DER SCHATZ DES DEUTSCHEN RITTERORDENS von HERMANN FlLLlTZ Vor kurzem wurde der Schatz des Deutschen Rittcrordens dem Publikum zum ersten Male zur Besichtigung freigegeben. Bisher war diese Sammlung verschiedener Kostbarkeiten der Öffent- lichkeit unzugänglich gewesen, wie es seit dem Mittelalter eigent- lich allgemein Brauch war. Man könnte beinahe sagen, daß zum Begriff des "c zcs das Geheimnisvolle dazugehört, so daß Phantasie, Mar icn und Sage ihn umweben und ausgestalten können. Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung begann schritt- weise dic Eröffnung der großen Sammlungen für ein weites Publikum. Dieser Schritt hängt mit einer neuen Einstellung zu den Kunstwerken zusammen. Dcr persönliche Geschmack, das eigene Verhältnis, die Begegnung des Einzelnen mit dem Kunst- werk und seine Wahl traten stärker zurück. Immer bestimmen- der schoben sich die wissenschaftlichen Interessen in den Vor- dergrund. Von diesem Gesichtspunkt aus begannen nun die Mu- seen eine neue llunktion als Quelle der Erkenntnis für die Ge- meinschaft auszuüben. Die zahlreichen Gründungen des 19. Jahr- hunderts können und wollen von hier aus verstanden werden. So stark war dieses neue Streben, daß auch die alten Privatsamm- lungea vom Strom der Zeit mitgerissen wurden und sich mehr oder weniger stark den neuen mus alcn Intentionen anpassen mußten. S0 wurde aus den jahrhundertealten gewachsenen Kunstsammlungen der Habsburgcr das Wiener Kunsthistorische Museum. Heute erkennen wir immer stärker den Wert der alten Sammlungen in ihrer Gewachscnheit als kulturhistorische Ein- hcit und gewinnen aus einem neuen Verhältnis zur organischen Entwicklung der Geschichte neuerdings Freude an den Zufäl- ligkeiten solch einer gewordenen Sammlung. Der Schatz des Deutschen Ordens ist eine solche. Ihm haftet nicht das Gesetzmiiläige eines zwingenden Willens an. Es ist sein Reiz, wie sehr hier einzelne, kunstfrcudige Persönlichkeiten na- mentlich unter den llochmeistern besonders hervortreten, ja es eigentlich einige wenige waren, denen der Schatz sein Gesicht verdankt. Mit dem Namen des Deutschen Ritterordens verbindet sich die Vorstellung der gewaltigen mittelalterlichen Missionsarbeit und Kolonisationsarbeit im Osten, die im Deutsch-Ordcnsland sicht- baren Ausdruck und politisch höchst bedeutsame Auswirkung fand. Allerdings nahm die Entwicklung alsbald eine neue Rich- tung, als 1525 dieses Reich säkularisiert wurde und der Hoch- meister Albrecht von Brandenburg das Kernland als Herzogtum Preußen zu Lehen erhielt. Der Deutschmeister, der in Mergent- heim residierte, verwaltete seither auf Grund einer kaiserlichen Verfügung des jahres 1527 als „Administrator des Hochmeistcr- amtcs in Preußen, Meister teutschen Ordens in teutschen und wlilschen Landen" das Hochmcisteramt weiter. Erst 1834 wurde de: Titel des Administrators in den eines „Hoch- und Deutsch- mcisters" umgewandelt zu einer Zeit, als bereits Wien Residenz des Ordens geworden war. Die Übersiedlung aus Mergentheim war notwendig geworden, als 1808 unter dem Druck Napoleons der Deutsche Ritterorden in den deutschen Staaten verboten worden war. Dieses politische Geschehen spiegelt sich auch im Schatz, wie solch eine Sammlung ja immer mit dem Schicksal ihres Be- sitzers engstens verbunden war. Es erklärt sieh daraus nament- lich, dal's nur wenige mittelalterliche Objekte hier zu finden sind. Denn mit dem Abfall Albrechts von Brandenburg und der Um- wandlung des Deutsch-Ordenslandes in ein weltliches Herzog- tum ging auch der ganze alte Schatz für den Orden verloren. Die wenigen mittelalterlichen Objekte, die sich heute noch hier finden, gehen nicht auf diesen alten Schatz zurück, sondern kamen auf anderem, noch nicht ganz geklärtem Wege in die heutige Sammlung. Der Stifter der mittelalterlichen Bergkristall- scheuer etwa war wahrscheinlich Erzherzog Maximilian IlI.. Bruder des kunstsinnigcn Kaisers Rudolph ll. und Hochmeister des Deutschen Ritterordcns, als solcher Maximilian I. Der er- gänzte Erzherzogshut als Bekrönung d -s Gefäßes legt den Schluß nahe; denn eben Erzherzog Maximilian war es, dem die Stiftung des österreichischen Erzherzogshutes zu verdanken ist. Er wird im Stifte Klosterneuburg verwahrt. Die Ähnlichkeit des Insignes mit dem kleinen Abbild auf der Scheuer ist so groß, daß an irgendeinen näheren Zusammenhang zu denken ist. Prunkpokttl mit reichster figuralet" und ornamentalcr 'l'reibarb t. Die szenischen Darstellungen zeigen die SiegcKaiserKarls V. Derartige Prunkgefiiße entwickelten sich aus alten Gebrauchsformen, die durch immer rei- cheren Schmuck im Laufe der Zeit zu repräsentativen Dekorationsstückcn wurden. Es ist eine süddeutsche (.7) Arbeit aus dem Jahre 1536. 10