„HERNALS, DU GOTTES SAAL. FRÜHESTE FEDERZEICHNUNG EINES WIENER VORORTES (S Von FRITZ ZINK Bis zur Schlacht am Weißen Berg bei Prag 1620 war Hernals am Hofzaun der kaiserlichen Residenzstadt neben Inzersdorf, Vösendorf und Rodaun der Mittelpunkt evangelischen Lebens vor Wien. Nach der ersten protestantischen Zeit unter Kaiser Maximilian II. in den 1560er und 70er Jahren, war die Bartho- lomäuskirche in Hernals 1578 bis 1585 auf Befehl Kaiser Ru- dolfs ll. gesperrt. Erzherzog Ernst ergriff als Statthalter des Kaisers gegenreformatorische Maßnahmen, und Adam und Balthasar Geyer gaben 1580 ihren Herrensitz an die Landtags- verordneten der Herren und Ritter weiter. In diese Zeit gehört auch die hier veröffentlichte große aquarellierte Federzeich- nung des Kupferstichkabinetts des Germanischen National- Museums, die erstmals in der territorialen Sonderausstellung „Kulturdokumenle Österreichs" im Oktober 1957 in Nürnberg gezeigt worden war.' Es ist die früheste inventarmäßig erfalite topographische Ansieht aus dem 17. Wiener Bezirk. Sowohl als Darstellung eines der Hauptschauplätze der Reformation und Gegenreformation vor Wien und als neue arehitcktur- geschichtliche Quelle zum Hernalser Schloßbau ist das Nürn- berger Aquarell von Interesse. Um 1580 zu datieren? war das in der Mitte gefaltete Blatt vielleicht einst Teil einer genealogi- sehen Handschrift; es stammt aus v. Aufsess'schem Besitz, ge- hört also zum ältesten Bestand des Germanischen Museums. Laut Legende auf dem Schriftband über der Kirche sind als Gebäudegruppe des Aquarells „Sahl und Kurchen sampt dem Pfarrhaus zu Herrnalß" dargestellt. Im Vordergrund fließt, von einer überdachten Brücke überspannt, der Alsbach; jenseits über dem befestigten Ufer steht links das Herrenhaus, - auf dem Aquarell ein in lichtem Grau lavierter Bau mit hellrotem Ziegel- dach mit der Bezeichnung „Sahl". Die sechs großen Saalfenster mit Butzenscheiben im ersten Stock sind markant hervor- gehoben; eine rundbogige Türe öffnet sich links im Erdgcschoß gegen das Ufer des Alshachs; blattloscs Rankenwerk von Reben, auf dem Aquarell stark üherhetont, erscheint an den N0rd- und Westseiten des Baues, der den Charakter des Ruinösen trägt. Ein bedeckter Gang schafft an der westlichen Giebelseite des Hauses im Erdgeschoß eine Verbindung zwischen der rechts westwärts führenden Straße nach Dornbach, und hinab zum Als- hach. Den geräumigen dreiflügeligen Schloßhof hinter dem llerrenhaus umziehen in zwei Stockwerken balustraden- geschmückte Ganggalerien, die in der Bildung der schlanken manieristischen Decken-Reihen das einzige architektonische Stilmerkmal zur Datierung der Zeichnung abgeben. Die 1301 erbaute, ostwärts gerichtete Bartholomäuskirche, inmitten des mauerumhegten Friedhofs, zeigt in den Gesimsprofilen des Tur- mes, in den Strebepfcilern und im Fenstermaßwerk des Lang- hauses und des Wenig eingezogenen polygonalen Chores die Bau- formen der Gotik. Mehrere Zugänge befinden sich an der Nord- seite der Kirche, darunter einer im Untergeschoß des Turmes, sowie ein zweiter, der über einen überdachten Treppenaufgang wohl zu einer Empore führt. 1517 wurden an der Kirche bau- liche Veränderungen vorgenommen} Den alten Friedholl um die Kirche umzieht eine ziegelgedeekte Mauer mit einer be- merkenswert großen Reihe von rot getönten Wandnischen; im Norden, gegen die Straße gelegen, grenzen das Pfarrhaus an, und im Osten, von Fleehtziiunen umhegt, die Weingärten des Rebgeländes um Hernals. Der Gesamtton des Aquarells ist in lichten Farben gehalten. Die Bedachung aller Gebäude zeigt helles Rot. mit Ausnahme der Gartenhäuser und Remisen bei den Weingärten. Die Brücken sind in Paynesgrau angelegt. Der hellblaue Alsbach zieht durch graue Sanduferzonen, vorbei an grünen Hängen, über die siena- farbene Zufahrtswege hinabführen. 