ferne von jeglichem Theorctisicren, in ihrem Werk hat gleichsam die große Befreiung von den Formeln der Psychoanalyse stattgefunden. ihre Freiheit ist vielleicht nichts anderes als ein Ahwerfen der letzten außcrkünstlerischeit Bindungen. Action painting: der Prozeß des Malens als End- und Selbstzweck, der Weg als Ziel. Das scheint gleichbedeutend zu sein mit einem Dominieren des ewig Transitorischen, Momcntgeborenen, Unstabilcn, Unfertigcn in den Werken. In der Tat sind diese Arbeiten - denken wir hier be- sonders an die eindrucksvollen Leistungen von Bcnrath, Duvillcr, Mario Garcia und George Mathieu - technisch „hingeschmicrW, an den Tag, ja vielleicht die Stunde des Entstehens gebunden. Wie bezeich- nend ist es, dafl sich ein Bild von Soulages einfach „Z0 Dcccmbre 1958" nennt! Trotzdem können wir mit Sicherheit feststellen, daß die besten dieser Arbeiten vollendet sind im orthodoxcsten Sinn des Wortes. Stubbings „Crow Ceremony" etwa, aus konzentrischen Ringen vcrschiedenfärbigei" Handabdrücke geformt, ist im Gesamtaufbau ebenso folgerichtig durch- dacht und mit allen Mitteln künstlerischer Ökonomie ausgeführt wie jedes gute Bild irgendeiner anderen historischen oder modernen Mal- riehtung; bei Zao-Wou-Ki, einem Chinesen, kann man bei aller - hier sicher vermeintlichen - Spontanität sogar beinahe schon von einer Art von Ovcr-Finish sprechen; in dem geradezu geisterhaften „Par dela ltt mcmoirc" des Persers Nasser Assar steckt so unendlich viel echte, feine, virtuose Mal-Kultur, daß man sofort spürt: diese Kunst hier, ohne den mächtigen Einfluß von Paris nicht zu denken, wäre ohne die Tra- dition der europäischen und asiatischen Malerei mit ihrer nach jahr- tausendcn zu messenden Lange unmöglich, sie ist Glied einer langen Kette, vielleicht vorläufig noch das letzte Glied, sicher in einiger Zeit nur noch eincs unter unzähligen; mag sein, daß die jungen Maler in mancher Hinsicht manches negieren wollen, aber gerade ihre Kunst be- weist, daß man Jahrhunderte nicht abschütteln kann wie ein nasser Hund die Tropfen von seinem Fell. Vom Standpunkt einer Kunstgeschichte als Geistesgeschichte gesehen, ist die Kunst unserer Pseudo-Delinqucnten nichts anderes als das fol- gerichtige Ergebnis des nunmehr restlos gewordenen Fortfalls jeglicher Auftrags-Bindung. Es bestätigt . h die Tatsache, daß es die Aufgabe des Malers ist, schlechthin zu malen und sich lediglich um die Lösung rein malerischer Probleme zu kümmern. Die Welt des Malers ist die Welt von Farbe und Fliichc, sonst nichts. Das Thema des Bildes wurde dem Künstler durch jahrtausende hindurch auferlegt; gerne haben sich die Meister dem Diktat gebeugt, haben sich an den ungeheuren Schwie- rigkeiten, die der Zwang zum Themenhaften in Hinblick auf die Reali- sierung ihrer Farb-Visionen bedeutete, zu jenen Leistungen figurativer Kunst anfeuern lassen, die die Glorie aller historischen Schulen, Rich- tungen, Perioden ausmachte. lleute aber ist es so, daß die Freiheit der Kunst gleichbedeutend ist mit der Freiheit vom Auftrage. Heute sind Auftrag und Freiheit unvcrsöhnliehe Widersprüche geworden, ein Blick auf das Schaffen mancher Länder hinter dem Eisernen Vorhang genügt... Unbeantwortet bleibt die Frage nach den Möglichkeiten und Zielen der Zukunft. Doch zurück zur Ausstellung selbst: Sie spiegelt die Persönlichkeit dessen, der sie zusammenstelltr, ebenso deutlich wie die der auserle- senen Künstler. Deshalb wirken einige wenige Leistungen, die in das geschlossene Gesamtbild nicht hereinpassen wollen, doppelt fehl am Platze. Ist das Porträt von Salles (der bis vor kurzer Zeit ebenfalls non- figurativ malte) ein Fremdkörper in dem gegebenen Organismus, bleibt die Hinzuziehung von Arbeiten der Osterreicher Hundcrtwasser und Fuchs überhaupt unverständlich - Welten stehen nebeneinander, die einfach nichts, aber auch gar nichts gemein haben. Prachensky, Bischof und Rainer würden an sich ohne Zweifel in den Circus vitiosus Alvards gehören, aber an ihren Bildern erweist es sich, da]! sie längst noch nicht jene Stufe von könnerischem Virtuosentum erreicht haben, dem der Umgang mit einer restlos gcmcistcrten Farbe einfach kein Problem mehr ist. Schade, daß Ludwig Merwart, Theo Braun und Günther Kraus nicht vertreten sind - auch Bischofshausen hätte gut in diese Familie gepaßt. Selbst in der kürzesten Besprechung dieser Ausstellung darf ein Hin- weis auf den „historischen" Teil nicht fehlen: Mit Souveränität uttd größter Treffsicherheit wirft Alvard in der Dokumentation der Ent- wicklung mit literarischen und optischen Pointen um sich, es ist ein Vergnügen, sie aufzufangen . .. Es ist sicher, daß wertvolle, unvcrgcßliche Anregungen von dieser Aus- stellung ausgehen werden, einer der beachtlichSten der letzten Jahre. Dr. Köller Zao Wou-Ki, geh. Peking 1921: Peinlurc. 1959. 202 x97cm. Magisch-mystisch wirkt diese Fnrbvision, die in der Koordinie- rung des scheinbar Spontnnen, Zufälligen mit ziusgcrciftcm, sich seiner selbst durchaus bewußtcn Können ebenso der Tradition Chinas wie der neueren Malerei von Paris verpflichtet ist. 25