Es scheint tatsächlich so, daß überall dort, wo wir dem Wieneri- schen im besten Sinne des Wortes begegnen, der Musik eine ent- scheidende Rolle zukommt. Das gilt auch für das Haus am Ncucn Markt Nr. 15. - Zu- nächst einmal kennt man es freilich als die Heimstatt vorbild- lichstcn Wiener Handwerks. Sind doch Geschäft und Werkstätten der Firma A. E. Köchert wegen ihres erlesenen Schmuckcs den Wienerinnen und vielen Frauen weit über Österreichs Grenzen hinaus ein Begriff. Wer sich aber eingehender mit der Chronik dieses schönen Alt- Wiener Hauses befaßt, - dessen reizvolle Fassade jedem Kunst- freund helle Freude macht, - der wird zu seinem Erstaunen feststellen, daß viele Bewohner dieses Hauses die eigentliche Er- füllung ihres Lebens nicht so sehr in der Beschäftigung mit ihrem edlen Kunsthandwerk, als vielmehr in einer intensiven Pflege der Musik fanden. Und das ist doch so Wienerisch, wie es echter gar nicht sein könnte. Die Geschichte fangt freilich mit einem Vollblutmusikcr m. josef Mayseder (1789-1863) wohnte in diesem Haus. Der Kom- Der neue Wohnungscingang fügt sich harmonisch der alten Wendeltreppe ein, die noch ganz im Zei- chcn des ausgehenden Mittelalters steht. Eine Tafel im Hausflur trägt das Datum 1548. Spindel und Stufen sind aus St. Margarethener Stein gehauen. Das Köchcrt-llaus am Neuen Markt bietet ein charakteri- stisches Beispiel dafür, wie die Fassade eines alten Bürger- hauses während der 2. lliilfte 18. jh. in eleganten, palast- ähnlichen Formen umgestaltet wurde, die der repräsentati- ven Umgebung und der Lage in derlnnenstadt entsprachen. ponist und Geigcnvirtuose war vor allem für die Wiener Haus- musik von Bedeutung, da er bei zahlreichen, regelmäßig in Wie- ner Privathituscrn veranstalteten Strcichquartetten ständiger Gast war. Um 1800 hatte sich Jakob Heinrich Köehert aus Riga kommend in Wien niedergelassen. Er lernte hier den „blessierten" franzö- sischen Major Emanuel Piote kennen und gründete mit ihm zu- sammen ein Juweliergeschäft, das sich damals im Erdgcschoß des heutigen Palais Pallavicini befand. Sein Sohn Alexander Ema- nuel war nicht nur ein begabter Schüler Mayseders, sondern wurde auch dessen Schwiegersohn. Im Hause seiner Tochter K1- roline Köchert in Döbling musizierte Mayscder am liebsten; und je älter er wurde, desto ausschließlicher spielte er im Streich- quartett seines Schwicgersohnes. Seitdem ist die Pflege der Musik zusammen mit dem schönen alten Haus am Neuen Markt in der Familie Köchert erblich ge- worden. - Theodor, der Sohn des vorigen, war mit Hugo Wolf freundschaftlich verbunden und hat als Mitbegründer und erster Präsident der Wiener Konzerthausgesellschaft eine Rolle im Mu- sikleben unserer StadtgespielLDesst-n Sohn Erich war aber außer mit Josef Matthias Hauer, dem Schöpfer der Zwölftonmusik, auch mit Richard Billinger und Prof. Erwin Lang befreundet, 23