WIENS
„PHANTASTISCHE
REALISTEN"
ZUR AUSST
LUNG DER „WIENER SC
{U}
IM OBEREN BELVEDERE
Von JOHANN MUSCHIK
Helmut Lehcrb, Fremde Wesen. Öl und
37 X 21 cm, 1958.
Eitcmptrrz
auf
Holz,
Im Oberen Belvedere stellen vier Maler aus, von denen jeder
seine Eigenart hat. Etwas Gemeinsames im Stil, in der Haltung,
für das wir den Namen „Phantastischer Realismus" vorsehlu-
gen, verbindet sie nichtsdestoweniger zur Gruppe. Die Künst-
ler stehen nicht allein. Was Rudolf Hausner, Wolfgang Hutter,
Helmut Leherb (Leherbauer) und Anton Lehmden darbieten,
datiert ursprünglich nicht von heute.
Im Jahre 1947 hat sich jene merkwürdige Kameradschaft von
Malern, die damals allgemein noch als „Surrealisten" aufgefaßt
wurden, zum erstenmal formiert. Namen fanden sich unten
ihnen, deren etliche bei der gegenwärtigen Veranstaltung im'
Belvedere fehlen.
Neben Hausner, Hutter, Lchmden standen Ernst Fuchs und Fritz
jansehka. Fuchs ist der Bewegung immer noch zuzuzählen. Über
die künstlerische Entwicklung des nach Amerika ausgewander-
ten jansehka weiß man zu wenig. Bald trat der hochbegabte
Erich Brauer auf. Dann stieß Leherb zur Gruppe. Und in jüng-
ster Zeit hat sich eine Nachfolge gebildet, der Helmut Kies
und Elsa Olivia Urbach sowie die Graphiker Robert Doxat, Rai-
mund Ferra und Richard Matouschek angehören.
Die „UN-Gruppe, die „Stammvätef, jene erste Gemeinschaft,
versammelte sich um Edgar jene, einen Maler, welcher inzwi-
schen naeh Paris übersiedelt ist. Durch ihn wurden die Künstler
mit der Ideologie und der Methode des orthodoxen Surrealis-
mus bekannt, mit der „Femme 100 Tetes", mit Bretons Mani-
festen vor allem. Einzelheiten der Malweise jenes, Züge, die
gerade ihm eigen waren, werden sich in den Bildern der Wiener
Schule jedoch kaum wiederfinden lassen.
Die Maler blicken auf eine andere „Ahstammungf zurück. An
Brueghel und Bosch zum Beispiel, an Rembrandt, Altdorfer,
Leonardo, den Gotikern, den Quattrocentisten schulten sich
Fuchs und Lehmden. Die Unerbittlichkeit der Perspektive, die
Präzision, der Sinn für die Solidität der Dinge, welche bei Piero
della Francesca und Uccello begegnen (oder auch bei de Chirico),
kehren in Hausners Werk wieder. Formendetail der Ring-
straßen- und Gründerzeit erhält eine Tiefsinnigkeit und Bedeu-
tungsschwere, die es nie vorher hatte. Arcimboldo und eine
Linie, die etwa mit Max Ernsts „Schöner Gärtnerin" begann,
aber vor allem auch A. P. Güterslohs verfremdetes, erschreckt
starres Traumbiedermeier wurden für Hutters Entwicklung be-
stimmend. Die Chlorophyllgeister, Waldwesen Ernsts, treten bei
Leherb jüngst in einer Verwandlung auf, die Hinwendung zu
vorimpressionistischer Wiener Malerei, zu Rahl, Canon, Ma-
kart und letztlich auch zu Tiepolo, Rubens und Caravaggio
zeigt.
Phantasie, nämlich Vorstellungskraft, Einbildungskraft, Einfalls-
reichtum ist für die Künstler kennzeichnend, nicht Phantas-
magorie, was soviel wie Trugbild, Scheinbild, Darstellung von
Gespenstern bedeutet. Das Deliröse, die „paranoia critique", die
Salvador Dali zum Um und Auf malerischer Darstellung machen
will, hat für sie keineswegs jene erstklassige Bedeutung.
Sie leben nicht „mit dem Tier" (Nadeau). Sie wollen weder
„die Zivilisation zerstören" noch gehören sie zu den „Defai-
tisten Europas" (Aragon). Malerei ist ihnen etwas anderes und
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