aufzuhängen oder dergleichen, einen zeitgemäßen Weg. Damit er zum Ziele führe, wird es aber gewisser Voraussetzungen bedürfen, - sowohl beim Raum, der Um- welt, als auch beim Besucher. Beschäftigen wir uns zuerst mit der Umwelt. ln diesem Zusammenhang erinnern sich Architekten, dic heute so viel von Japan lernen, an jenes Rollbild, das zu einer Stunde der Besinnung im Tokonorna eines japanischen Hauses oder in dem von Zweck und Dekoration gleichermaßen leeren Raum des Teehauses entrollt wird, um im gegebenen Augenblick in einem nach- denklich gestimmten Kreise gemeinsam betrachtet zu werden, ganz im Sinne Scho- penhauers, der sagt: „Vor ein Bild hat jeder sich hinzustellen, wie vor einen Fürsten, abwartend, 0b und was er zu ihm sprechen werde." Wäre eine solche Art, Kunstwerke zu präsentieren, nicht auch unseren heutigen Bedürfnissen vielleicht entsprechender als all die unlösbar mit Zwecken und Deko- rationen verbundenen Bilder, die allein durch ihre unentrinnbare Alltagsgegenwart schon Gleichgültigkeit auslösen können? In dem wiederholt beschworenen Zusammenklang der Künste hat also wahrschein- lich der Architekt insoferne den ersten und einen entscheidenden Schritt zu tun, als er zunächst einmal den Raum zu schaffen hat, in dem sich überhaupt Persön- lichkeiten entfalten können, die zum Kunsterlebnis fähig sind. Mit dem Wohn- raum, der sich in ein ummauertes Atrium, also nach innen in die eigene Sphäre öffnet, mit diesem Gedanken beginnen moderne Architekten allenthalben diesen Weg zu gehen. Am Anfang ist also der Raum Wer aber als Architekt bemerkt, wie schwer es ist, in heutigen Städten solche Raumgedanken zu verwirklichen, der wird wissen, daß die Gliederung des Stadt- raumes in Zonen des Verkehrs, des Lärms und der Unruhe einerseits, und in ruhige Fußgängerzonen andererseits notwendig ist, und daß in solchen neuen Bereichen der Ruhe erst alle Einrichtungen des kulturellen Lebens, von den Kindergärten und Schulen bis zu den Galerien und Bibliotheken, geeigneten Platz finden können, ebenso wie in solchen ruhigen, geschlossenen Räumen im Freien zum Beispiel auch wieder Plastiken zur Wirkung kommen könnten. Wundern Sie sich, bitte, nicht, daß wir hier vom Bilderaufhängen unversehens zum Städtebau gekommen sind. Einleitend habe ich anzudeuten versucht, daß die Aufgabe des Architekten in der räumlichen Gestaltung der Welt besteht, in der wir leben, und diese Aufgabe ist so komplex wie das Leben selbst - sie reicht von der Ordnung in einem Wohnraum bis zur Ordnung im Raume der ganzen Stadt, die ja unsere gemeinsame Wohnung ist. Aber wenn auch der Architekt diesen ersten Schritt tun muß, indem er den Raum schafft, so haben wir damit erst eine Voraussetzung des Kunsterlebnisscs ge- wonnen. Eine weitere liegt beim Beschauer, von dem wieder Schopenhauer sagt: „Deshalb muß aber freilich auch jeder, der ein Gedicht liest oder das Kunstwerk betrachtet, aus eigenen Mitteln beitragen, ihre Weisheit zutage zu fördern; folg- lich faßt er nur soviel davon, als seine Fähigkeit und seine Bildung zuläßt; wie ins tiefe Meer jeder Schiffer sein Senkhlei so tief hinabläßt, als dessen Länge reicht. Die zum Genuß eines Kunstwerkes verlangte Mitwirkung des Beschauers beruht zum Teil darauf, daß jedes Kunstwerk nur durch das Medium der Phan- tasie wirken kann, daher es diese anregen muß und sie nicht aus dem Spiele lassen und untätig bleiben darf. Ihr muß immer noch etwas, und zwar das Letzte, zu tun bleiben. In der Kunst ist das allerbeste zu geistig, um geradezu den Sinnen gegeben zu werden. Es muß in der Phantasie des Beschaucrs geboren, wiewohl durch das Kunstwerk erzeugt werden." Damit sind wir bei der Phantasie, bei der schöpferischen Mitwirkung der Be- schauer, also bei deren schöpferischen Fähigkeiten, angelangt, und damit bei dem zweiten wichtigen Beitrag zu unserem Problem, beim Beitrag des „Kunsterziehers". Was er vermittelt, früher einmal einfach „Zeichnen und Handarbeit" genannt, bedeutet mehr, als man heute allgemein glaubt. Da ist zunächst festzustellen, daß in der modernen Welt mit ihrer Vielfalt tech- nischer Probleme, aber auch mit ihrem Mangel an Zeit zur Vertiefung in lang- wierige Texte der graphische Ausdruck, der Flächen- und Raumbeziehungcn mit einem Blick erfaßbar macht, ein immer wichtigeres Element der Mitteilung ge- worden ist. - Deshalb soll jeder Mensch sich heute ebenso sicher und genau mit dem Bleistift ausdrücken können, wie mit der Sprache. Das hat freilich nichts mit Kunst zu tun, aber so, wie die Beherrschung der Sprache notwendig ist - unabhängig von der Dichtung -, so sollte die Beherrschung des Zeichnens ver- langt werden - unabhängig von dcr bildenden Kunst. Eine strenge Erziehung dazu, sich mit Linien und Farben ausdrücken zu können, ihre Gesetzmäßigkeiten zu beherrschen, wird uns aber von selbst die Sprache der bildenden Kunst ver- ständlich machen. Darüber hinaus - und damit sind wir beim eigentlichen Thema - sind Linie,