Injektionen zu „verarzten", mit echten Vitaminen und Impulsträ- gern eines ganzheitlichen Erlebens zu versorgen, ist jedenfalls von kaum geringerer Bedeutung als alle Bemühungen, eine neue soziale Ord- nung herzustellen. Insofern hat auch die Idee der plastischen Male des guten Willens und der Verbun- denheit alles dessen, was wahrhaft lebt, ihre volle Berechtigung, wo- bei man ruhig die Frage offen las- sen kann, ob sie in dem, was in St. Margarethen bisher geschaffen wurde, schon ihre volle Erfüllung fand. Um hier zu einem Urteil zu gelan- gen, muß man sich darüber klar sein, daß es ja gar nicht so leicht ist, den Menschen im Menschen auch wirklich zu erreichen. Wenn der normale Durchschnittsmcnseh von beute auf irgendeinem öffent- lichen Platz eine Plastik stehen sieht - wie viele gehen nicht an ihr vor- bei, ohne sie überhaupt zu sehen -, so erwartet er sieh, weniger aus „'l'radition" als aus Gewohnheit, etwas Denkmalartiges vorzufinden, das irgendeinem Menschen oder einer Institution gewidmet ist und eben auch den Widmungsadressa- ten, sei es durch eine ihn wieder- gebende Figur, durch eine Büste, 4 liloul Kosso, Israel. 5 Josef Pillhofer, Wien. (i Jakob Savinsek, Jugoslawien. 14 ein Relief oder auch durch eine allcgorisehe Szene und zumindest durch eine Inschrift klar erkennen läßt. Auf die Idee, daß den Beschauer einfach eine Form, eine plastische Form als solche durch ihren Charakter, ihre Be- wegung und deren Rhythmus an- sprechen und sich ihm als Pulsator, als llervorrufer eines Gedankens oder einer Empfindung anbieten und mit ihm in ein „Gespräch", zu einer „Kommunikation" gelangen möchte, kommt er gar nicht. Dabei ist diese Art von Plastik im Wesen ja gar nichts Neues. Auch die „Va- nitas vanitatum" oder „Nlemento mori", Bildwerke früherer Zeiten - von den üblichen Bildstöcken auf Plätzen, an Straßen und Wegen ganz zu schweigen - hatten eine solche Absicht. Die zweite Schwierigkeit liegt ciarin, daß auch und gerade unter den Politikern, die ja in der Hauptsache - zumindest theoretisch - als Be- steller und Käufer für derartige Ar- beiten in Frage kommen, nur wenige Menschen zu finden sein dürften, die auch an die lebendige Wirk- samkeit solcher Zeichen, ja über- haupt an die des Bild gewordenen Geistes glauben. Die Denkmal-Ge- schwiitzigkcit auf der einen und der Leerlauf bloßer Dekoration und Re- priisentation auf der imderen Seite haben die Empfindung nicht nur abgestumpft, sondern auch verdor- ben, sodaß sie jetzt von sich aus häufig nur noch nach dem Reprä- sentativen Verlangen hat. Die entscheidenden Schwierigkeiten freilich sind bei den Künstlern selbst zu suchen. Sie liegen in der Thematik an sieh begründet. Bot- schaften und Zeichen setzen, wenn schon keine intakte und über die bloße Überlieferung hinaus auch wirklich als lebendig an- und auf- genommene Symbolik, so doch das Bedürfnis und damit das innere Ver- hältnis zu ihr voraus. Dieses Ver- hältnis freilich dürfte weniger auf eine fertige und bestimmte Symbo- lik als auf das Symbolische als eine Sphäre, als eine Welt bedeutender, gleichnishafter Formen gerichtet sein. llicr gibt das Symposien europäi- scher Bildhauer 1960 als die zweite Folge des Plastikertrcffens im Stein- bruch von St. Margarethcn interes- santen Aufsehluß. Die elf Neuan- kömmlinge aus Berlin, Israel, Japan, Jugoslawien, Polen, der Schweiz und Österreich fanden noch eine ganze Reibe der von ihren elf Vorgän- gern von 1959 aus Belgien, Berlin, Frankreich, Holland, ltalien, Jugo- slawien, der Schweiz und Oster- reieh geschaffenen Arbeiten vor. Denn leider hatte - wenigstens bis zum September 1960 - nur eine ein? ge Plastik und zwar die des Berlincrs Erich Reischke in den