BILANZ EINES VIERTELJAI-IRES: WIENER AUSSTELLUNGEN Vorliegende Berichterstattung umfaßt den Zeitraum von Anfang Sep- tember bis in die zweite Novemberhälfte 1958. Der Leser ist freundlich aufgefordert, den Berichterstatter auf seinem Gang durch Wiens Kunst- leben zu begleiten, als stiller, aber wichtiger Diskussionspartner. AKADEMIE DER BILDENDEN KÜNSTE: MAX WEILER Diese Ausstellung führte 68 Arbeiten, in der Hauptsache großformatige Ölgemälde, aus der Zeit von 1953 bis 1958 vor. ln dieser Periode er- folgte die fast völlige Loslösung des Künstlers von jeder gegenstandsge- bundcnen Thematik. Die Entfaltung zur „reinen Form" erfolgte bei Weiler ganz organisch und selbstverständlich. Weitgehend scheinen sich bei ihm die Begriffe „gegenstandsfreW und „auftragsfrcW zu decken, darin eine ganz spezifische Situation der bildenden Kunst von heute verkörpernd. Freude am Malen, am Komponieren mit Farben dürfte ein wesentlicher Faktor im Schaffen Weilers sein, keinesfalls gestaltet er theoretisierend, programmatisch, „richtungsgcbunden". Der poetische Charakter seiner Farbgefüge ist ganz evident, er bringt Farbwertc und Gruppen in Zwiegespräche, die zu Aussagen führen, welche nur in diesem und keinem anderen Medium möglich sind. Äußerlich wie inner- lich sind Weilers Farb-Dichtungen zumeist von epischcm Ausmaß, der Vortrag ist breit im gegenständlichen wie im übertragenen Sinn. Eine gewisse Gefahrenquelle scheint uns in einem Hang zum Monologisch- Solipsistischen zu liegen. Schon deshalb möchten wir Weiler, dem Schöpfer der skandalumwitterten Hungerburgfreskcn sowie der höchst umstrittenen Ausmalung der lnnsbrucker Bahnhofshalle neue öffent- liche, auch figurative Aufträge wünschen. ALBERTINA: LOIS WELZENBACHER - GUSTAV KLIMT „Er wäre einer der genialsten Städtebauer der Gegenwart geworden, hätte man ihm die Realisierung seiner Ideen ermöglicht", bemerkt Otto Benesch im ticfschürfenden Vorwort zur Ausstellung von Entwurfs- skizzen des Architekten Loix lWt-lzenbacber. der nächstes jahr ins achte Lebensdezcnnium eingetreten wäre und 1955 verstarb. Mit Recht ver- gleicht Benesch Wclzenbachers Ideenwelt mit dem Schaffen Frank Lloyd Wrights und betont seine Treue zu den architektonischen Ge- stalrungsprinzipien der Gegenwart, wie sie von Otto Wagner und Adolf Loos formuliert worden waren. Welzenbacher ist als Zeichner von unge- stümer, graphisch stets treffsicherer und routiniertcr Kühnheit. Manche seiner Blätter, zumeist unregelmäßig gerissene Fragmente, haben etwas Visionäres an sich; Welzenbacher, der geborene Stadtplaner, geht stets aufs Ganze, er hält mit der Zeichenkohle seine inneren Vorstellungs- bildcr fest und beweist dadurch, in wie starkem Maß jede Planung sec- lisch gesehen, d. h. aber in echt künstlerischem Eingelmngsprozeß kon- zipiert wcrdcn muß, um die mühselig-materiellen Realisierungsprozessc zu überleben. Uns will allerdings scheinen, als hätte der Direktor der Albertina Wel- zenhachei- etwas zu viel Raum gewidmet. Architekturskizzen wirken rein aus ihrer Gegenständlichkeit heraus in solcher Häufung monoton. Dies wurde besonders durch die Konfrontierung mit einer verhältnismäßig kleinew Auswahl von Zeichnungen Klimts unterstrichen. Es ist an dieser Stelle sinnlos, sich über das Schaffen des klassischen Wiener Altmcistcrs der Moderne zu äußern - aber aus welchem Grund hat man das zah- lenmäßige Verhältnis der Arbeiten von Klimt und Welzenbacher nicht umgekehrt? SECESSION : HERBSTAUSSTELLUNG Uurziclvt und Entsagung aus Gründen des künstlerischen Ethos übte Walter Erker! in seinen Olgemälden und Gouarhen. Auf der Suche nach dem Wahren und Wesentlichen streift er eine Hülle nach der anderen ab, um zum Kern vorzudringen. Aber dieser Kern hat dem Beschaucr höchstens etwas zu bieten, das man als das gerade Gegenteil von „Au- gen-Weide" bezeichnen könnte, nämlich zumeist Abstraktionen in Grau und Grau. Im allgemeinen ist Eckerts Kunst der Enthaltsamkeit to- tales art pour l'art von rein monologischem Charakter. Maria .S'zeni malt wesentlich gelöstere, vorbildlichere, ja charmante Abstraktionen, Ihr hat es die Geometrie angetan. Im Gegensatz zu Eckerts einsamen Trostlosigkeiten bietet Frau Szeni Farbe, Bewegung, Einfallsreichtum und Humor. Am gewinncndsten die Aquarelle, von denen nur die amüsante „Papageienstunde" genannt sei. Sicher ist Frau Szeni nicht so tief wie Eckert, aber das schfreudige Auge dankt ihr nach den lickertischen Exerzitien für die gebotene Vielfalt. DIE SALZBURGER WEIHNACHTSMEDAILLE Zum Gcnlcnkcn an joscl Mohr und F. X. Gru- hcr, die Schöplcr des unslcrlvlichrn Weih- nnchtslicdcs „Stille Nacht - Heilige Nacht", das vor H0 Jahren, am 24, Dczcmlwci- 1818, in Ohcrndorl bei Salzburg vnls .nz.l, hat die (jnlcric Wclz, Salzburg. eine Wlcihnnchisnwe- llnillc von Gincomo Manzü hurnusgvhracht. Der bvrgumnskischc Kümllcr, du" kü zlich dm Miuelioi- zum Snlvburgci- Dom vollcndctc, hat hcrcitz- mehrfach durch die Schnllung von (icnlcnkmcdnillcn dieser sehr verfluchten Kunslnrl zu neuem Anschcn vcrholfcn. Die Medaille ist gecignct, sich viele Freunclc zu erworben. lm gleichen Vcrlag ist auch eine hibliophil nusgcsinltele Klcinbroschürc mit dem Text (lcs Wcihnachlsliedes und cincm Essay über zlvascn linisichungsgeschichlc von Dr. Her- mnnn Ullrich erschienen. 2']