Die Biennalen, die sich stets um den Kern einer Ausstellung der Bild- hauerkunst in einem bestimmten Lande gruppieren (1957 wurde die deutsche, österreichische und schweizerische Plastik gezeigt), boten eine sich ständig erneuernde Gelegenheit, durch Ankäufe, Schenkungen und das Entgegenkommen der Künstler, die Sammlung zu ihrem heutigen erstaunlichen Umfange zu erweitern, wie ihn dcr vorliegende, ausge- zeichnet ausgestattete Band als stolzer Rechenschaftsbericht zeigt. Die Ausstellung der Plastiken kann eine beinahe mustergültigc genannt werden. Im Freiraum der herrlichen, gepflegten Parkanlagen entfalten die Skulpturen ihr eigenes Leben, können sie ihre Massen und Maße gegen den Raum und im Raum entwickeln. Das wechselnde Licht ent- hüllt ihre feinsten Modulationen und unterzieht sie einer ständigen scharfen Prüfung, der nur die stärksten unter ihnen standhalten können. In ihrem jetzigen Zustand gibt dic Sammlung einen sehr weitgehenden Einblick in die Entwicklung der zeitgenössischen Skulptur, wenn auch die Schwergewichte manchmal eher vom Auge des Liebhabers als von der Erkenntnis des Kenncrs verteilt erscheinen. So vermag sich die süßliche Glfitte Medardo Rossos, so wichtig sein Werk vielleicht auch dem Kunsthistorikei- sein mag, nie gegen die elementare Form Rodins zu halten, der perforierte Naturalismus Gargallos nic gegen Gonzales. Und dic Lücken, die durch das Fehlen von plastischen Werken von Bran- eusi, Degas, Matisse und Picasso vorhanden sind, bleiben zu offensicht- lich, als daß sie übergangen werden könnten. Trotzdem bleibt das Ge- leistete erstaunlich und ist fast ein Wunder zu nCnnCn. In nicht ganz zehn Jahren eine Sammlung aufzubauen, in der Georges Minne. Du- champ-Villon, Lehmbruck, Lipschitz, Zadkine, Arp, Laurcns, Marini, Moore, Germainc Richicr, Giacomctti vertreten sind - und meistens nicht nur mit einem, sondern mit mehreren Werken -. ist eine groß- :trtige Leistung, die zu studieren und nachzuahmen hierzulande empfeh- lenswert wäre (Österreich ist übrigens mit Fritz Wotruba, Leinfellner und Bcrtoni würdig vertreten). Obwohl es sicher ist, daß manche, vielleicht viele dcr Plastiken den unerbittlichen Maßstab der Zeit nicht überdauern werden, ja ihnen schon heute zum Opfer fallen, hat hier ein großer Gedanke eine große und großzügige Form angenommen. Das hervorragende Buch über Middelheim setzt ihm ein würdiges Denk- mal, es gilt einer Liebe zur Kunst, die sich nicht in vagen Phrasen und Bekenntnissen ergeht, sondern sie wieder zu einem Bestandteil des tiiglichen Lebens zu machen versucht. CLAUS PACK Denys Sutton.- Christieß Since thc War. 1945-1958. An Essay on Taste, Patronage and Collecting. Im Selbstverlag von Christic, Manson S: Woods, Ltd., 152 5., 185 Abbildungen, 5 Farbtafeln. Preis: 5 Guincas. Kein anderes Auktionshaus der Welt außer Christie's in London ist in der Lage, einem (nahmhaftcn englischen) Kunsthistoriker aus einem Zeitraum von nur dreizehn Jahren soviel Material zur Verfügung zu stellen, daß daraus ein auch für den Kunstliebhabcr, nicht nur für den Kunsthfindler interessantes, und umfangreiches Werk entsteht. Der Ehrgeiz dcr Firma Christic, Manson ü Woods Ltd., mit dieser Publi- kation ihre überragende Stellung auf dem Kunstmarkt zu dokumen- tieren, ist durchaus gerechtfertigt. Wurden doch durch sie in den ver- gangenen dreizehn Jahren die Sammlungen Fitzwilliam (Gemä e, Art- tiken u. a.) 1948, und Hutchinson (Ticrbilder) 1951, die Biblio- thek des arl of Dcrby 1953, und dic von Chatsworth 1958, sowie die Porzellansamntlung der Baronefl van Zuylcn van Nyevelt 1956, oder die Uhrcnsammlung Courtenay llbert 1958, um nur einige herauszu- greifen, versteigert. Wie nach dem Ersten Weltkrieg auf dem europäischen Festland, zwan- gen nach 1945 Verarmung oder auch die hohen Erbschaftssteucrn den englischen Adel, die Finanz- und Industrickreisc zur Auflösung, bzw. zum teilweisen Verkauf der Privatsammlungen und London wurde da- durch zum Kunsthandelsplatz Nr. 1, wo Käufer und Verkäufer aus aller Welt den Standard für höchste Preise setzen. Daß sich diese Höchst- prcisc nicht immer mit dem rcalcn Wert des Kunstwcrkcs decken, zeigte 1958 die Versteigerung eines Bildes von Cczanne bei Sotheby's um 230.000 E, ein Preis, der alle Erwartungen übertraf. Dem Zuge unserer Zcit folgend, hat sich auch das Bild der Käufer- sehaft weitgehend verändert. Diese setzt sich nicht mehr. wie frü- her, fast ausschließlich aus privaten Sammlern, die seit Generationen zu Christie's Klientele zählen, sondern aus Beauftragten der staatli- chen und städtischen Museen, der großen Industriekonzerne und „Foundations" zusammen. So befanden sich unter den Käufern dcr letzten Jahre: Thc Mctropolitan