DER SIEG DES „BILDES AN SICH" ZUR NEUAUFSTELLUNG DES ZWEITEN TEILS DER GEMÄLDEGALERIE DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS - VLAMIEN, PIOLLÄNDER, DEUTSCHE, FRANZOSEN Im 15. und 16. jahrhundert gehörten Kunstwerke in einer fürstlichen Sammlung zum Inventar eines Wunden, Raritäten- und Reliquienktibi- netts. Im 18. Jahrhundert dienten die Gemälde zur Gesamtausstattung barocker Innenräume; ihr materieller und ideeller Wert erhöhte die „auctoritas" des Besitzers. Im 19. Jahrhundert verloren ungezählte Kunstwerke, darunter auch die der oberwähnten Kategorien, ihre gei- stige und materielle Heimat; nicht nur die Auswirkungen der techni- schen Revolution mit ihren gegenständlichen Folgen trugen Schuld daran, auch die neue Wissenschaft vom Kunstwerk drängte zur Ver- einzelung, zur lsolicrung, zur Lösung aus jeglicher Bindung. Unge- zählte Arbeiten, die im Rahmen der sakralen oder imperialen Sphäre ein sinnvolles, auf sublimster Ebene „zweckgebundenes" Dasein führten, wurden schlagartig zum Substrat historischer Forschungen oder ästheti- scher Spekulationen. So entstand das Museum, wie wir es heute kennen. Aber noch war, besonders in jenen Ländern, in denen die historisch- politiseh-staatsrechtliehc Kontinuität nicht der Zerstörung anheimfiel, das gleichsam instinktive Wissen um Rang und Würde des Kunstwerks nicht verlorengegangcn. In diesem Sinn schuf man Museen als „Pa- läste für Bilder", genau wie noch weit über das Ende des jahrhunderts hinaus beispielsweise Bahnhöfe in einem sehr viel sehieferen Sinn als „Paläste für Lokomotiven" errichtet vmrden. Auch das Kunsthistorischc Museum in Wien ist in seiner Art und architektonischen Anordnung nur aus rein imperialem Denken zu verstehen, seine Bestände blieben ja bis 1918 eben „Sammlungen des Allerhöchsten Kaiscrhauses", ehrwür- diger Besitz einer ehrwürdigen Fürstenfamilic mit jahrhundertealtcr Tradition. - Das neue demokratische Zeitalter zerschnitt letzte Bindungen, zerstörte die ohnehin schon geschwächten Zusammenhänge mit dem Gestern. Nunmehr hörte auch das Museum, seines imperialen Hintergrundes beraubt, völlig auf, eine „zweite Heimat" für letztlich zweck- und ortscntfremdete Kunstwerke zu sein. Im harten jargon der Mitte unseres Jahrhunderts ausgedrückt: Das Museum wurde zum collecting point for D. P.'s - zur Sammelstelle für displaeed paintings, heimatlose Bil- der. Immer stärker wurden sich die Leiter der Sammlungen des ersatz- haficn Charakters ihrer noch aus impcrialem Geist heraus errichteten Institutionen bewußt, immer drängender wurde das Bestreben, sich auch in Aufstellung und Gliederung der Sammlungen zu dem zu bekennen, was sie eben sind. Der letzte „höhere Zweck", der dem Museum heute noch geblieben ist, liegt auf der Ebene des Wissenschaftlich-Didakti- sehen. jedes verantwortungsvoll geführte Museum ist heute Lehrsamm- lung; der Schau-Lust der Besucher dient es nur nebenbei, will es nicht zum ästhetischen Panoptikum herabsinken. Eine solche Einstellung bedingt zunächst einen radikalen Verzicht auf das dekorative Element; eine moderne Sammlung ist also das absolute Gegenteil von dem, was einstmals die Stallburg-Aufstellung der kai- serlichen Sammlung bedeutete. Während noch vor ganz wenigen Jahr- zehnten sozusagen im Naehhang zu einer absterbenden Tradition Ge- mälde nach Gesichtspunkten von Format- und Motivgleichheit und unter Berücksichtigung architektonisch gegebener Symmetrieachsen mit Vorliebe sogar mehrstöckig gehängt wurden, verzichtet man heute um der Richtigkeit der historischen Zusammenhänge und Abläufe wil- len auf jegliches Eingehen auf die räumlichen Gegebenheiten, ja man ist sogar bewußt raumfeindlich, es sei denn, es trate der Idealfall ein, daß ein Musealbau lediglich und ausschließlich nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten errichtet werden kann (z. B. Wallraf-Richartz-Museum in Köln). Ncuaufslcllxlng des Ilierony- (lornchsz im Museum schcn Dur- 39