Das Glasfenster ist ein starres Gebilde in seiner materiel- len Existenz, aber seinem inneren Wesen nach ist es voll von Dynamik. Seine Erscheinung wechselt im Ab- lauf der Zeit und auch sein Inhalt offenbart sich nicht auf einmal, sondern in einem längeren Prozeß allmäh- licher Klärung und Offenbarung. Damit ist die Glas- malerei eng mit der Musik verwandt. Doch ist dies nicht der einzige Wesenszug, der sie der Musik an die Seite stellt. Enger noch ist die Beziehung zwischen den Wir- kungsmitteln der beiden Künste. Ton und Licht sind von den elementaren Sinneseindrücken wohl die mäch- tigsten, sie sprechen am unmittelbarsten zu unserer Seele, sie bewegen uns am tiefsten. Während aber der Ton in allen seinen vielfältigen Abwandlungen unseren Alltag füllt, spielt farbiges Licht - so grundversehie- den von den Körperfarben unserer Umwelt - in die- sem eine nur geringe Rolle. Nur das Firmament be- schenkt uns mit leuchtendem Blau und mit der Glut der aufsteigenden oder sinkenden Sonne. Farbiges Licht be- deutet uns daher etwas Ungewöhnliches, Feiertägliches, eine Ahnung jenseitiger Welten, und es ist darum be- greiflich, daß die Glasmalerei ihren Ursprung und ihre höchste Entfaltung im Bereich des Sakralen fand und im Bereich des Profanen nie recht heimisch wurde. Eine Musik der Töne, die der Unterhaltung dient, ist mög- lich und daher in breitem Maß vorhanden, eine Licht- musik, wie sie die Glasmalerei darstellt, auf das Gebiet der Unterhaltung ausgedehnt, ist kaum vorstell- bar. Der Klang ist irdisch, ist schwingende Materie; wo sie fehlt, im leeren Raum, herrscht Schweigen. Aber noch die tiefsten Tiefen des Alls durchzittert die ge- heimnisvolle, schwerelose Schwingung des Lichtes. Albert Birkle wurde als Sohn schwäbischer Eltern am 21. April 1900 in Berlin geboren und die Atmosphäre dieser Stadt mit der Sattheit und dem trügerischen Glanz des wilhelminischen Deutschland bildete das Milieu 4 seiner Kindheit. Aber das Grauen des Ersten Weltkrie- ges, das der junge Mann zutiefst erlebte und erlitt, wandelte ihn und weckte das ethische Verantwor- tungsbewußtsein, das den tiefsten Kern seines Wesens bildet. Von 1919 bis 1926 lernt der junge Künstler an der Berliner Akademie bei Professor Arthur Kampf und schon 1923 nimmt ihn Lovis Corinth in die Berliner Sezession auf. 1926 erhält er eine Berufung als Lehrer an die Akademie in Königsberg, aber große Aufträge für Kirchenausmalungen in Württemberg zwingen ihn, das Lehramt abzulehnen. 1933 schafft Albert Birkle sein erstes Glasgemälde, das riesige Fenster in der Kirche von "Herrenberg bei Stuttgart. Bis er das zweite Werk dieser Gattung gestaltete, sollten vierzehn Jahre vergehen! Sie waren angefüllt mit Arbeit und Erfolg, mit Enttäuschung und Verfemung, mit dem Erlangen einer neuen Heimat in Salzburg, mit Reisen und schließ- lich mit den Schrecken, Leiden und Verlusten eines neuen Krieges, den der Künstler wieder als Soldat durchstehen mußte. 1927 begann in Berlin die lange Reihe von Kollektivausstellungen. 1937 ließ Hitler die Bilder Birkles aus dem „Haus der Kunst" in München entfernen, 1938 wurde der Künstler in der Ausstellung „Entartete Kunst" angeprangert. Sein Freund und Gönner, Dr. Max Ncumann, ermöglicht ihm 1933 den Bau eines eigenen Hauses in Salzburg, indem er Bilder von ihm in Zahlung nimmt. Der Künstler genießt nicht nur das Glück der Abgeschiedenheit, er benutzt die neue Freiheit zu Reisen im Norden und Süden Europas, aber auch in Polen, Schlesien, Ungarn und jugoslawien und gewinnt aus der Landschaft, ebenso wie aus den sozialen Verhältnissen, die er antrifft, reiche Anregun- gen für sein Schaffen. Doch bald senken sich wieder die Schatten. Schon die Besetzung Österreichs betrach- tet Birkle als den Anfang des Krieges, dessen furchtbures Ende er trotz aller Siegcsmeldungen klar Voraussicht.