kannt, daß Frankreichs allerehristlichster König sich mit Hilfe der Osmanen gegen den spanischen Druck zu entlasten suchte - die Kosten des Schauspiels dieser wunderlichen Bundes- genossenschaft trugen aber die Völker Österreichs und mittel- bar auch Böhmens, ohne dessen nie versiegenden Reichtum die Grenzen auf die Dauer wohl nicht hätten gehalten werden können. Von Deutschland war keine wirkliche Hilfe zu erwar- ten. Als sich das osmanische Heer drei Jahre nach der ersten Belagerung Wiens neuerlich näherte, hat Karl V. allerdings den Nürnberger Reichstag dazu vermocht, ihm die Mittel zur Auf- stellung eines für jene Zeit gewaltigen Heeres zu bewilligen; mit diesem rückte er heran und weilte - im Oktober 1532 - zum ersten und letzten Male in Wien. Zu einer Schlacht gegen die Osmanen aber oder gegen den vom Sultan favorisierten ungarischen Gegenkönig Ferdinands, Johann Zapolya, ist es nicht gekommen: instruktionsgemäß weigerten sich die Gene- rale gegen jede militärische Aktion jenseits der ungarischen Grenze, solange der Feind diese nicht seinerseits überschreite. So wurde eine lange nicht mehr wiederkehrende Gelegenheit preisgegeben, unserem Volke jahrzehntelange physische und wirtschaftliche Leiden zu ersparen. Wenn aber Karl V. nicht in der Lage war, den Bruder materiell hinreichend zu unterstützen, so daß dieser und seine Nachfolger langc nicht an eine radikale Bereinigung der unerträglichen Zustände denken konnten, so hat er ihm wenigstens ideell Handhaben zum Ausbaue der landesherrlichen Gewalt zu bieten versucht. Nach seiner zu Bologna im Jahre 1530 stattgefundenen Kaiserkrönung - es war bekanntlich die letzte, die vorgenom- men wurde - hat er die schon von Friedrich III. 1453 mit Zu- stimmung der Kurfürsten zu reichsrechtlicher Gültigkeit er- hobenen österreichischen Freiheitsbriefe aus der Zeit Ru- dolf IV. seinerseits nicht nur bestätigt und erweitert, sondern auch kraft imperialer Machtvollkommenheit in einer Weise authentisch interpretiert, daß dem Erzherzog von Osterreich eine geradezu königliche Stellung gewährleistet schien, woferne er Macht und Geschick besaß, diesen Bestimmungen Nachdruck zu verleihen. Auf einen gelegentlichen früheren Vorschlag Karl V., Österreich zum Königreiche zu machen, war Ferdinand damals mit guten Gründen nicht eingegangen. Die nunmehr erfolgte starke Betonung des erzherzogliehen Splendors ist umso mehr bemerkenswert, als Karl V. andererseits am Vorrange des Titels eines „Infanten von Spanien" starr festhielt. In der Folge haben die Habsburger von dieser feierlichen Verbriefung ihrer Vorrechte, die mehr theoretischen als praktischen Wert hatte. keinen wesentlichen Gebrauch gemacht - ihre Position in der Welt war anders fundiert als auf Pergamenten. Jener Brüsseler Vertrag von 1522 hatte aber auch noch eine andere Folge, nämlich die Teilung der Casa de Austria (daß dieser ßcgriff dem spätmittelalterlichen der Domus Austriae nicht entspricht, kann hier nicht weiter verfolgt werden) in eine spanische und eine deutsche Linie. Es versteht sich, daß für den Fall des Aussterbens der einen oder anderen wechsel- seitige Eventualsukzession verfügt und in der Folge durch die bekannten Verwandtschaftsehen gegen mögliche Ansprüche in- zwischen eingeheirateter anderer Dynastien immer wieder ge- sichert wurde. Schon Ferdinand I. ältester Sohn, Maximilian II., erhielt 1548 Karls V. Tochter Maria zur Frau, ihrer beider erste Tochter Anna wurde naehmals die vierte Gemahlin des Sohnes Karls, Philipps II., und hat ihm das erste lebcnsfähige Kind ge- boren: Philipp III. Wie die Dinge lagen, mußte das Kaisertum bei der deutschen Linie bleiben, zumal Ferdinand I. selbst bereits am S. Jänner 1531 anstandslos zum „Rex Romanorum" gewählt und damit zur Nachfolge designiert worden war. Als aber Karl V. nach dem Siege bei Mühlberg 154-7 eine Zeitlang daran zu denken schien, nun alles nach seinen Konzepten zu ordnen. glaubte er, sich auch über die Rechte des Bruders hinwegsetzen und seinen Sohn Philipp II. als Kandidaten für den Kaiserthron vorführen zu dürfen. Noch einmal trat Sein Gedanke hervor, daß das Intpee rium, wenn es sowohl für den Konfessionsstreit wie für den Krieg gegen den Islam aktionsfahig bleiben solle, des Rück- haltes an einer europäischen Weltmacht bedürfe. Allein die deutschen Fürsten waren, als Philipp sich ihnen vorstelltc, von ihm sehr wenig erbaut, und in ihren Sympathien behielt Fer- dinand I. Oberhand, der in Wien längst zum Deutschen ge- worden war - schon kurz vor dem Schieksalsjahre 1526 tau- chen in seiner Familienkorrespondenz die ersten deutsch ver- faßten Briefe auf. So hat der Kaiser dieses Projekt schließlich selbst fallen gelassen. Hatte der Augsburger Reichstag von 1530 die Inkompatibilität der beiden Bekenntnisse erwiesen, so hat Karl und selbst noch Ferdinand die Hoffnung auf einen Ausgleich doch niemals fallen gelassen. Die Folge erwies aber, daß die militärische Nic- derlage der Schmalkaldener der Sache, die sie vertraten, keines- wegs den Untergang brachte. Karl V. war darüber ebensowenig im Zweifel wie über die Notwendigkeit, sich mit der Pforte auf der Basis der Koexistenz zu verständigen. Wiederum in Augsa burg fand im Jahre 1555 ein Reichstag statt, der letzte, zu dem Karl V. noch in gewisser Verbindung stand. Daß hier die innen- politische Niederlage des Kaisers offenbar werde, war bereits gcwiß. Der alte Edelmann wollte persönlich dessen nicht mehr Zeuge sein und überließ das Präsidium bereits seinem Bruder, nicht ohne selbst noch in seiner Eigenschaft als Reichsoberhaupt pflichtgemäß die üblichen Einladungen ergehen zu lassen - sogar an den Papst. König Ferdinand I. - derselbe Ferdinand, von dem Karl ange- Hans Schaufclcin, 'I'rnumphwngcx1 Knris V. A; '" aus dem "Triumphzug. Alburllna, Wien.