stellt hatte, die im Katalog als „unvollendet" bezeichnet
wurden.
Ob Klimt nach der Ausstellunga noch weiter am Bild
gearbeitet hat, läßt sich, da mir Abbildungen des Zu-
standes in der Berliner Ausstellung nicht bekannt sind,
heute nicht mehr feststellen. Selbst der Umstand aber,
daß der so gewissenhafte Klimt ein „unfertige? Ge-
mälde in die Ausstellung schickt, fordert zum Nachden-
ken auf; das Paradoxe daran läißt sich am ehesten aus
der Entstehungsweise eines Gemäldes der Reifezeit er-
klären.
Klimt zeichnete bei seinen Bildnisaufträgen vorerst
rasche Studien der ganzen Figur, von welchen im Fall
des Bildnisses Stonborough-Wittgenstein fünf erhalten
geblieben sind} Es ist anzunehmen, daß sie bei einer
einzigen Sitzung entstanden; die Verschiedenheit der
Signaturen auf den drei Blättern ist entweder ein Aus-
druck der beschwingten Laune, in der die Zeichnungen
entstanden sein mögen, oder es sind die Signaturen nach-
träglich angebracht worden, wofür folgender Umstand
spricht. Die drei signierten Blätter sind jene, die im
Besitz der Familie geblieben sind. Die zwei anderen be-
hielt wahrscheinlich der Maler bei sich und sie kamen
später in andere Sammlungen (und kürzlich in den
Kunsthanclel). jedenfalls sind alle diese Studien nicht
bloß Figur-, sondern Kompositionssludien, aber in einem
besonderen, einschränkenden Sinn. Sie zeigen die Ge-
stalt in der Stellung, die sie im Bild einnehmen wird,
nur der Kopf ist mehr bewegt und die Haltung der
Hände ist bei einigen Studien etwas verschieden. Sonst
ist die Statur mit bemerkenswerter Intuition „endgültigf
erfaßt, obwohl die Figur (wie in ähnlichen Fällen öfters
bei Klimt) in zwei Blättern spiegelverkehrt erscheint.
Die endgültige (jedenfalls die im Bild fast haargenau bc-
folgte) Studie ist die, die er mit GK bezeichnet hat.
Nun ist es eigentümlich, obwohl der Fall auch in ande-
ren Bildnisstudien Klimts ähnlich ist, daß trotz dieser
endgültigen Erfassung der Figur der im Bild so wichtige
Hintergrund in den Zeichnungen keineswegs angedeu-
tet ist. So erscheint es geboten, auf das Verhältnis von
Figur und Hintergrund in diesem ferne an Whistler er-
innernden Gemälde einen Blick zu werfen, und damit
auch einen Punkt der Gcstaltungsweise Klimts zu be-
rühren. Wie die Figur selbst, so ist auch der Hintergrund
ein Bildtcil, in dem sich die reine Flächenhaftigkeit von
dekorativen Formen und Andeutungen des Räumlichen
die Waage halten. Nun ist das Verhältnis dieser beiden
Komponenten, des Räumlichen und Flächigcn, in den
beiden Bildlcilen aber verschieden. Sie folgt in einer Art
von Abstufung, die von dem am meisten [Jlaslischen
Kopf bis zu den nrnamcntalen und harten Flächen-
verhältnissc hinter dem Kopf reicht. Die Schul-
ter, das Kleid, der Fußboden (der „räumlichste"
Teil des fladicn Hintergrundsraumes), und dann die Mauer
bilden die Zwischenstufen. Diese Stufung des im großen
ganzen hellgrau-weißlichen Bildes wird durch Farb-
streifen akzentuiert. Solche subtile formale Überlegun-
gen und Nuancierungen, die die Klimtsche „Diskrepanz"
zwischen Plastik und Fläche im Gegensatz zu vielen
anderen ähnlichen Versuchen im jugendstil überzeugend
erscheinen lassen, wären in der Zeichnung nicht einmal
andeutbar gewesen, da ihr Wesen gerade in der durch
den Ornamentgehalt der Umrisse gleichsam verschleier-
ten Feinheit der Abstufung der raumbildenden Töne
liegt. Der sehr ökonomische Kliml hat es auch unter-
lassen, in den Vorstudien solche unnütze Andeutungen
zu geben.
In dem hier versuchsweise angedeuteten Aufbau des Bil-
des liegt ein Moment des Additiven beschlossen. Dieses
äußert sich eindeutiger in der Behandlung einzelner