KOKOSCHKA IN ENGLAND Zur großen Äussiellung bei Marlborough in London [ERNST KOLLER l Bliuk. auf die 'l'lJen1.rv. O1, 93X122 cm. 1959. Dieses Bild ist das Ergebnis der vor- läufig letzten Auseinandersetzung Kn- koschkas mit London und der Themse. Hoher Blickpunkt. weiter Horizont, stärkste Betonung atmosphärischer Wenc kennzeichnen das Werk, das „Well- lnndschaft" im Sinne der Niederländer des 16. Jahrhunderts oder der Donau- schule ebenso ist, wie bewußtes Fort- führcn von Tendenzen, die Turner auf- griff und Monet fortführte. England hat ungewöhnlich lange Zeit Widerstand gegen Kokoschka geleistet, obwohl der Künstler schon verhältnismäßig früh mit die- sem Lande in menschliche und künstlerische Berührung kam, Jahre des Krieges und der Emigration - last unbeachtet - dort verbrachte (seit 1935), britischer Staatsbürger wurde (1947) und auch nach seiner Übersiedlung in die Schweiz (1953) die Verbindungen nicht abreißen ließ. Es ist in diesem Sinne kaum erstaunlich, daß die Ausstellung bei Marlhorough erst die zweite in England ist. die sich überhaupt in erwähncnswertem Maß mit K0- koschka auseinandersetzt. Eine erste Ausstellung von Werken K0- koschkas in England hatte schon 1927 stattgefunden, drei Jahre nach dem Zeitpunkt, da der Künstler sein erstes englisches Modell (Nancy Cunard, 1924, Abb. 3) allerdings in Paris gemalt hatte, zwei jahre nach seinem ersten Besuch auf den bri- tischen lnseln (1925). England hatte Kokoschka von allem Anfang an rein vom Motivlichen viel zu ge- ben. Schon 1925 entstand seine erste große Themse-Landschaft; wenig später folgten Gemälde der Water- loo Bridgc, eine kleine Themse- Landschalt, eine Ansicht der Docks. Mit Recht hat man betont, daß seit William Turner kein Künstler so oft den Hauptfluß Englands dar- stellte wie Kokoschka. Diese Liebe zur Themse und ihren optischen Mysterien hält bis zum heutigen Tage an, wie „Große Themse- Landschaft II" (1954), die Themse- Ansicht von 1959 (Abb. 1) und das großartige „Chclsea Reach" von 1957 beweisen. Aber auch Englands Menschen bedeuteten Kokoschka viel. Neben dem schon genann- ten Porträt Nancy Cunard seien zunächst das Bildnis Adele Astaire von 1926, entstanden in London, ferner „Mutter und Kind im Gar- ten" (1934) und das Porträt Michael Croft (1939) hervorgehobenLetzt- genanntes Werk schuf Kokoschka bereits als Emigrant; wie es damals um ihn stand, beweist die Beschrif- tung auf der Rückseite dieses Ge- mäldes, die er in englischer Sprache niederzcichnete: „1932 (sie!) im elenden Exil, krank und arm. Nie- mand hätte dieses Werk malen können, aber niemand konnte es auch verstehen in einer Zeit, wo die Menschen allüberall den Künst- ler hetzen und dabei selbst zu Sklaven werden." Zu den wichtig- sten „Kriegsporträtf zählt das Bildnis Iwan Maisky, das O. K. 1942f43 als Spende für eine Rot- kreuzgruppe für Stalingrad schul; das Porträt der Gräfin Kathleen Drogheda (1943146) leitet zur Nach- kriegsperiode über, in der Haupt- werkc wie etwa die Bildnisse Valerie Goulding (1947), Sebastian Isepp (1951) und (als letztes Werk) joshua Logan (Abb. 4) entstanden. 23