während der Bahnfahrt, durch den Türspalt eines Ab- teils gesehen, der Fleischhauer, der auf den Rutarhof kommt. Das sind die Themen, alle einfach angepackt, ohne Schnörkel dargestellt. Unmittelbar werden wir mit allem konfrontiert, da bleibt kein Platz zum Ausweichen. Eine Kunst der Psyehologierung ist hier erreicht, wie sie einzig dasteht in der modernen Malerei. Und welche Nuancierung der sparsam verwendeten Farben, wieviele Abstufungen des Violetts, des Halbdunkels, bis hin zum Erlöschen! Ich habe oft darüber nachgedacht, warum diese eigen- artige Kunst nicht einhelligere Anerkennung gefunden hat. Denn neben der vorbehaltlosen Zustimmung fin- den sieh immer wieder Stimmen, die vor dieser Malerei ratlos sind und mit ihr nichts anzufangen wissen. Neben dem Urteil eines jörg Mauthe, der sagte, man müsse diese Bilder nur aus der richtigen Perspektive, aus dem richtigen Blickwinkel sehcn, sie etwa neben die Bilder der Maler der „Brücke" halten, eines Peehstein, Kirch- ner, Heekel. aber auch eines Nolde, um ihre überragende Qualitäten klar zu erkennen - neben einem solchen Urteil steht das eines andern Kritikers, der diesen „naiven Expressionismus" nur belächeln kann. Was ist davon zu halten? Ich glaube, daß jede Zeit nur das Organ zur Wahrneh- mung bestimmter malerischer Werte hat, und daß da- neben das Erkennen anderer malerischer Werte verküm- mert oder gar nicht entwickelt ist. So ist unsere Zeit blind für alle Qualitäten der Malerei, die mit einer psychologisch exakten Wiedergabe des menschlichen Antlitzes, mit einer zu mythischer Dichte gesteigerten Wiedergabe der Wirklichkeit zusammenhängen. Das sieht man nicht, das will man nicht sehen - das scheint mit „Literatur" zusammenzuhängen, scheint „literari- sche Malerei" zu sein und ist darum verdächtig. Die Haupttendenzen gehen zur „reinen Malerei", die nichts als Form ist, zum Konstruktiven und neuerdings zum Psychogramm, zur spontanen Niederschrift von Pinsel- bewegungen. Innerhalb dieses Kreises ist die Kritik ge- schult, feinste Nuancen wahrzunehmen, darüber vermag sie viel zu sagen. Maler, die bei diesen Tendenzen nicht mithalten, sind da für einen großen Teil der professio- nellen Kritik "erratische Blöcke", man weiß nicht viel mit ihnen anzufangen, man umgeht sie am liebsten ohne zu ihnen Stellung zu nehmen . . . Einhellig ist dagegen die Anerkennung, die Werner Berg als Künstler des Holzschnitts gefunden hat; sein inter- nationaler Rang, den er nur noch mit einem Frans Ma- sereel teilt, ist unbestritten: die Sparsamkeit seiner Mit- tel, seine Formaskese, sein Arbeiten mit den Strukturen des Holzes sind so offensichtlich, daß auch der, der kein intuitives Verhältnis zur Kunst hat, sondern in ihr zu- erst Prinzipien verwirklicht sehen will, zugeben muß, daß hier reine und große Kunstwerke vorliegen. 11