jedoch vor jeglicher Komplikation der Komposition durch Überschneidungen hüteten. Gegenüber der Kunst von Bonampak bedeutet die Malerei der Tolteken einen eindeutigen Rückschritt. Die Tolteken selbst, die unter Führung ihres um die Wende des 1. Jt. n. Chr. vertriebenen Königs Quetzalcoatl Ce Acatl:„Federschlange Eins Rohr" aus dem Hochtal von Zentralmexiko in das sumpfige. urwaldbestandene Küsten- gebiet eingedrungen waren, hatten erst kurz zuvor, an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert, die sogenannte Teo- tihuacan-Kultur überwältigt, der wir die älteste Sonnenpyramide des Gebietes verdanken. Diese war überhaupt die erste Hochkultur des mexikanischen Hochlandes und hatte sich im 3. Jh. n. Chr. in einem Gebiet etabliert, das vorher noch ganz den jungsteinzeitlich-vorgeschichtlichen Charakter getragen hatte, wie er den „Mittleren" oder „Archai- sehen" Kulturen zueigen war. Trotzdem konnte sich auch die Sonnenpyramide von Teotihuacan auf ein viel älteres Zeremonialbauwerk beziehen, nämlich auf die Rundpyramide von Cuicuilco, die bereits die für die spätere Zeit so charakteristische, durch eine monumentale Freitreppe erreichbare Plattform mit darauf errichteten Tempelcellae und Götterbildern aus Stein oder Holz aufzuweisen hatte. Die in drei Perioden unterteilte Teotihuacan-Kultur schuf die erste monumentale Sakralstadt Zentralmexikos, deren Bauten auf einer Nord-Süd-Achse aufgefädelt waren. Die Achse endete im Norden im „Tempel des Mondes", im Sü- den im „Tempel des Quetzalcoatl", während sich im Osten die bereits erwähnte Sonnenpyramide erhob. Flachgesich- tige, hieratische strenge Steinmasken, Tempelfassaden mit phantastischen Köpfen, vielfigurige, farbenreiche Wand- gemälde charakterisieren die Kunst von Teotihuacan; bei all diesen Werken geht es um die Erflehung von Feldfrucht- barkeit, um die Verehrung der Regengötter. Eine Keramik in Schab- und Ritztechnik oder polychromierter Malerei auf Stuckgrund ergänzt das Gesamtbild einer Kultur, die noch durchaus unblutig und friedfertig war. Die äußerst dünnwandigen Gefäße, die sogenannte „Orangegelbe Ware", bildeten einen beliebten Exportartikel. Mit den Tolteken setzten sich neue Ideale durch; die rein theokratische wurde durch eine militante Kultur abgelöst. Teotihuacan wird verlassen und bildet bald eine geradezu geisterhafte, scheu gemiedene Ruinenstadt; das neue Zen- trum heißt Tollan (Tula), das 856 n. Chr. gegründet wurde. „Plumbate Ware", Tongefäßc mit einer metalliseh-lüsterq artigen orangebraunen oder graugrünen Pseudo-Glasur ist eine der Leitformen der Periode. Während innere Spannungen um 1000 n. Chr. zur Vertreibung des bereits erwähnten Quetzalcoatl führten, waren es im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts wiederum Neueindringlinge aus dem Norden, die Chichimeken, die der toltekischen Periode Zentralmexikos ein Ende bereiteten. Und wieder machten sich relativ unkultivierte, barbarische Jäger zu Herren der ansäßigen Bauernbevölkerung, um bald genug und ganz bewußt deren Kultur anzunehmen. Ein Teil- stamm dieser Gruppe. die Azteken, siedelten sich nach allerlei Machtkämpfen und durch kluge Ausspielung von Stammesgegensätzen um 1370 auf einer Insel im See von Mexiko an; damit war die letzte, kaum 150 Jahre dauernde Glanzperiode der alt-mittelamerikanischen Kulturgeschichte eingeleitet. War Montezuma Il. der populärste Groß- Häuptling des westlichen, in Tenochtitlan (heute Mexico City) ansäßigen Stammeszweiges, so ragen unter den in Europa allgemein bekannten Gottheiten Huizilopoehtli, der Kriegsgott und der bereits bekannte Quetzalcoatl, Herr der Gelehrsamkeit und Chef des Priesterstandes, hervor. Ähnlich wie bei der lamaistisehen Spätform des Buddhismus treten die Gottheiten in mehreren Aspekten auf, ihre Bezeichnung erfolgt in Synonymen Namensgruppen. In jeder Hinsieht ist die aztekische Kultur eine „summa" und ein Fazit der Gesamtentwicklung, ein Gesamt-Überbau von gewaltigen Ausmaßen; dabei darf jedoch nicht vergessen werden, daß die Herrschaft Montezumas kaum mehr war als die Herrschaft über einen Stamm, eine Clan-Gruppe. Sie war weit davon entfernt, Vergleichen mit den Inkas oder gar den Kulturen des Alten Orients standzuhalten, zumindest was den machtpolitischen Aspekt anbelangt. Der Aufbau des Gemeinwesens erfolgte nach dem Schema Individuum_Familie-Clan-Stamm_Stammesverband. Die ent-