DER PERSISCHE INSCHRIFTENTEPPICH IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM Von WILHELM HE Ganz anders geartet als die kleinasiatischcn sind die persischen Gcbetsteppiche und von diesen wieder bilden die Inschriften- teppichc die scltenste Spielart. Von der türkischen Form der Miltrab-Giebel im Innenfcld (vergleiche Heft 3,11958, S. 23 ff.) ist zwar nichts zu sehen, und doch liegt auch dem Muster unseres in der Abbildung wiedergegebenen Teppichs ein Mih- Der persische Inschriftenteppich des Österreichischen Museums (Inv. Nr. Or. 348). Er ist 265 cm lang und 165 cm breit und enthält pro Quadrat- dczimetcr 68 Kettfadcn aus brauner, zweifach gedrehter Wolle, im Eintrag zweifach genommene Schafwolle. Zahl der Knoten pro 1 dm! ca. 1600. Die Fondfarben sind Gelbbraun (lnncnfeld) und Rot (Bordüre). Die Musterung ist braun, dunkelblau, hellblau. rot, gelb, hellrot und weiß gehalten. Der Teppich wurde in einer Moschee zu Aleppo entdeckt. rab-Motiv zugrunde. Dieser Mihrab (: Gebetsnische) ist aller- dings nicht wie seine türkischen Verwandten aus dem Halbrund mit einer stalaktitcnförmigen Kuppel entstanden, sondern ent- wickelte sich aus einem Viereck an einer senkrechten, flachen Wfand. Das Viereck war oft von reliefiertcn Schriftfriesen um- geben und entweder von einem Dreiblattbogen oder auch einem vom oberen Rand senkrecht in die Höhe steigenden Spitzballtcn bekrönt, wie die aus dem 12. und 13. jahrhundert erhalten gebliebenen persischen Mihrabkonstruktioncn erweisen. Der architektonischen Gestalt des Vorbildes entsprechend sind auch die Inschriftentcppiche gegliedert. Allerdings machte die Teppichknüpfkunst von den Möglichkeiten Gebrauch, welche ihr das anders beschaffenc Material bot. Der Schriftfries ist zur Schriftbordüre geworden und noch deutlich erhalten, der Drei- blattbogcn hat sich jedoch gewandelt, er ist im Laufe der jahr- hundcrtt- in seinen Ausläufern verflacht, länglich geworden und hat eine phantasievolle Form erhalten, die wohl im Flach- bild des Teppichs, aber nicht mehr in der plastischen Wand- konstruktion denkbar war. Das ist das Bild einer Gruppe bekannter persischer Gebets- teppichc, die dem 16. bis 17. Jahrhundert zugewiesen werden und die unter anderem im „'I'eppichwerk" von Sarrc-"Frenk- wald und im „Survey of Persian Art" von A. U. Pope ver- öffentlicht sind. Unser Inschriftenteppich hat demgegenüber noch eine z tzliche, eigenartige Gestaltung erfahren. Hier hat die in der Langsachse angelegte Giebelspitze als Motiv für die Zeich- nung eines Medaillons gedient, indem sie innerhalb des Medail- lons zu einer Art „unechten" Querachse nach unten angesetzt wurde. Man würde dem Typus eines Medaillonsteppichs entsprechend neben der tatsächlich vorhandenen Längsachsc auch eine „cchtc" Querachsc zur gesamten Fläche erwarten. Eine solche war, wic I. Schlosser mit Recht vermutete, in der Anlage des Teppichs ursprünglich wohl vorgesehen. Sie sollte den Teppich in zwei Hälften teilen, wobei jede Hälfte gleichgcartetc Mcdaillons be- kommen hätte. In der einen Hälfte wurde das Medaillen vollstän- dig ausgeführt, in der zweiten ist aber nur die der „echtt-n" Qucrachsc des Teppichs gemäße und zu ihr gerichtete Gic- belspitzc des Mihrabmedaillons ausgearbeitet worden, die Fer- tigung des längeren Stückes, welche die Qttcrachse attgenfällig gemacht hätte, ist aus irgendwelchen Gründen unterblieben. Die ursprüngliche Planung in der Anlage des Teppichs liißt sich auch in der Unterteilung der Inschriftcn der Bordüre nach- weisen, ebenso in der Zeilenführung in dem wabenförmig ge- musterten lnnenfeld im Eck rechts oben, die deutlich unter- brechen ist. Der unvermittelte Abbruch der Zeilen deutet auch die Rich- tung an, in der gearbeitet wurde: Begonnen wurde unten an der Bordüre mit dem Wolkenband, gearbeitet wurde aufwärts, wobei der Flor von den Arbeitenden in die Richtung zu sich her gezogen wurde, wie es bei der Teppichfcrtigung üblich ist. Es ist klar, daß statt der verwendeten Ausdrücke „oben" und „untc-n" je nach Auflage des 'I'eppichs auch „Kopfende" und „Fußende" gesagt werden könnte. Die in der Abbildung im Gegensatz zur bisherigen Auffassung wiedergegebene Richtung entspricht dem Leser und ist die natürliche. Sie ergibt sich tech- nisch durch die Lage des lilors, der nach der Schmalseite mit der Wolkcnbandbordüre hin streicht, wie ornamental außer den oben besprochenen Argumenten noch durch die Lage der In- schriftett an der zweiten Schmalseite der Bordüre. 12