häufiger als andere von Wanderkünstlcrn aus dem Süden heimgesucht. Schon für die sechziger und siebziger jahrc des 13. Jahrhunderts ist die Tätigkeit einer Paduaner Malergruppe in den Alpenländern belegt; ihre Auswir- kungen reichten damals hereits bis nach Niederöster- reich, Böhmen und Schlesien} S0 kann es auch nicht wundernehmen, wenn wir aus den folgenden Jahrzehnten eine Reihe österreichischer und böhmischer Handschrif- ten kennen, die hinsichtlich ihrer Initial- und Orna- mentlormen paduanischen Traditionen folgen, während ihr iigürlicher Schmuck nach und nach unter den Einfluß des zeitgemäßen mitteleuropäischen „Zackenstils" ge- rät. Das bedeutendste österreichische Zeugnis dieser Syn- these _ nächst einem Seitenstettener Missale in New York und dem 194-5 verbrannten Wimp: nger Riesen- kreuz 5 - ist eine aus dem Krcmser Dominikanerkloster stammende vierhiintlige Bibel der Nationalbibliothek in Wienß Zu der üppig wuchernden „paduanisehc-n" Pflan- zenornamentik ihrer Initialen stehen die scharfbrüchi- gen Formen des „einheimischen" Figurenstils in einem eigenartigen und nicht immer ganz glücklichen Kon- trast; doch gelingen dem llluminator einige Szenen von großer Anschaulichkeit. Die ein wenig frivole Interpre- tation des Abisag-Themas etwa entbehrt nicht eines der- hen Reizes, der an spätere Sittenbild-Malerei gemahnt (Abb. 2). Um 1310l20 crhiclt dann diese Kremscr Handschrift in der großen Klostcrncuhurger Bibel (cod. 2 und 3 der Stiitshibliothek) eine Nachfolgerin, die sie an künst- lerischem Wert und an kunsthistorischem Interesse noch weit übertrifft? Aus welchen konkreten Voraussetzungen 1 Johannes und der Posuuncncngel. Initiale A (zu Apokalypse) aus der Bibel Herzogenhurg codv 223, lol. 458V (oberimlienisch, Ende des 13. Jahrhunderts). 2 Abisag pflegt den Allen David. Initiale E (zu Könige I) aus der Bibel Wien c0d.1171, fol. 65r (KremSP, um IZWVBO). 3 Salomo belehrt die Jünglinge. Initiale P (zu Sprüche) aus der Bibel Klosterneuburg cod. 2, lol. 2381- (Klosterncuburg, um 1310[20). 4 Die Geburt johanncs das Täulers. Initiale D aus einem Chorbuch, Bologna, Musco Civico, corale 17, png. 125 (Ci- mabue-Nachfolger in Bologna, um 1300[10). 5Die Anbetung der Könige. Initiale I5 aus dem Missale S1. Florian cod. III, 20-}, lol. llv (Bolognescr llluminntor in St. Florian, um 132()[25). verfälscht ita ienischen Charakter tragen: die fleischi- gen, prallen Schäfte. die fallweise geknotet, gebrochen und in „Pei-lenreihen" aufgelöst werden, haben ihre näch- sten Verwandten in gleichzeitigen toskanischen lland- sehriftenf Auch die Figuren scheinen nicht frei von An- klängen an forentinisebe Vorbilder. Wohl verriit der melodische Fuß der Figurenbewegungen und Llmriß- linien die im Grunde nördlich-gotische (am ehesten wohl oberrheinische) Inspiration des Malers, doch fallen da! neben einzelne Züge südlicher Herkunft auf. Das gewich- tige Sitzmotiv Salomos und die kräftige Plastizität seines Körpers ÜLIFCIlDFCChCH die Fliichenkomposition der im übrigen ganz zweidimensional konzipierten Szene, und ebenso springen die kühnen lberschneidungen, die Pro- filbildung unc die „ungotisehen" Gesichtstypen der vor dem König stehenden jünglinge ins Auge (Abb. 3). Der Vergleich mit einer nur wenig "ilteren, von einem Nach! folger des Cimabuc geschmü kten Handschrift in Bo- logna" zeigt ceutlich. daß diese fein modellierten Köpfe mit ihren kräftigen Nasen und forschend blickenden Augen aus der italienischen "maniera greea" abzuleiten sind (Abb. 4). lm lialle der Klosterneuhurger Bibel muß die Frage offen bleiben, ob neuerlich italienische Wanderkünstler - wie seinerzeit die Paduaner - ihren eigenartigen Stil an Ort und Stelle prägten, oder ob sich bloß einheimische Kräfte an toskanischen Vorbildern der Zeit um 1300 geschult hatten. Daß aber die kunstfreudigen Kloster- neuburger Chorherren wenig später zumindest einen italienischen llluminator vorübergehend beherbcrgten. beweist das Missale cod. 615 der Stiftsbibliothekßo Um die Mitte des 14. jahrbundcrts von einem lokalen Schrei- ber geschrieben, wurde es von einem Maler ausge- sehmüekt, dessen Stil unverfälscht italienisch ist, auch wenn er sich vorläufig keiner der dortigen Lokalschulen zwingend einordnen läßt; wir glauben, daß es sich hier möglicherweise um einen Bolognesen, sicher aber um einen Obcritaliencr handelte (Abb. S). Abgesehen von der dem modernen Betrachter naiv anmutenden, dem Mittelalter jedoch in dieser liorm durchaus geläufigen Verbildlichung des liingangssatzes „Zu Dir, mein Gott, erhebe ich meine Seele" (wobei letztere als Wickelkind erscheint), sind die Charakterköpfe der Propheten in der unteren Randleiste bemerkenswert. Sie geben uns einen