DIE GOTIK IN NIEDERÖSTERREICH BEMERKUNGEN ZUR AUSSTELLUNG IN KREMS STEIN, MAI BIS OKTOBER 1959 Die Erforschung der gotischen Kunst hat in den letzten Jahrzehnten so große Fortschritte gemacht, daß seit den Zwanziger- jahren laufend in ganz Österreich oder in einzelnen Bundesländern umfassende Ausstellungen veranstaltet werden konnten, deren erste, noch von Hans Tietze inspiriert, bereits 1926 in Wien stattfand. In Abständen folgten die Wiener Gemäldegalerie und die Albertina (1934), das Grazer joanneum, die Donauland-Ausstcllung (Wien1939) und das Innsbrucker Ferdinandeum (1950). Parallel damit gingen die der Buchmalerei und Graphik gewidmeten Expositionen, sowie die einem begrenzten Thema, wie etwa dem der Darstellung Mariens in der Kunst, gewidmeten Vorhaben. Nehmen wir die seit dem Jahre 1920 erscheinenen Veröffentlichungen auf allen Gebieten gotischer Kunst hinzu, so können wir auf eine höchst respektable, viel zu wenig gewürdigte Leistung wissen- schaftlicher und musealer Art verweisen, die in den gleichgericltteten Bestrebungen zur Darstellung der barocken Kunst in Öster- reich ihr Gegenstück und ihre Ergänzung findet. In diesem Konzert spielte das Land Niederösterreich bisher nicht ganz die seiner Stellung angemessene Rolle. Sei es, daß Wien seinen unbestrittenen Vorrang beanspruchte, sei es, daß man die lokalen Schulen zu wenig beachtete, was wieder in der noch nicht zureiehenden Erforschung derselben begründet erschien. Auch die Ausstellung in Krems-Stein kann diese Probleme nicht lösen. Dagegen will sie zur Untersuchung der Wechselwirkung von Niederösterreich und Wien sowie zum Studium der örtlichen Produk- tion wenigstens anregen. Wieso darf sich aber eine Stadt von bescheidener Größe diese Aufgabe stellen? Hiezu wäre zu sagen, daß die Doppelstadt an der Donau bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts nach Wien der bedeutendste wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkt Nie- derösterreichs gewesen ist, daß es vor allem in seinen kirchlichen und profanen Baudenkmälern nicht unerhehlichrs zum Thema zu sagen hat und daß in der nunmehr gänzlich wiederhergestellten spätromanisch-frühgotischen Steiner Minoritenkirche mit ihren Annexen (Sakristeikapelle und Kapitelsaal) ein geeigneter Raum zur Verfügung steht, der sich schon bei der Krernscr Schmidt- Ausstellung 1951 sehr bewährt hat. Für die laufende Veranstaltung ist ihm auch die benachbarte Göttweigerhofkapelle mit ihren Frcskenzyklen aus dem Anfang des 14. jahrhunders angeschlosSen. Organisatorisch teilen, wie damals Bund, Land und Stadt die nicht unerheblichen Kosten eines solchen Vorhabens, während das Bundesdenkmalamt und die staatlichen Museen sowie das niederösterreichische Landesmuseum ihre Werkstätten und letztere, ebenso wie die in n. ö. Stadtmuseen, die erbetenen Objekte zur Verfügung stellten. Desgleichen stellen die Mitarbeiter einen ideellen, nur dem einen Ziele dienenden Kreis dar: die Bedeutung der Gotik im größten Bundes- und Stammlande Österreichs endlich zusammenzufassen, nach Gebühr zu würdigen und die lir- gebnisse eingehenderer Studien in einem geplanten größeren Werke festzuhalten. So zeigt denn die Ausstellung tatsächlich einen ungeahnten Reichtum an Objekten verschiedenster Art aus geistlichem und welt- lichen Besitz, der mit nicht genug hoch zu schätzender Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt wurde. Als Novum darf verzeichnet werden, daß in Krems über die Werke der Tafel-, Buch- und Glasmalerei sowie die Skulptur hinaus, erstmals auch die Archi- tektur durch Großphotos dargestellt wird, daß Waffen und Gegenstände zur Kenntnis der Volkskunde, sowie der Grahplastik das Bild vervollständigen, das Alphons Lhothsky von höherer Warte aus im Vorwort zum Katalog über die „Gotik in Niederöster-_ reich" gesehen hat. Wenn wir noch auf die Werke ausländischer Kunst verweisen, von denen hier eine Auswahl mitgczeigt wer- den konnte, legen wir ein Zeugnis ab für die hochstehenden Interessen unserer Vorfahren im ausgehenden Mittelalter und für den Reichtum des Landes an kulturellen Werken trotz schwerster Prüfungen, denen immer wieder gerade Niederösterreich Stand halten mußte und standhielt. Fritz Dworschak Drei in diesem Heft gebrachte Bilder sind einem Aufsatz von Dir. Dr. F. Dworschak über ,.Die Malerei der Golik in Niederösterreich" entnom- men, den wir in einer unserer nächsten Nummern bringen werden. Die Redaktion