DER HARRACH-KELLER IN BRUCK AN DER LEITHA ichloß Rohrau bei Bruck an der Lcithn. rild Ubßn: )stfront des Schlosses. Eine Gründung das 13. Jahrhunderts, geht der leuligc Bau jedoch im Kern auf eine Wasscrburg des 16. jahrhunderts urück, die nach vielfachen Veränderungen schließlich am Ende des 8. Jahrhunderts im damals herrschenden klassizistischen Stil umge- tallet wurde. lilll unten: {auptfront mit malerischer Brücke und Toranlagc. „Treter ein! - Wohlan, lhr werdet Wein von vielerlei Art finden!" Mit diesen einladenden Worten beginnt eine Inschrift, die Franz Anton Graf von Harrach, Fürsterzbischof von Salzburg, unter sein Wappen, die drei Straußcnfedcrn, setzte und an einem Weinkeller anbringen ließ, der in seinem Auftrag anno 172i in Bruck a. d. Leitha errichtet wurde. Als man daranging, die ebenerdigen Räume im alten Amtsge- bäude neben Schloß Prugg zu einer Weinstube umzugestalten, wurde die prächtige Wappenkartusche aus weißem Marmor hierher übertragen und ziert heute den Kamin in der sogenannten Waffenstube. Architekt Robert lidercr, Wien, in dessen Hand die Adaptierung und Innenausstattung der Räume lag, hat gezeigt, wie eine solche Aufgabe untcr Berücksichtigung der architektonischen und kulturhistorischen Umgebung gelöst werden kann. Hätte er hier vielleicht ein Lokal im internationalen Esprcssostil einrichten sollen? Das wäre völlig fehl am Platze gewesen. Leider sind aber derartige Gechmacklosigkeiten bei uns an der Tagesordnung. Überall auf dem Lande kann man jetzt solche mit billigen modernistischen Effekten aufgeputztc Gaststätten entstehen sehen. Die verantwortlichen Auftraggeber und Ausführenden scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, daß diese innendekora- tive Allerwelts-Konfektion nicht die geeignete Form für den ländlichen Bereich ist. Architekt Ederer hingegen hat sich bei der Ausgestaltung des Harrach- Kellers darum bemüht, den besonderen Charakter dieser Gaststätte zu betonen. Es ging ihm darum, die Gäste mit einer Atmosphäre zu um- geben, die dem genius loci, der Nachbarschaft mit dem mächtigen Schloß Rechnung trägt. Er hat aus dessen Sammlungen, aus den Beständen der Waffem, Rüst- und Sattelkammer, Gegenstände herübergenommen, die geeignet sind, im Besucher Assoziationen mit den verschiedenen Aspek- ten jencs längst vergangenen feudalen Lebens wachzurufen: mit dem edlen Waidwerk, der Reitkunst und dem Waffenhandwerk. Alte Jagd- waffen, barocke Pferdebilder, Zaumzeug, Steigbügel, Sättel, Fliegen- netze mit Kokarden und Troddeln in den rot-weißen Wappenfarben der Harrach, und Namenstafeln von Pferden aus den griiflichen Stal- lungen, schließlich Helme, Harnische, Degen und Hellebarden schmücken die Räume, die dementsprechend: Waffenstube, Jagd- und Hengsten- stüberl benannt sind. Der dichte Wagenpark und die zahlreichen Besucher an den Wochen- enden und an Feiertagen beweisen, daß Auftraggeber und Architekt hicr das Richtige getroffen haben. Der Harrach-Keller erfreut sich nicht nur wegen der kulinarischen Genüsse, sondern auch wegen seiner stimmungsvollen Einrichtung allgemeiner Anerkennung und Beliebt- heit. Denn der Städter und schon gar der Ausländer verlangen nicht, am Land pseudo-slädtische Einrichtungen vorzufinden. Kommen sie doch hierher, um mit Hilfe von Ländlichkeit und ein bißchen romanti- schem Nacl-iklingen der Vergangenheit von der Uniformität und Hast des Alltags Erholung und Ablenkung zu finden. Viele noch ungenutzte Möglichkeiten bieten sich da den Architekten und den Unternehmern, um in den alten Dörfern und Städtchen unseres Landes, zumal in der Wachau, aber auch in den Orten nahe um Wien die von Robert Ederer in Bruck gebotene Anregung aufzugreifen. Überdies soll nicht unerwähnt bleiben. daß jeder Besucher des Harraeh- Kellers dazu beiträgt, das nahe von Bruck gelegene Schloß in Rohrau, dem Geburtsort llaydns, das nach Krieg und Besatzungszeit in trostlos baufalligcm Zustand war in seinem architektonischen Bestand zu er- halten. Da sich in Rohrau eine Hühnerfarm befindet, die den Brucker Keller mit Nachschub versorgt, ist es dank der hohen Besucherzaltl bereits möglich gewesen, die Dächer und Fassaden des Schlosses einer sachgemäßen Restaurierung zu unterziehen. Es wäre zu hoffen, daß sich der Harrach-Keller weiterhin eines so großen Zuspruch: erfreut, damit Schloß Rohrau zur Gänze wiederhergestellt werden kann. F. W. 28