen Zweifel. In die römische lage eines Hauptplatzes (Forums) mit dominiercndcm Ter war so geschickt der Versammlungsraum der einheimischen litik und die einheimische nationale Industrie einbezogen wor Denn die Norikcr waren berühmte Schmiede und ihre Schmi