METALLMASKEN IN MITTELEUROPA Von LEOPOLD SCHMIDT Perchtenmaskc, aus Eisenblech getrieben, Salzburg, 18. Jahrhundert. (Städtisches Mu- seum Camlino Augusteum, Salzburg). Metallmasken: Das Wort erweckt im Kenner des Gebietes je nach seiner archäologischen oder ethnographischen Einstellung verschiedene Vorstellungen. Er denkt entweder an chinesische Bronzemaskcn, oder an Mumienmaskcn aus Altägypten, even- tuell auch an Goldmasken aus Mexiko oder Peru. ' In den mei- sten Fällen ist mit der Vorstellung der starren glänzenden Me- lallmaskc der Gedanke an die Bedeckung von Totengesichtern verbunden. In dieser Funktion sind Metallmasken ja aus dem vorgeschichtlichen Europa am besten bekannt, vor allem aus My- kene. Die aus Goldblech getriebenen Masken in den Gräbern von Mykene lagen auch auf den Gesichtern der Toten. jüngere Nach- fahren dieser mykenischen Totenmasken aus Metall haben sich weit nördlicher am Balkan gefunden, in Trebenischte am Och- ridasee. Den teuren Goldmaskcn der hohen Würdenträger der Bronzezeit im Umkreis der Ägiiis entspricht in unserer Hallstatt- kultur ein bescheidenerer, aber nicht minder wichtiger Fund: Die bronzene Totenmaskc aus dem liürstengrab von Klein-Glein in der Steiermarkß Da geht also ein langer Weg, geographisch, zeitlich und geistig, von einem dieser Fundorte zum anderen, und wir wissen nicht immer, 0b wir alle Stationen dieses Totenmaskenweges schon kennen. Nachlebendes mykenischcs Brauchtum mag bei den 1 Richard Andree, Ethnugraplllrwhe Parallelen und Vergleiche. Bd. tt, Lelp- zlg 1589, S. 125 u. ö. 2 Rlchnrtl Vllllunl. Urgeschichte des Österreichischen Raumes. Wien 1934. S. 620 u. ü. 3 Josef Krim und Hans Klumhueh, Der römische Sehulzlund von Slrnublng. München 1951. Thrakern im nördlichen Balkan stagniert haben. Von dcncn ist es wieder den illyrischen llallstatlleutcn in den Ostalpen weite)" gegeben worden. Bei diesen wird cs mit dem einen Fund von Klein-Glein einmal greifbar, also für das 7. Jahrhundert etwa nachweisbar, um dann wieder völlig zu verschwinden. Bei den kaukasischen und pontischen Vettern unserer Hallstattlcutc scheint es ähnlich gewesen zu sein. Auch in den (iräbern von Kertsch und von Olbia haben sich metallene Totenmaskcn ge- funden. Dem ganzen Habitus dieser btzsporanischett Kultur ent- sprechend handelt es sich wieder um reiche, um goldene Masken, und sie lassen sich bis ins 3. jahrhundert nachweisen. Diese Me- tallmasken der frühen Eisenzeit am Schwarzen Meer, am Bal- kan und in den Ostalpen gehören an sich auch noch dem To- tenbrauchtum an, lassen aber die Frage laut werden: Haben diese brauch- und spiclfreudigcn Skythen, Thrrtker und Illyrcr nur Totenmasken gekannt, oder waren ihnen auch Masken des Spie- les der Lebenden vertraut? Führt von den Metallmasken der Tu- ten ein Weg zu solchen der Lebenden, vielleicht sogar zu deren Metallmasken? Da ist nun die Frage am Platz, ob Es einen weiterführenden Fa- den aus dieser Welt der ersten Eisenzeit in die Blütezeit der an- tiken Maske gibt, inwicweit die Mctitllmaske im klassischen Al- tertum selbst eine Rolle gespielt hat. Lfnd es ergibt sich dabei die Mcrkwürdigkeit, daß für diese Epoche die Nachrichten über me- tallene Totcnmasken dürftig werden, wogegen eine besondere Gruppe der Metallmaskcn der Lebenden deutlich hervortritt. Metallenc Totenmasken der Antike haben sich vor allem im rö- mischen Gallien gefunden. In den Gräbern von Neuvy-Pailloux sind bronzene Gesichtsmasken entdeckt worden, ein fragmen- tiertes Stück aus reinem Kupfer wurde mit einer steinernen Aschenurne zusammen in Luxemburg gefunden. Aus der rö- mischen Kaiserzeit stammt eine getriebene und zisclicrte Nliske aus dünnem Silber, einst in Notre l)amc-d'Alencon bei BFUNIC gefunden, heute im Louvre verwahrt. Dic Gruppe dieser römisch- gallisehen Metallmasken reicht bis an den Rhein: In Köln wurde eine eiserne, mit Bronze platticrtc Totenmaske ausgegra- ben. Die römcrzeitlichen Schauspielmasken, die wir gerade auch aus Köln kennen, sind dagegen aus Ton. Metallmaskcn der Le- benden wurden in der Kaiserzeit nicht auf dem Theater, son- dern in der Reitbahn getragen. Nach und nach stellt sich heraus. daß es entlang des Limes eine ganze Reihe von liundstiittcn gibt, an denen getriebene Bronzevisicrc zutage gefördert wurden, die man als Helmmasken bei Rciterspiclcn dcr römischen Kavallerie anspricht. Der schönste liund wurde erst vor wenigen jahren bei Straubing in Niederbayern gemacht." Dort fanden sich sieben aus Bronze getriebene, einstmals vergoldete Visiere, von denen vier das typisch apollinische Antlitz dcr Mittelmecrmenschen aufweisen, und drei dagegen ein östlich gestaltetes, das man wohl am ehesten als parthisch bezeichnen mag. Es waren also die Mas- ken zweier sich bekampfender Parteien. Diese toreutischcn Ar- beiten sind herrlichstes antikes Kunsthandwerk. Über ihrer ho- hen Qualität. darf man nicht die Frage mich dem Zweck dieser Masken vergessen, ebenso nicht die Frage nach der zeitlichen Ansetzung. f Warum es solche Reitcrturnicrmtlsken erst seit dem l. nachcbristlichen Jahrhundert gibt, laßt sich maskcnkundlieh offenbar noch nicht entscheiden. Die Parthcrgesichter des St au- binger liundcs k"nnten darauf hindeuten, daß die Spiele wie die dabei verwendeten Masken erst seit der intensiven Bcrührting f Otto llenntltirl. Knllltr Uesielitshelme und St-pttlkrnltrtttskcn ("Druksrlirlflrn der k. Akntletllle der Wisseusehuftett. Pltll, lllst. KL, Iltl. XXYlIl. 75H. UHU). 7 Harald von Pt-trlkotlls. Tmlarltt untl (irrantrsttiltz (Festschrift für Hutloll llgger, Bd. l, Klagenfurt 1952, S. 126 IL}. 30