MODERNES GLAS AUS TIROL ZUR AUSSTELLUNG VON RIEDELGLAS IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST Von WILHELM MRAZEK Die Geschichte der (iliserzettgung kennt mannigfache Höhe- punkte aber auch ebensoviele Atempausen im Laufe ihrer jahr- tausendettlten Entwicklung. Immer sind diese mit den historisch- politischen und wirtschaftlich-s0zialen (legebenheiten verbun- den. Und immer sind es im Auf und Ah des geschichtlichen Werdens die gleichen Orte (MiCF Distrikte, denen das Glas zum Schicksal wird und tun welchen die Impulse zur Erneuerung der Glasmacherkunst ausgehen. Vom 13. bis zum I6. Jahrhundert war die Stadt Yenecig das un- bestrittene Zentrum der (iltscrzt-ugung. Die technische Hoch- lcistung eines farbloscti, durchsichtigen Glases und dessen künstlerische Gestaltung zu htuchzttrten, meist uncekorierten (iebildcn, machten den Ruhm der Venezianer Hütten aus. Aber schon im Laufe des 16. Jahrhunderts gingen Deserteure aus Venedig nach dem Norden und errichteten Hütten, cie Glas in Venezianer Art erzeugten. Unter ttnderen auch in Tirol und da- mit trat dieses Land zum ersten Äilale als (ilnserzetiger auf. Aber schon die läaroekzeit brachte mit ihren neuen Stitendenzen zu Beginn des l7. Jahrhunderts einen netten Distrikt in die füh- rende Position. Die Hütten des schlesiseh-höhmischcn Ratimes waren es, die dicscn neuen, vom Kristallschnitt herkommendcn Glasstil favorisierten, der dann innerhalb weniger ahrzehnte die Gläser in Venezianer Art villlig verdrängte. Diese Zeit liebte stztrkwctndigt- Formen mit reichstem Schliffdekor und die Glasvcredelung erreichte damit einen einzigartigen Höhepunkt. Auch das gztnze I9. Jahrhundert stand im 7. ichen (es böhmi- schen (ilasstiles. Die unbedrohten Zeitläufte und der wirtschaft- liche Aufschwung der habsburgischen Monarchie in den Grün- dcrjahren brachten eine stiintligt- Ausweitung der (Jlaserzeu- gung mit sich. Eine breite und in lebendiger "Tradition stehende GiätSmatlatitistCltiChl war schier unCrSChÖpfliClt im Erfinden von technischen X rbessertingcn und im Variieren von Formen und Dckoren. Vielfach w. en cs Rückgriffe auf den Formenbestand der Vergangenheit, aber selbst diese Stilkopit-n vermitteln noch ein anschauliches Bild von dem (Qualitiitsgefühl und dcm her- vorragenden technischen Können der höhmisch-schlesischen Cvlttsmrtchcr. Aus einer solchen alteingesessenen (Ülasherrenftimiiic stammen dic jetzigen Besitzer der Kufsteincr (ilashüttc. Seit 1756 war die Familie Riedcl in ununterbrochener liolge mit der Glitserzeti- gung verbunden. (ilas, dieses faszinierende Niateriztl, war den Riedcis zum Schicksal geworden. im 19. Jahrhundert stclltcln sie mit Joseph Riedel den „(ilaskünig" des Iscrgebirges. Eine tatkräftige Pcrsiänlichkcit, die so ganz der Gründerzeit entsprach. herrschte er tiber z1hlreicht' Glashütten und betrieb daneben auch noch eine Reihe textiler Unternehmungen. Zentrum war die (Elttshüttc in Polaun, die vor allem clic Rohgläser für die [im (illläfl1lllihtt' bei der Fertigung eines Pnkales. (iiihlonzer Schmtickwarcnintlustrie lieferte, aber auch Preß-, Hohl- und technisches Glas erzeugte. im Jahre 1945 ttndigle die Tätigkeit der Glashcrren von Polaun in ihren böhmischen Betrieben. Im Jahre 1957 begannen die Riedels von neuem die Glaserzcu- gung in der Kufsteiner Hütte aufzunehmen. Diese war einige Jahre vorher gegründet wurden, aber durch eine unsachgemäße Führung schon nach wenigen Jzthrcn in Konkurs gegangen. In der Re ganisieritng der Kufsteiner Hütte fanden die Riedels e c Aufgabe, zu der sie alle Voraussetzungen mitbraclttcn. In kurzestcr l'risl wurde aus dcfn bxlnkrotten Unternehmen ein 14