1135 erscheinen die ältesten Inhaber des Rittersitzes an der Als,-" nach 1281 die Griechen von Als und seit der Mitte des H. jahr- hunderts die Roggendorferß Kaiser Maximilian I. belehnte H98 Kaspar von Roggendorf und 1507 Sigmund von Roggendorf. 1515 ging der Hof um 6000 Gulden mit Zustimmung Maximi- lians I. an Hans Geyer, llerrn zu Osterburg, Hard und Haindorl über, 1566 erfolgt unter Kaiser Maximilian II. die Belehnung für Hektor, Wilhelm und Adam Geyeri Von 1582 bis 1585 hatte Wilhelm Geyer das Lehensgut inne, dann bis 1587 dessen Sohn Ferdinand, von dem es im gleichen jahr durch Kauf an den kaiserlichen Rat Wolfgang jörger übergingß dessen Sohn Helm- hart jörger 1609 auch den öffentlichen evangelischen Gottes- dienst in der Bartholomäuskirche einführte. Helmhart jörger verlor 1620 als Rebell seine Güter, da er sich der Huldigung vor Kaiser Ferdinand II. entzog. 1625 kam llernals als Schenkung des Kaisers und auf Anraten von dessen Beichtvater Wilhelm Lamormainig an das Wiener Domkapitel St. Stephan, wobei in der Bartholomäuskirehe der katholische Gottesdienst wieder ein- geführt wurde. Die bedeutendsten Prediger der ersten protestantischen Zeit in Hernals waren Andreas Mügländer (seit 1562), Stephan Gerlach aus Tübingen (1573) und der Württemberger Ambrosius Zieg- ler," der über Klagenfurt nach Hernals gekommen war (1576). 1 Signatur 11. ß. 1910, Kuprcl 1252. Höhe swrlu, Breite am cm. Aunlllallungs- kululng "Kullurdnkumenle (Yslerreichs aus dem germanischen Nutlunxll-Museunl In Nürnberg", Konstanz, Llnz man, Nr. 10a zur Geschichte von Hcnuls grundlegend: Georg L" r c 1. e: Zwei Wiener evangelische Stulnmbücher, ein Kullurblld m1: dem Dreißigjährigen Kriege In: Mitteilungen des Verclns zur Geschirble der sru-lr Wien, 11a. 1v, 1m, s. 28-38. Joscl xurl M ayr: Wiener Prulcslautengexchlchto Im 1a. und 11. Jahrhundert, In: Jahrbuch der Gesellnehult mr dlc Geschichte des Prolestnnllsmux, 1;. 10, Jubi- lluulnhuml, Wien 155-1, s. 10.1410. Wle vor: Evungellsches Leben In Wien um Beginn den 11. Jahrhululurtu, H11 Jahrbuch der Gesellschnll mr llle Geschichte des Protestlntlsmus, Jg. 611169, Wien lass. s. 11a. Fern": Hernaln, Eln llelmqlhuch mr den 11. Wlenn Gemelndzbezlrk. Wien m4 (llellrlge von xurl Groll, Emlll: Hany, Ernst Krutzmurln). Für Hlnwclse wird gcdilnkl: Herrn Ilolrxll Dr. Insel Muyr, Herrn Dlrekknr Dr. Glück Hnn Illslnrixchen Museum Wlru, mwle dem ßlllulundollkmuluml Wien. 2 Juhrhuch der Cesellschnil Hi! llh: Gexchirhte des Protestnlltlslnus 1954, S. U13 (Josef Kurl Mnyr). 3 Üsierrvlchlsthe Kunstlupugrllphlv IM. II. D12 lfenklllnlr (lcr Stadt Wleu (II. hln 21. Bezirk). Wlen 1903. S. 231. 1 Vgl. auch .11. Notiz über Begräbnisse r-a und 1-" u. Im Julrrburlr der Gesell- schult lür rllu Geschichte (l!!! Pmleslnnl 111115 m4. u: m. 7 Einen Friedhof außerhalb llernuls bezelchnet llhl spätere Ansieht hol Hvrlun. S zur Geschichte vnn llernuls vgl. Emllle Iluny: Die Herren vun 11er m. In: Hernuls, Hclluutlvuch, s. 5111. 6 Vorllbergehendo 1mm": m. Herren von Püsdnek u. Viertel 1a. Inhrhuudert). Wenauch v. Ehendnrl (1491); vgl. Hcrnnls. Heimuthuchr s. au. 7 Hernnls, llelmathuch, s. 70.