Das Programm der lircskcn ist in einzelne bildhafte Gruppen gegliedert. Mit der Gründungslegende hat nur die Engelvision, der Traum jakobs unter der Orgel- emporc, eine gewisse Bindung. Die anderen Themen ent- sprechen dem Patrozinium der H]. Dreifaltigkeit und des hl. Michael. Über dem Altarraum ist die Erschaffung der Welt, Adam und Eva beten Gottvater an, im Quer- schiff die Geburt Christi und die Herrschaft des lleiligen Geistes dargestellt. Die Anbetung der i'll. Dreifaltigkeit in der Kuppel faßt die Verehrung der drei göttlichen Personen in einer großen Allegorie zusammen. Das Langhaus stellt den Sieg des hl. Michael über den Unglauben dar. Gegenüber Rottmayrs Fresken in der Melker Stiftskirche, die in ihrer dramatischen Art zu der bewegten Architektur Prandtauers paßt, fällt die Bindung zur Fläche auf. Das Visionäre Element wird durch eine lyrisch epische Ge- staltung ersetzt. An Stelle der plastischen Räumlichkeit kommt nun der Farbe mit ihren Stimmungswerten beson- dere Bedeutung zu. Die damit verbundene Reduktion der figuralen und kompositorischen Elemente, die den Öl- skizzen Grans einen etwas trockenen starren Ausdruck gibt, ist in der Großausführung des Freskos malerisch aufgelöst. Tassis Architekturmalerei, die mit den far- bigen llauptakzenten harmonisiert, bindet die Decken- bilder Grans in den Raum ein. So wird der strenge Stil Prandtauers farbig verkleidet, der Raumeindruck um- gewertet. Auch die bereits fertiggestellten Seitenaltiire, an denen Peter Widerin arbeitete - der Benedictus- und Franziskusaltar wurden von der alten Kirche über- nommen - streben malerische Effekte an, was sich in den plastischen, gegen das Licht gesetzten Aufbauten, deutlich ausspricht. Den Ilauptaltar erhielt die Kirche erst verhältnismäßig spät. Am 14. April 1751 schloß Abt Dominik Gußmann mit dem Architekten Melchior Hefele den Vertrag. Erst fünf Jahre später kam es infolge arger Meinungsverschieden- heiten zwischen dem Künstler und dem Auftraggeber zur Ausführung. Dieses früheste datierte Werk l-lefeles, er arbeitete später hauptsächlich als Architekt und schuf unter anderem die Kapellenerweiterung der Wiener Servitenkirchc sowie den Bau des Schlosses Esterhaza, war doch so bedeutend, daß es im Modell als Aufnahme- stück für die Wiener Akademie gewertet wurde. Das kleine Gnadenbild aus dem Jahre 1614 ist von einem reichen Silberrahmen umgeben und erscheint von Engeln getragen, über dem legendären Zeichenstein angeordnet. Dieses Zentrum wird von einer Tempelarchitektur um- schlossen, deren Säulen zu vier Gruppen zusammengefaßt, die zwölf Stämme Israels symbolisieren. Moses, Aaron, Melchiscdech und Ezechias sind als Freiplastiken davor gesetzt. Sinnbilder der Weisheit, der Unendlichkeit und der Allmacht Gottes bilden die Bekrönung. An der Ver- wirklichung dieses großen Konzepts, das gegenüber dem Entwurf Beduzzis für den Melker Hochaltar bereits eine klassizistische Note trägt, arbeiteten mehrere Künstler. Schletterer schuf die Skulpturen, der Wiener Gold- schmied Riedl den Silberrahmen des Gnadenbildes und der Steinmetz Gabriel Steinbock die Marmorarbeiten. Während es bei diesem mächtigen Aufbau darum ging, das kleine Gnadenbild durch einen prächtigen "Faber- nakel in seiner Bedeutung zu erheben, konnte im Quer- schiff das farbig gestaltete Ölgemälde ehcr zur Wirkung gelangen. In einfachen Rahmen, die von Plastiken des Donnerschülers Dorfmeister flankiert sind, befinden sich zwei große Gemälde Kremser Schmidts, die zu den Fres- ken inhaltlich in Beziehung gesetzt sind. Die Aufnahme Marias in den Himmel (1767) hat alle Vorzüge der früheren Werke dieses Meisters, die lyrischen Farbüber- gänge und die Visionäre Entmaterialisierung des Vor- ganges, der sich von dem stimmungsvollen Hclldunkel des Hintergrundes abhebt. Die Taufe Christi (1773) zeichnet sich dagegen durch einen viel kräftigeren Farb- auftrag aus. Dem Stil der Deekenfresken innerlich ver- wandt, fügen sich die Gemälde Kremser Schmidts har- monisch in den Farbraum ein. Das letzte Werk des Raumschmuckes ist die 1776 aufgestellte Orgel, deren Gehäuse durch vergoldete Plastiken eines unbekannten österreichischen Bildhauers geschmückt ist. Die Baugesehichte von Sonntagsherg spiegelt die Ent- wicklung des österreichischen Barock. Sie hat Anteil an der großartigen Epoche des sogenannten Heldenzeit- alters, an einer Kunst, die durch Architekturen Fischers von Erlach, Lukas von Hildebrandts und Jakob Prandt- auers künstlerisch geformt wurde und führt bis zum stimmungsvollen Farbraum des Spatbarock. Dieses viel- gestaltige Kunstwerk ist aber auch Ausdruck einer be- deutenden geistigen Strömung, die sich in dankbarer Anbetung der Heiligen Dreifaltigkeit zuwandte. Heute steht die Verehrung Mariens im Mittelpunkt der Wall- fahrten, die Kirche auf dem heiligen Berg ist nur mehr ein lokales Zentrum; sogar das Kunstwerk ist in seinem Bestand bedroht. Eine öffentliche Spendenaktion, zu der auch die Prandt- auer-Ausstellung in Melk materiell beitragen konnte, will die Schwierigkeiten überwinden helfen. Eine kleine Gedenkstätte im frühbarocken Pfarrhof (1652-1679) soll die historische und künstlerische Bedeutung noch ein- prägsamer machen. Barocke Modelle, Olskizzen der Fresken und Gemälde, Paramente, die berühmte Sonn- tagberger Monstranz (1762), vor allem aber historische Dokumente über die Verehrung der Hl. Dreifaltigkeit, könnten diesem Ziel dienen. Alle diese Bemühungen sind jedoch nur Wege zu einer höheren Aufgabe: die geistige Macht, die von dern Kunstwerk ausstrahlt muß erhalten bleiben, um weiterzuwirken. denn die Zeit der Wallfahrts- kirche auf dem Sonntagberg wird wieder kommen . . .