Wenn Philip der Karläiuser fortfuhr in seiner Beschreibung: „mit dryn neten (Nadeln?) uff die hanl hat sie gemacht das gewant", so ist es möglich, daß er damit das Stricken schildern wollte, eine verhältnismäßig junge Technik, die wahrscheinlich durch die Araber nach Europa gebracht wurde. Hinweise auf diese Technik finden sich vom 15. jh. an öfter, so im Paradicsgärtlein vom Clusener Johannes (1410) „Maria de hadde eme knuttet. . (knütten : ndtsch. stricken), im Spcygel der dogede (Spiegel der Tugend, Lübeck 1485) „se hebben umme den knutteden rock gelottet", in der Passio Christi, Anlg, 16. jh. „do se quemcn to synen underrock to delende, welck cm syn moder gcbreidet had- dc" (brygdan, breidan, breden:slriekcn) und „Christi rock dedc breydet was unde nyt gencyct . . f" Durchau; ohne Parallele steht im Zusammenhang dieser Be- trachtung ein Bild von Meister Bcrtram von Minden da: Der „Be- such der Engel" aus dem Buxtehuder Marienaltar (um 1390). Es zeigt Maria beim Stricken des Rockes Christi. Sie verwendet also eine im Verhältnis damals „moderne" Technik, während Veit Stoß sie (100 Jahre später) eine wesentlich ältere Handfertigkeit ausüben ließ. Bei der Anfertigung des ungenähten Roekes hat sie die Vision des Leidens ihres Sohnes, das in Gestalt zweier Engel mit Kreuz, Dornenkrone, Speer und Nägeln vor ihr inneres Auge tritt. Nach Aff Ugglasß (und anderen) hat Meister Bertram sich mit dem Inhalt dieses Bildes, der Vision, an die Offenbarun- gen der Heiligen Birgitta von Schweden (Buch 7 Kap. 8) ange- lehnt. Meister Bertrams Pilgerfahrt nach Rom fiel genau in die Zeit der Kanonisation der H]. Birgitta, und Birgittinnen-Klöster wurden damals im europäischen Norden häufig gegründet. Es ist nichts wahrscheinlicher, als daß Meister Bertram den Inhalt der Birgitten-Offenbarungen in Korn oder in Norddeutschland ken- nengelernt und das Thema. der Vision daraus seinem Bild zu- grunde legte. Das Thema der Mutter Gottes mit Handarbeiten hatte vor Mei- ster Bertram und hat noch nach ihm manchen Künstler ange- regt. Attribute ihres häuslichen Fleißes finden sich u. a. ebenso auf einem Teil der Türflügel zu St. Zeno in Verona, wie bei Petrus Christus, bei Caroto oder in Dürers Marienleben, wie auch in Martino Piazzas „Vision der Maria". Ziehen wir in Betracht, daß es aller Wahrscheinlichkeit nach die Araber waren, die mit dem starken Intellekteinsehlag ihres Den- kens unter all den vielen hohen Künsten der Wissenschaft auch etwas heute so Alltägliches wie die Fertigkeit des Strickens mit- brachten, dann mag es umso bedeutungsvollcr anmuten, daß Meister Bertram seiner Maria eine solche Arbeit in die Hände gab. Das Stricken, so selbsverständlich und einfach es uns heute erscheint ist eine Technik, deren Erlernen einen ganz bestimm- ten Einschlag des Intellekts erfordert, ohne den sich niemand ihrer bedienen kann. Ihre Wirkung auf die Ausbildung des Intel- lekts ist bekannt. Keine andere Technik ist so ausgeklügelt, daß man das ganze Werk spielend wieder aufzulösen vermag, keine ist so Sinnbild für das Kollektiv, keine andere setzt so das persönliche „Begreifen" voraus. Das Mittelalter sah im Stricken „heidnisch werk" und schrieb seine Erfindung dem Teufel und seiner Überklugheit zui. Mei- ster Bertram hat vielleicht zufällig gerade dieses Handwerk ab- gebildet; aber es mag dennoch bedeutsam erscheinen, daß Maria in dem Augenblick, als sie selbst ein Machwerk beendet, zu dem des Teufels Übergcscheithcit als notwendig erachtet wurde, die Vision des Opfertodes ihres Sohnes vor dem inneren Auge cr- steht, auf die ihres Kindes wacher, Wissender Blick gerichtet ist. ' M! Ugglas, c. u. In Fürllwinncn, m0 und 193-1" Madunnan m" sykurgen ach den hellgn Blrghta". 7 „De: teulels Sßgl" (cod, 1m, (MPHiHgEll-WIIÜOPSIGHI). u" Teufel lragl den Einsiedler: „macht mm kluges geslndluchs 11mm (Wollt u" kluge Mlgde haben!) a a" Fclnll u) antwortet: u und slch am gern 1mm ulschuoch gllnuzcll . . 1' n kluuges gsiml, .. klltel muchcn den lüten luuml 3,1m- auch zur: disen suchn, Kulmr Schule. D10 Hwllgc Junglrzxu m11 zlru (icflihrlxnxr1cr1. läuhlcr Prnunhgwixz