FORTSETZUNG VON SEITE 19 Eincs haben diese beiden Meister allerdings auch mit der Mehrheit der „Blauen Reiter" gemein, näm- lich den Drang zum literarischen Ausdruck, den Hang zum Pädago- gischen, zum Spintisieren und Spe- kulieren, wobei aber auch hier wie- derum Kubin als der einzige wirk- liche Dichter und Klee als der ein- zige wesentliche Erzieher angesehen werden müssen. Das Fazit der Ausstellung in kri- tischer llinsicht: Kandinsky's Gi- uululu, lVldlL, um... m. m... m. m... eher überschätzt werden; die beiden Damen (Münter und Wercfkin) er- fahren in der Wiener Ausstellung endlich die ihnen lang mißgönnte richtige Bewertung. jawlensky und Macke sind ausreichend und pro- portionell richtig vertreten. Klee und Kubin verdienen gesonderte Präsentationen, Niestle hätte nicht passieren dürfen. Auch bei Heinrich Campendonck. dem Rheinländer, hat man das Gefühl, daß er doch kein Stern erster Ordnung ist und seinen Platz höchstens an der Peri- pherie des „Blauen Reiters" hat; in ihm siegt vollends das Dekorative über das Expressive. Der „Blaue Reiter" als solcher ist ein interessanter Sonderfall im Rah- men der gesamteuropäischen Ent- wicklung. Nur Kandinsky, Klee und Kubin haben wirkliches Weltfor- mat. Und daß der Münchner „Blaue Reiter" erst jetzt in Wien eingezo- gen ist, das immerhin einen Ko- koschka und einen Schiele hervor- hraehte, ist wohl in Anbetracht der gänzlich verschiedenartigen Ten- denzen in beiden Kunstmetropolen nicht weiters erstaunlich. Kühler hervorgehoben werden muß, der als Förderer und Helfer von Franz Marc in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Neben ihm sind als Leihgeber u.a. das Kunsthistorische Museum, die Alber- tina, die Neue Galerie der Stadt Linz, die Galerie Alex llömel, Düsseldorf, die Marianne-IWereIkin-Sliltung in Ascona, Felix Klee, Bern, die Galerie Anne Abels, Köln, Andreas ]awlenslzy und die Städtische Galerie München, Gabriele- MüntereStiftung zu nennen. Spiritus rec- tor der Ausstellung ist Walter Kasten, Direkter der Neuen Galerie der Stadt Linz: daß sie realisiert werden konnte, ist dem Bundesministerium für Unter- richt und als dessen Exponenten Frau Sekt-Rat Dr. Adele Kaindl zu verdanken. Die Ausstellung wird ab 30. September in Lin: gezeigt. Ihre Bedeutung liegt in der Tatsache, daß sie last alle we- sentlichen Mitglieder und Freunde des „Blauen Reiters" zum ersten Mal ge- schlossen naeh Österreich bringt. Sie paßt sieh in organischer [Weise recht gut dem allgemeinen, vmn Kulturamt der Stadt Wien betriebenen Ausstellungspro- gramm der letzten ]ahre an, das sich bemüht, die Repräsentanten aller we- sentlichen künstlerischen Strömungen der Moderne in systematischer Abfolge in Wien zu präsentieren. FORTSETZUNG VON SEITE 23 Ich war mir der Tatsache mit aller Klarheit hewußt, daß dies ein wahr- haft ohsleures Ende für einen Men- schen war, der zwei Drittel seines Lehens im alten Griechenland ver- hracht hatte. 1947: Beim Kontakt mit der ameri- kanischen Besatzungsmacht gelange ich zum ersten Mal mit Rauschgift in Berührung. Ich komme in den Besitz von Marihuanazigaretteiz, die einen positiven, medidativen Rausch erzeugen, der, soweit ich mich er- innere, damals keine erotischen Pro- jektionen aufwies. Wichtig erscheint mir, daß ich seit damals fast jede Möglichkeit der Spaltung, d. h. des (Jyiinens einer neuen Tür uvahre- nehme, ohne dies zu forcieren. 1948: Ich kopiere im Kunsthisto- rischen Museum das Bildnis der Mutter Rembrandts und entdecke an den vielschichtig hingestrichenen Farben dieser prachtvollen Ellipse des größten aller Maler die Lasur- malerei und damit verbunden die ungeheure Simplixität der sozusa- gen „naturbelarxenef Primamale- rei alx mlcber. Die Abneigung ge- gen die reine Primamalerci, so sie rieb nicht als gefärbte Graphik ausweist, habe ich bis beute noch nicht überwunden. Ich habe seit da- mals viel aquarelliert, da ich glaube, daß die [Waxserjarbe am leich- iexten die Ungebeuerliehlaeit der Farblauliur, die die Schiebien- bzw. Lasurmalerei als xolcbe bewirkt, er- kennen läßt. 1950: Wohl das einxcbneidendxte Ge- schehen in meinem Leben: Ich lerne die Grapbikerin Latte Profob: ken- nen, die um diese Zeit Hörerin der Akademie wurde. 1955 heirate ich Lotte Projobs. Leherbs „Biographie der Ereignisse" endet sinnvollerweise mit dem Zeit- punkt, da er durch die Begegnung mit seiner Frau seinem Leben eine echte Mitte geben kann. Das auf- gestaute Übermaß an Erlebnissen und Gcsichten beginnt sich nun zu entladen, der Künstler in Leherb setzt sie zu einem sehr spezifischen Stil um, an dessen Entfaltung er mit Konsequenz und Fleiß arbeitet. Sein Schaffen kreist im Wesentlichen um die Problematik der Begegnung der Geschlechter. Die Faszinierung durch die Frau ist bei ihm genau so Grundthema wie etwa bei Schiele oder Klimt. Leherb gestaltet nicht prinzipiell Gebilde von gewollt ab- strusem Charakter, er sägt keine Madonna in Stücke wie etwa Dali, bevölkert seine Welt nicht mit Un- Gebildeten wie Tanguy und wächst weit über die eisige Obszönität Ma- grittes hinaus; das alte klassische Raum-Kontinuum bleibt bei ihm - wiederum im Gegensatz zu den or- thodoxen Surrealisten - stets ge- wahrt und das phantastische llle- ment wächst aus der Wahrneh- mungswelt der fünf Sinne sehr or- ganisch, behutsam und kultiviert (Klimt!) hervor. Auch ist Leherb nicht zu den Satanisten zu rech- nen, in seinem Welt- und Men- schenbild ist immer noch eine tiefe Sehnsucht nach humanistischen lde- alen zu verspüren. Sogar Mitleid und Nächstenliebe empfinden wir in seinen Werken deutlich hinter den unvermeidlichen Accessoires frivol- ironischen Charakters, die zum mo- dischen Gewand des psychischen Realismus gehören. (Kommentar: Dr. Ernst Köller) 32