DIE GALERIE HARRACH GÜN"! U. INZ Die zeitlose Wirkung, die von einer sinnvoll gesammel- ten Bildergalerie ausgeht, die damit überhaupt dem Mä- zenatentum eigen ist, erscheint der zeitgebundenen Lei- stung im politischen Feld überlegen. Für die fernen Ge- nerationen bedeutet die Gründung einer Kunstsammlung oft mehr als die Erinnerung an eine politische Mission in den Weehselfällen der Vaterländischen Geschichte. Die Bedeutenden setzen sich daher ein von der politischen Konstellation unabhängiges Denkmal, wenn sie, die Gelegenheit ihrer Stellung ausnützend, sieh der Förde- rung der Kunst und dem Sammeln älterer Kunstwerke zuwenden. Die Verbindung der einmaligen historischen Situation mit der Unabhängigkeit des Kunstwerkes ist damit ein Charakteristil-zum der alten Bildersammlungen. Der Ruhm des Hauses verbindet sich in ihnen mit dem Ruhm der Epoche, den die bedeutenden Künstler für alle Zukunft verkünden. Dem Gründer steht der Erhalter der Sammlung zur Seite, der den Bestand und dessen eigenen Charakter bewahrt und trotz schwieriger Zeit die zu einer geistigen Einheit gewordene zusammengewaehsene Vielfalt von Werken als ein bedeutendes historisches Erbe erhält. Die Galerie der Harrachschen Familie bietet dem Be- sucher, verbunden mit einigen bedeutenden Ensembles der Malereigesehichte, die Erinnerung an einige Ab- schnitte der Geschichte des österreichischen Reiches, dem die Gründer der Galerie, die Grafen Ferdinand Bonaventura und Alois Thomas Raimund in hoher Stel- lung gedient haben. In Madrid selbst als kaiserlicher Ge- sandter hat Graf Ferdinand Bonaventura die spanischen Bilder erworben und das - abgesehen von der Galerie in Capodimonte (Neapel) - einzigartige Ensemble neapoli- taniseher Malerei verdankt Wien dem Vizekönig des Königreiches Neapel, Alois Thomas Raimund, der seiner Stellung und damit der österreichischen Herrschaft auf diese Weise eine sichtbare Erinnerung geschaffen hat. Die Bildnisse der beiden Persönlichkeiten sind uns in ausgezeichneten Porträts von Rigaud, Largilliere, Soli- mena und Kupetzky überliefert. Die Sammlung spiegelt ziemlich unverändert den Cha- rakter einer Spätbarock-Galerie wieder. Der Geschmack der Gründer war, der Zeit entsprechend, vor allem den romanischen Ländern zugcwendet, was bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts festzustellen ist. Wir wissen aus den Tagehuchnotizcn des Grafen Ferdinand Bonavenlura, daß er mit dem llofmaler des spanischen Königs, Carreüo, in persönlichem Kontakt stand, mit ihm die aristokra- tischen Sammlungen besuchte und sich zweifellos von ihm bei den Ankäufen beraten ließ. Er bewunderte die venezianischen Meister und die Maler des 17. jahrhun- derts bis zu seinen Zeitgenossen. In gewisser Hinsicht kann der Geschmack des Grafen mit dem des Erzhcrzogs Leopold Wilhelm verglichen werden. Von Carreüos Hand besitzt die Galerie zwei Werke, die ganzfigurigen Bildnisse des Königs Karls Il. von Spanien und seiner Mutter, der Königin Maria Anna in Witwen- traeht. Im Prunk der Tracht des Ordens vom Goldenen Vließ, im dekorativen Reichtum des Beiwerks, wirkt das Antlitz des unglücklichen Monarchen geradezu geister- haft. Carreüo hat hier in malerischem Können sich als würdiger Nachfolger des Velazquez erwiesen. Auch in dem Gegenstück, dem hoheitsvollen Bildnis der Köni- gin, das der vorgeschriebenen Tracht entsprechend nur auf die Abstimmung von Weiß und Grau-Abstufungen bis zu tiefem Schwarz aufgebaut ist, zeigt sich die hohe malerische Begabung des Hofmalers. Die Maje- stäten haben beide Bilder eigens für den Grafen Ferdi- nand Bonaventura malen lassen, um sie ihm beim Ab-