1712 fand die Barockisierung der Stiftskirche im wesentlichen ihren Absehluß; der Hochaltar mit dem prächtigen Bild des Ma- lers Andreas Wolf von der Verklärung Christi war errichtet. Auf breiter Freitreppe sollte man zu ihm hinanstcigcn. Abt Ale- xander II. Strasser ließ im Raum des Presbyteriums eine kleine, unzugängliche Krypta ausheben, gerade groß genug, um die Deckplatte des Hochgrabes und die beiden Urnen aufnehmen zu können. In der Mitte des Hypogeums, das Antlitz gegen Osten gewendet, lag der Guntherstein, in den Seitennischen wurden die Behälter mit den ehrwürdigen Gebeinen beigesetzt. Das Ausse- hen der Deckplatte wurde in einer Zeichnung festgehalten. Von einer Nachschau, die in das jahr 1857 fällt, wissen wir weiter nichts. ' 1948 hob man abermals die 1000 kg schwere Marmorplatte, vorerst, um photographische Aufnahmen machen zu können. Bald rang man sich zu dem Entschluß durch, das Denkmal in dem seit dem 13. Iahrhundert unveränderten Läuthaus des Süd- turmes aufzustellen. P. Petrus Mayrhofer führte die nötigen Re- staurierungsarbeiten durch. Die Gebeine des Stiftergrabes und die Reliquien des seligen Wisinto ruhen weiterhin in der Gruft vor dem Hoehaltar. Mit der künstlerischen Beurteilung des Monumente-s, dessen Vor- handensein der wissenschaftlichen Welt nicht bekannt war, be- faßtc sich alsbald eine Reihe hervorragender Kunstkenner. Eine erste wichtige Erkenntnis brachte die Feststellung, die Platte sei aus der in Kremsmünster heimischen Weißen Nagelfluh ge- hauen, also an diesem Ort entstanden. Die Frage nach der Hei- mat des Künstlers, nach der stilistischen Zugehörigkeit des Wer- kes und nach der Zeit des Entstehens sucht Hofrat Dr. Karl Gar- zarolli-Thurnlackh in dem Beitrag zu beantworten, den dieser i v angesehene Klosterschüler von Kremsmünster 1949 für die Fest- schrift der Altkremsmünstercr zum +00 jährigen Bestand des Stiftsgymnasiums (S. 37-52) schrieb. Er gibt von dem hoch pla- stisch gearbeiteten (Kopfhöhe Gunthers 36 cm) Kunstwerk fal- gende Beschreibung: „Auf der glatten Platte ruht mit einem Pol- sler unter dem loekigen Haupt der tote Gunther; er ist mit einem bis auf die Knöchel herabreichenden Unterkleid mit engen Ärmeln und einem ebenso langen Leibrock mit weiten, kürzeren Ärmeln bekleidet, der am Halse mit vier Knöpfen verschlossen, um die Mitte mit einem Riemen gegürtet und im weiten, röhrig gefalteten Unterteile vorne geschlitzt ist; an seine spitzen Schuhe sind Sporenriemen geschnallt. Während nun der rechte Arm des Toten dem abgebrochenen Speere aufliegt, den die Hand um- greift, liegt die Linke auf dem mit einem Lederriemen über der Brust und dem Rücken befestigten Hifthorn. In der Armbeuge ruht der Griff des langen, den Röhrenfalten des Leibroekes an- liegenden Schwertes in Scheide, dessen schweres Gehäng unter dem Hifthorn verläuft. Zur rechten Fußseite des Toten, neben dem abgebrochenen Speer und dessen Spitze im Blatt, ist der aus kompositionellen Gründen verkleinerte, verendete Eber, als Sup- pedaneum die treue Dachsbraeke angeordnet, wie sie den Keiler am rechten Hintcrlauf wegzuzerren sucht. Als besondere Überraschung kann die wohlerhaltene Polychro- mierung des Hochreliefs gelten. Erweisen sich alle Fleischpartien (Gesicht, Hals und Hände) lichtfleischfarbig bemalt, so treten dem beherrschenden Zinnoberrot des Leihrockes mit schwarzem Futter ein lichtes Spangrün des Unterkleides und Polsters, dann kräftiger Ocker im Haar, im gesamten Lederzeug, in der Lanze und im Sehwertknauf, sowie als ausgesprochenes Gegengewicht das tiefe Schwarz der Schuhe, des Hifthorns, von Schwertgriff und Scheide, des breiten Schwertgehiinges und der Knöpfe des Leibrockes entgegen. Spielt bei der Gunthergeslalt also die Gc- gensätzlichkeit von Zinnoberrot und Schwarz neben konsonanten Farben, wie Spangrün und Ocker, die entscheidende Rolle, so ist in den beiden Tieren die farbige Distanzierung eine weitaus grö- ßere: dem Schwarz des (bösen) Wildebers ist das Weiß des (ge- treuen) Dachsbrackenrüden gegenübergestellt. Die weißen Ge- Blick auf das Gunthergrab mit Hund und Eber. 11