Abb. a1 llakuin Ekaku (mssqvso), Landschaft
mit Brücke, dem Symbol des Lebens.
Sinneseindruck als Ablenkung vom inneren Schauen empfindet,
entspricht nichts so sehr, wie das unsinnliche Spiegelbild der
Welt im Schwarz-Weiß der Tuschkunst.
Zunächst war es in Japan freilich noch das farbige Bild, das
der Zen-Buddhismus pflegte. Klöster anderer Sekten, die zum
Zen übertraten, verehrten weiterhin ihre feierlichen Kultbildcr
mit den prunkvollen Darstellungen von Buddhas und Bodhisatt-
vas. Aber diese himmlischen Wesen, wenn auch nicht verleug-
net, standen doch am Rande des zenistischcn Denkens und ihre
Rolle als Kultbilder nahmen bald die Darstellungen der Rakan
ein. Die Rakan (chinesisch Lohan, von Sanskrit: Arhan, der
Mehrzahl von Arhat, der „Ehrwürdige") sind jünger des histo-
rischen Buddha, die nicht als himmlische Wesen, sondern als
Einsiedlermönche, als irdische Menschen ohne den Glanz äuße-
rer SChÖnheit dargestellt werden. Ihre Bilder wurden im Zen
sogar in einer Art von Gottesdienst verehrt.
Zu den am öftesten wiedergegebenen Persönlichkeiten des Zen
gehört natürlich sein Begründer, der Patriarch Daruma, bald
als Halbfigur, bald in Meditation gegen eine Wand starrend oder
auf einem Schilfrohr über die Wellen ziehcnd. Auch der Zen-
Meister ßukan und sein treuer Tiger, sowie die von ihm auf-
genommenen Findelkinder Kanzan und jittoku, deren schein-
bare Einfalt und Narrheit ihnen doch die Erleuchtung sicherte,
werden oft dargestellt. Alle diese Gestalten, und nur einige
wurden hier genannt, sind immer als Menschen mit indivi-
duellen Zügen dargestellt, niemals als überirdische Wesen voll
Schönheit und Herrlichkeit. Von dieser Vermenschlichung wird
nicht einmal der Buddha ausgenommen, der mit Vorliebe dar-
gestellt wird, wie er als ahgezehrter Asket, aber mit dem inne-
ren Glanz der Erleuchtung auf seinen Zügen, aus den Bergen
hervortritt.
Diesem „Realismus" entspricht die überaus große Rolle, die
dem Bildnis schon in früher Zeit beigemessen wurde. Das
Chinzo, das Bildnis eines Zen-Meisters, kann geradezu als das
Hauptkultbild der Kamakura-Zeit (1192 bis 1333 n.(lhr.) be-
zeichnet werden. Bei der überaus engen Bindung, welche die
Zen-Übung zwischen Meister und Schüler bewirkte, ist das nur
zu begreiflich. Diese Bildnisse, von den Dargestellten selbst mit
beziehungsvollen Versen beschrieben, dienten aeßerdem als Sic-
gel, das der Meister dem Schüler nach Erlangung der Erleuch-
tung übergab. Chinzobilder (japanisch ehinzo, heißt „höchste
Gestalt") gab es daher sehr viele und immer sind sie von un-
mittelbarer Lebendigkeit. Längct" als andere Gattungen hielten
sie an der Farbigkeit fest, doch ist andererseits die enge Ver-
bindung von Schrift und Bild zukunftsweisend, denn sie wurde
im späteren Zenga zur Selbstverstiindlichkeit.
Mit dem Zeh-Buddhismus fand auch die chinesische Tusch-
malerei der Sung-Periodc, die ja unter stärkste-m Einfluß der
Zen-Philosophie stand und vielfach sogar von Zeh-Mönchen ge-
schaffen war, Eingang in Japan. Besonders in der zweiten Hälfte
des 14. jahrhunderts gelangten viele Bilder berühmter chine-
sischer Maler nach japan. Das rauhe Militärregime der Kama-
kura-Zeit neigte sich bald dem Zen-Geist zu, der ihm mit seiner
Strenge und Einfachheit sehr gemäß war, und der Militäradel
wurde nun mit der Geistlichkeit des Zen zum Träger der neuen
Geisteshaltung und Ästhetik. Der volle Durchbruch der Tusch-
malerei vollzog sich dann in der Zeit der Ashikaga-Shogune
(1335 bis 1573 n. Chr.), als eine große Zahl bedeutender Künstler
sich der Tuschmalerei, vor allcrn dem nun immer stärker an
Bedeutung gewinnenden Landschaftsbild zuwandte. Auch dieses
war ja ganz vom Geist des Zen gesättigt, ebenso wie die Dar-
stellung von Tier und Pflanze. jetzt entsteht in Japan jene
breite Schicht wundervoller Tuschbilder, die der Europäer als
das Gegenstück zur chinesischen Sung-Malerci empfindet, an
die beide er denkt, wenn er sich des Begriffs Zen-Malerei er-
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Aber wenn auch diese Malerei der Shubun, Sotan. Sesshu, ßunsei,
Soami, Sesson usw. vom Zen inspiriert ist und nicht wenige
Maler sogar Zen-Mönehe waren, so darf doch nicht übersehen
werden, daß der Zen-Buddhismus gerade damals der Gefahr
jeder staatlich geförderten geistigen Macht nicht entging: er
wurde mehr und mehr zur Mode. zum ästhetischen Regulativ.
Bestes Zeugnis dafür ist die von Kano Masanobu und seinem
Sohn Motonobu gegründete Malschule, welche bald die Rolle
einer europäischen Akademie spielen sollte, die sie bis über
die Mitte des 19. Iahrhunderts innehatte. Auch das gleichzeitige
Aufkommen der bemalten Schiebetüren und Setzschirmc, einer
sehr verfeinerten, aber eben doch einer Dekoration, zeigt die
beginnende Verweltlichung und Verflachung einer anfangs so
strengen und verinnerlichten Geisteshaltung.
Aber gleichzeitig mit dieser Entwicklung setzte auch schon die
Reaktion gegen sie ein, oder zumindest wurden ihre Voraus-
setzungen geschaffen. Der Zen-Meistcr Kaso Soun (1352 bis
1428 n. Chr.) und seine Schüler Yoso Soi (1376 bis 1458 n.Chr.)
und Ikkvu Sojun (1394 bis 1481 n,Chr.) waren die führenden
Geister dieser Richtung, deren unakademischer Stil mit seiner
Absage an die herrschende Ästhetik es erlaubt, ihre Bilder als
die ersten Zcnga zu bezeichnen. E dabei nicht sehr wesent-
lich, oh ikkyu Süiun die ihm zugeschriebenen Bilder tatsächlich
Abh. 8: Hakuin Ekaku (1685-1786), Landschaft
mit Brücke, dem Symbol des Lebens.