FARBIGE INNENRÄUME IN NIEDERÖSTERREICH Von RUPERT FEUCF TMU] LER Bci einer Charakterisierung der Kunstwerke des 18. Jahrhunderts vermeidet man es im allgemeinen, von einem österreichischen Rokoko zu sprechen. Dias hat seinen Grund auch darin, diß den Architekturen Fischers von Brlach und Lukas von Hildebmndts eine gewisse klassische Größe arihaftet, die in der klaren Ver- einfachung des Spfitwerkes besonders zum Ausdruck kommt. Da- mit war eine iolgcrichtige Übcrleitung zum Klassizismus gege- ben und dem überschäumenden Ornament des Rokoko die Vor- aussetzung entzogen. Der Kunstkreis am Hofe Maria Thcrcsias, der unter dem Einiluß französischer Vorbilder steht, bildet eigentlich eine Ausnahme, du er wenig Kontakt mit der lebendi- bild seines Lehrmeisters ein ebenbürtiges Werk zur Seite ge- stellt: den barocken Stiftsbau von Altenburg bei Horn (1730 bis 1733). Die im Sinne der Entwicklung auf wesentliche Elemente vereinfachte Architektur wird nun durch die Farbe bestimmt und nicht nur - wie in Melk - durch das Kolorit in der Wirkung unterstützt. Sedlmayer hat sehr treffend von einer Immateriali- sicrung der konstruktiven Elemente gesprochen und an Stelle von gefärbten Säulen in Altenhurg von „Farbsäulen" gespro- chen. Der mit Stuckolustrovcrkleidung arbeitende Künstler konnte völlig frei schaffen. Über blauen Säulen erhebt sich ein rosa Gebälk, harmoniert mit feinen Lilatönungen der Gesimse Stift Altenburg. Stiftskirche, westlicher des Kuppclfreskos von Paul Trogcr. Teil gen Tradition des Donauraumes hat. Dennoch bringt die Mitte des 18. Jahrhunderts kein Absinken der Leistung. Erst in jüng- ster Zeit konnte mehrfach darauf Aufmerksam gemacht wer- den, daß sich dem süddeutschen Rokoko sehr beachtliche künstle- rische Lcistungen zur Seite stellen lassen; darunter die spiitba- roeken Farbräume des niedcrüsterreichischen Donauraumes. Die Anfänge ihrer Entwicklung gehen auf das frühe 18. jahr- hundert zurück. Während Fischer von Erlach, Hildebrandt und Felie-e d'Allio di-e Raumwirkung meist durch die architekto- nische Anordnung bestimmten und der spärlich verwendeten Farbigkeit eine untergeordnete Rolle zuwiesen, bot die malerische und oft dekorativ verwendete Gliederung Jakob Prnndtaucrs den Ausgangspunkt einer neuen künstlerischen Auffassung. Prand- taucrs stark profilierte Pilastcr, Gesimse und Gurtbögen kamen einer farbigen Bemalung im Sinne des italienischen Barock ent- gegen. Pozzos jesuitenkirche in Wien wies den Weg, den An- tonio Beduzzi in Melk entscheidend bceinflußt hat. Rottmayrs Fresken in dieser Stiftskirche sind allerdings noch in ein Farb- system eingebunden, das in seinem kraftvollen theatralischen Pathos hoehbarockes Gepräge hat. Braun- und Goldtöne geben die Basis für die aufstrebende Scheinarehitektur, über der wir die visionären Freskengemälde erblicken. Dieses feierliche Ge- snmtkunstwerk der Melker Stiftskirche mul} man sich kurz ver- gegenwärtigen, um die neue Auffassung der künftigen Ent- wicklung ermessen zu können. Josef Munggenast, der Neffe Prandtauers, hat dem großen Vor- und wird von schwarzen Ornamenten effektvoll kontrastiert. Zarte vergoldete Stuckornamente unterstreichen ebenso wie die weißen Plastiken die malerische Auffassung. Die Farbe bringt nicht nur eine dekorative Auflösung oder einen barocken Akkord: sie hat dynamische Wirkung. Das Kolorit gestaltet die Raumkomposition der Bibliothek (1742), die man mit Recht cin fiarbwunder genannt hat; es gibt auch der Stiftskirche den wir- kungsvollen Rahmen zu dem gewaltigen Kuppelfresko Paul Trogers. Altenburg mit seinen herrlichen Kaiserzimmern, die unsere Kenntnisse über den barocken Farbraum um viele kostbare De- tails bereichern, bringt einen Höhepunkt spätbarocker Gesinnung. Er ist unabhängig von fremden Vorbildern und beweist die künstlerische Eigenständigkeit des Donauraumes. In Altenburg sind Architektur und Farbe gleichsam identisch; die zweite, spä- tere Entwicklungsphase, ist dagegen durch die bemalte Archi- tektur charakterisiert. Wieder gibt das Werk Przindtauers - die Kirchen in St. Pölten und Sonntagsberg - den Ausgangspunkt. Nun wird die Architektur durch den Schmuck der italienischen Architekturmaler Antonio Tztssi und Domenico Francia bestimmt. Sie stehen im Dienste Daniel Grans und folgen sicherlich auch seinen Intentionen. Ihre Farb- und Ornamentgestaltung hängt mit der neuen Auffassung des Freskos innerlich zusammen. Da- niel Gran geht es nicht um das illusionistische Pathos eines Rott- mnyr, aber auch nicht um die dramatische Kraft, die von den Figurengruppen Trogers ausstrahlt. Er gestaltet seine Decken-