Qunnro Su, dama, Turin. ler dem starren Blatt Anmut und sprühendes Leben ein- haucht, ohne dabei den französischen Grundeharakter der Anlage auszulöschen. Bcrains Blätter waren aber nicht nur für den Plafond Quelle und Vorlage, sondern auch für den Stuck der lie sterleibungen. Diese unter sich gleichen, hoehrecht- eckigen Felderfüllungen gliedern sich in zwei Stock- werke: auf dem Unterteil aus reichem Bandlwerk steht steht eine von Rosenzweigen umrankte Laube, die in ihrem lield gemalte mythologische Figuren umschließt. Für den unteren Teil mußte die mittlere Bahn des Berain- stiches Weigert Nr. 64 herhalten. Abgesehen von der Streckung der Proportionen wurden lediglich die gro- tesken Drachen am unteren Motiv weggelassen. Als Vor- bild zur Laube obn diente der obere Teil der linken Bahn des Berainstiches Weigert Nr. 79. Der Künstler hat es vermoeht, hier aus beiden Teilen ein einheitliches Drittes zu schaffen. Die Benutzung Berainscber Vorlagen auf italienischem Boden hätte man am wenigsten bei Stukkaturen erwartet, denn eben dieses bodenständige und eigenwillige Hand- werk gehörte seit jeher zu den stärksten Hilfskräften der Dekorationskunst auf der Halbinsel, ganz abgesehen d'a- von, daß sich Berain mit seinen Plafondentwürfen eigent- lich an Maler gewandt hatte. Tatsächlich läßt sich in Turin auch ein Beispiel dekorativer Malerei nach Berain nachweisen. Unter den zahlreichen, üppig ornamentierten Räumen des Palazzo Reale Zeichnet sich das wohl kleinste Ge- mach dureh besonders kostbaren Schmuck aus. Hierbei handelt es sich um den Gebetsraum des Königs Karl Albert (1831-1849), und nicht um dessen Vorraum, der ebenfalls verschwenderisch verkleidet ist4. Die Wände unserer Zelle bedeckt Intarsiaarbeit von Luigi Prinotto vom Jahre 1732. Die Decke trägt Malereien: „Nel pic- eolo soffitto sono dipinti a colori sopra oro e contornati da rabesehi i diverse stromenti della Passione die Nostro Signor (lesu Cristo" (Rovere S. 132). Der quadratische (Jrundriil erlaubt eine gleichmäßige Komposition. Wie- derum wurde der Berainstieh Weigert Nr. 69 herangezo- gen: das Eekmotiv kam in die Ecken, die Längsseiten- mitte in die Seitenmitten. Das Eckmotiv hat der Künstler lediglich vereinfacht, jedoch bei den Seitenmitten griff er unbekümmert in den Bandlwerkorganismus Berains ein, indem er dessen luftiges Gewebe in eine Kartusche verwandelte. Seine eigene Erfindung scheint das Mittel- motiv zu sein. Von der klaren Teilung zwischen Orna- ment und freien Flächen bei Berain blieb nichts mehr übrig. Eek- und Seitenmotive werden zu engsten Näch- barn, sie sind außerdem mit dem Mittelmotiv durch Kränze und ornamentale Festons so verbunden, daß fürs Ornamcntstiche von Jean Beraine d. Ä. (Weigert, Nr. 64 und 79). Beide Stiche dienten zum Teil Vorbilder für die Stuckornamente der Fensterleibungen in der Sala dclle Quattro Stagioni. als Auge der Eindruck eines Gespinstes entsteht. Das flimmernde Linienspiel wird durch die feine Farbigkeit noch unterstrichen. Die Ornamenlik hebt sich vom weißen Grund gut ab. Das Bandl- werk ist hellblau getönt, Vasen, Musikinstrumente, Glöckchen. Gitterfelder, Baldachine und der „Kartuschen"-Grund der Pul- ten mit den Leidenswerkzeugen sind golden, Schleifen, Kränze und das Laub in den Vasen hellgrün. Punen und Blumen haben ihre natürlichen Farben. Über den vermutlichen Urheber schreibt Rovere (Anm. 64-): „Trovai nci menzionali registrl degli archivi eamcrali che il pinore Miel fece alcuni dipinti in un piccolo soffitto a stucco di questi gabinetti e ehe Innocenzo Guiscardi vi dipinse da ra- bcschi". Da Jan Miel schon 1663 gestorben ist 5, kann er nicht der Meister der Putten, die um 1732 entstanden, gewesen sein. Über Guiseardi wissen wir sonst nichts, sodaß die Aufhellung der Künstlerfrage späteren Forschungen vorbehalten bleiben muß. Für Berains Einwirken auf die Turiner Dekorateure lagen bis jetzt keine direkten Anhaltspunkte vor, denn obwohl Weigert die Abhängigkeit einiger Wandfelder der Sammlung Tolentins vom großen Franzosen feststellte (Sa), wertete er seinen Fund nicht aus. Der Nachweis von Berains Anregung bei Stuckateu- ren und Malern bestätigt wieder einmal die weltweite ' Clumenle Rnvere: Deucrlzlonc de} um. Puhnzzu m 1.22. Im Gxundrlß Rnum auch beschreibender Ahb.51. l'on-Im), Torlnn cll, Anm. 68. man, s. 24, - Mldanu, 5 Über dle Turlller Arbeilzu des Mlel siehe Jakob Hass: Arbeiten des Malen Jun Mlel ln Turin, Mcdedccllllgen van hat Nuderlaudxrh Historlscb Institut (e llome. 2. llaeln. De]. 2. 1932. 18