Museum of Art, New York (Chippendale Kommode, 1955), The Pierpont Morgan Lihrary. New York (P. Breughcl d. Ä., Ansicht des Rheins, Federzeichnung 1952), das Rijkmuseum in Amsterdam (ein holländischer Rosenwasser-Krug und Teller, 1947), The Dunedin Art Gallery, Auckland, New Zealand (Sickert, Der Alte Heffel, 1955) oder The Calouste Gulbenkian Foundation, Lissabon (eine K'ang Hsi Famille Noirc Vase, 19-15) um nur einige zu nennen. Auch andere große Auktionshiiuser wagen es, für das eine oder andere Kunstwerk enorme Preise zu bieten und dieses zu lagern bis ein noch günstigeres Ergebnis in Aussicht steht (so erstand Thos. Agnew St Sons, 1946 eine Hobbema-Landschaft um 11.025 E). Denys Sutton bringt nun in seinem Essay über Geschmack, Mäzenatcn- tum und Sammeln einen Einblick in die Geschichte des Auktionshauses Christie, das Jamcs Christie I (1730-1803) gegründet hat; zugleich gibt er damit ein Spiegelbild dcr Kunst und des Kunstsammelns jenseits des Kanals. Denn erst seit Charles I (dem die große Sammlung des Her- zogs von Mantua angeboten wurde), entdeckte der englische Adel und ' gebildete Bürgertum scinc Liebe zur Kunst. Von der obligaten Grand Tour brachte man Kunstwerke (so z. B. I.'Umana Fragilita von Sal- vatore Rosa, das Lord Northwick vom Papst Alexander VII. kaufte. odcr M. Ricci, Die Heilige Familie, dic beide 1958 bei Christie's zur zur Versteigerung kamen), manchmal auch Künstler selbst aus Italien und Holland mit (Pellegrini, M. Ricci, Guardi und Canaletto oder Van Dyck). Bilder von Guardi und Canaletto, (Canaletto, Der Portello und der Brenta-Kanztl in Padua und F. Guardi, Capriccio - ein Paar - 1955, bzw. 1956 verauktioniert), gelangten schon zu Lebzeiten der Künstler in englischen Besitz und Christie versteigerte solche mehrmals im Laufe der letzten 100 Jahre. Vor und nach der französischen Re- volution fandcn die von den Emigranten nach England geretteten oder von den Jakobinern erbeuteten Schätze, darunter kostbarste Möbel des 17. und 18. Jahrhunderts, bcreitwilligc Abnehmer. (So wurde 1958 ein Sekretär Louis XV., signiert Lacroix, für 12.0752 bei Chri- stic's versteigert.) Die Engländer wurden aber nicht nur zu Schiitzcrn und Genießern kontincntaler Kunst, sondern, angeregt durch auslän- dische Beispiele wurde die Royal Acadcmy gegründet, aus der bald dic berühmtesten Porträtistcn und Landsehaftsmaler des 18. und 19. Jahr- hunderts hervorgingen („Der Erntewagen" von Gainsborough wechselte 1946 für 20.4755 den Besitzer, oder Romncys Portriit Maj. General James Stuart ging 1956 um 3.150 E an die Schottische Nationalga- lerie in Edinburg, 1958 war das Porträt einer Lady von Lawrence auf dem Markt und wurde für 6.3002 vom Earl of Waldcgrave der Firma Lcggatt Brothcrs überlassen). Zur gleichen Zeit erlebte die englische Möbelindustrie ihren Aufschwung und ihre Erzeugnisse (von Adam, Hope, Hepplewhite) erzielen heute höchste Preise (so wurde z. B. eine Garnitur von Adam-Sesseln 1957 um 7.560 9 verkauft). Parallel mit der französischen, (Sevrcs) und der deutschen (Meißen, Nymphen- burg) Porzellanerzeugung pflegten englische Manufakturen (Chelsca, Staflord, Worccster, Wedgewood) den heimischen Geschmack (ein Chel- sea Dessert Service erzielte 1956 2.310 Q). Mit den Erzeugnissen Josiah Wedgewoods (ca. seit 1800) manifestierte sich die englische Vorliebe alles Klassischen und mit großem Erfolg verwendete er Motive der griechisch-römischen Kleinkunst für seine Ware. Im 19. Jahrhundert sind es J. Constablc, W. Turner und William Blakc, mit deren Namen sich die Kunst der Insel in die vordersten Reihen der europäischen schiebt. (W. Turner, l-Ielvoelsluys - 195-1 bei Christie's - 9.240 Q oder J. Constablc, Sitlisbury Cathedral, 1952 - 21.525 S). Als in Frankreich die ersten Impressionisten auftauchten, waren es eng- lische Künstler (z. B. Turner) und Kunsthiindler (Hay) die diese zu sammeln begannen. Obwohl die moderne Kunst in Paris einen idealen und unumstrittenen Marktplatz gefunden hat, gelangen auch bedeutende Werke dieser Richtung in London zur Versteigerung (so z. B. ein Van Gogh, Die Wälle von Paris 19-18, oder Picasso, Die Sybille 195-1, Ma- tissc, Porträt des Andre Derain 1954). Der Autor hat in seinem Essay das Gebiet des Kunsthandcls und Kunstsammelns von allen Seiten gebührend beleuchtet und unterhaltend dargestellt. So verschieden die Gesichtspunkte, die Verhältnisse, die Mo- tive und der Geschmack sind, unter dcncn Kunstwerke entstehen und gesammelt werden, so verschieden ist auch ihre Wertschätzung, und so- mit ihr Preis. Eines kann aber für alle gesagt werden, nämlich daß die Freude und der Stolz, von etwas Schöncm oder Raren umgeben zu sein, ihnen allen gemein ist. JOHANNA HABERL 28