ALS KÜNSTLER DIESER ZEIT ALBERT BIRKLE Als der Erste Weltkrieg ausbrach, waren wir Kinder. Bis dahin lebten wir in der Pracht wilhelminischer Mi- litärparaden. Unser Kaiser war der größte Kaiser der Welt, und in blitzender Kürassieruniform ritt er, hoch- erhobenen Schnurrbarts, seinen farbenprächtigen Sol- daten wie im Märchen voraus. Im vierten Kriegsjahre war ich auch Soldat, und man hatte mich in eine schmutzige graue Uniform gesteckt. Aber das Kinderherz war geblieben und blutete und litt unsäglich unter der jähen Entwicklung zur gräßlichen Wirklichkeit, unter der es reifen mußte. Schon als Gym- naSiaSt hatte ich begonnen, über das Unsinnige nachzu- denken und bis tief in die Nacht hinein über Geschichts- werken zu grübeln. Daraus und aus dem erfahrenen Schicksal derer, die in den Schützengräben verbluteten, formte sich eine eigene Schau, unter der die Welt ver- logener Schulweisheit zusammenbrach. Endlich war der Krieg zu Ende. Und nun ward die Welt der Brüderlichkeit und des Sozialismus verheißen, und wir jungen sollten mitgestalten dürfen an einer schöneren Zukunft. Es war eine Zeit der Begeisterung und des Aufbruchs auf allen Lebensgebieten. Bald aber folgte die Ernüchterung. In der Großstadt machten sich die Parasiten der neucn Freiheit und Humanität bereit. Ich flüchtete aufs Land, in die Schön- heit der Natur, wie Gott sie gewollt hatte. Hier konnte ich malen, "wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet", ganz hingegeben an die Natur, ohne Theorie und Rezept. Die Großstadt aber mit ihrer Technik und dem Zynis- mus ihres Lebensstiles drängte mich zur Opposition, und aus innerer Abwehr entstanden die Bilder jener Epoche, die den Menschen der Großstadt zum Gegen- stand haben, wie er verstrickt in seine Süchte nirgend Gelassenheit findet und vergeblich hastet, seinem Schick- sal zu entfliehen. Denn schon waren der Krieg und seine Folgen vergessen, und der Traum eines sozialen Humanismus war ins Gegenteil verkehrt. Die ewigen Kriegsprofitler und Machtstreben" stürzten die törichte Masse _mit denselben Phrasen in eine noch größere Katastrophe als sie es ein viertel Mcnschenalter vorher schon getan hatten. Und wieder kam der Zusammenbruch. Diesmal der to- tale, aus dessen Trümmern keine neue Weltschau, keine neue Hoffnung sich erhoben. Das war die Situation des 4Sjährigen. Und heute? Er steht in dieser Welt aufs neue gepackt von der Angst, daß es der Profitgier und dem Machtstreben einzelner Herrschenden gelingen könnte, wiederum einen neuen, nunmehr endgültig letzten, Weltkrieg auszulösen. An- gesichts des Begreifens der unheimlichen Entwicklung der Naturwissenschaften kann es für mich als Mensch und als Künstler heute keine andere Aufgabe mehr ge- ben, als mich dem mit allen meinen Kräften entgegen- zustemmcn. Der Künstler von heute kann nicht mehr l'art pour l'art betreiben. lis geht nicht mehr um Form- problemc, es geht um die Existenz. Wie der Rufer in der Wüste muß er die Menschen aus ihrer Lethargie wachrütteln und packen und muß sichtbar machen, an welchem Abgrund die Welt heute steht. Durch die Sünde wider den Geist hat sich der Mensch gegen Gott gestellt. „Eritis sicut Deus" heißt es im ersten Buch Mosis. Heute ist er wie Gott und hat die dämonische Macht, nicht nur sich selbst, sondern alles physische Leben auf unserem Stern Erde auszurotten. Das muß einmal der Künstler mit aller Furchtbarkeit und Deutlichkeit aufzeigen. Am eindringlichsten aber kann er durch das diaphane Farbienster in die Sphäre letzter menschlicher Erkennt- nis und Sehnsucht vordringen und kann die Menschen zu Demut und Bescheidenheit zurückführen. Hier kann er jahrhunderte alte Weisheit der Religion als Gleichnis in unserer heutigen Formensprache gestalten. Hier mag es ihm gelingen, schon allein durch das entmate- rialisierte Material des Glases wenigstens den Suchen- den etwas vom Hauch eines höheren Geistigen zu ver- mitteln, Es ist cin bescheidener Beitrag nur, aber es scheint mir, daß der Künstler heute mehr als jeder andere dazu berufen ist, und ich hoffe, daß es ihm mit seinen schwachen Kräften gelingen möge, den Menschen der Menschheit zu erhalten. BEDEUTENDEREAUSGE- FÜHRTE GLASMALEREIEN 19.73 Herrenberg (WürtL), Kath. Kirebe, im Kriege zerstört, zuierlerbergestelll 1958; 1947-1948 Salzburg. St. Blasiusleircbe; 1948 Nieelermlur] (Tirol). Friedlmfslaapelle; 1949 Biscbolslmjen (Salzburg). St. Geurgs- laircblein; 1950-1953 Grnz, Stadlpjarrkir- ehe; 1951 Salzburg, Evangelische Christus- lzirehe; 1952 Pfarrwerlen (Salzburg), Pfarr- leirebe; 1952 Freiburg i. Bn, Dreifaltigkeit:- kircbe: 1953 Göllszlnrffllnttweil (WürtL), Pfarrlzirrhe; 1954-1955 Knittelfeld (Stei- erm.), Pfarrkirrbe; 1955 Ulm a. 11. D., St.- Hildegard-Kapelle; 1955 Illariapfarr (Salz- burg), Krypla der Plarrkircbe; 1955 Ey- bneh, Kr. Güppingerx (WürtL), Kalb. Kir- che; 1956 Süssen, Kr. Göppingen (IUFIrtL), Alle Kuth. Kirche; 1956 Münsingen (llßürlL), Kalb. Kirrlw: 1956 Aislaigl Obermlnr] (lWürlL), Friedbufskapelle; 1958 Kuppingcn bei Ilerrenberg (lPürlL), Filial- kircbe; 1958 üVilflingen (Hohenzollern). Pfarrleirche; 1958-1959 Graz-lllktzelsdur]. Plarrkirche; 1959 Amstellen (N. Ö.), St. Slelansleircbe; 1959-1960 Ulmvlingerx-Eo- llensee, Slädl. Krankenhaus; 1960 Wüzid- holen a. d. Ybbs (N. 0.). Sludtpfarrleircbe; 1960 Gruz-Welzelszlnr]. Die Glasfenster uvixrden eigenhändig aus- geführt in folgenden [Werkstätte-m Tiroler Glasnmlcrei, Innsbruck; Glasmalerei De- rix, Rultweil a. N.: Mayer'sche Hnfleamsl- anstall, München.