donnen ist auch die Mutter- gottes aus Krumau aus Kalk- stein geschaffen; doch es scheint fast, als ob sie der Bildhauer aus Ton geformt hat, wenn man sieht, wie sich das Fleisch des Kindes unter der Mutterhand wölbt. Leider sind neben anderen kleineren Beschädigungen das linke Bein und die rechte Hand des Knaben verlorengegangen; wir können jedoch nach einer erhaltenen Replik schließen, daß er in kindlicher Unbefangenheit einst dem andachtsvollen Be- trachtet mit der Rechten einen Apfel darbot. ln diesem Hinein- greifen in den Raum und der naturnahen Durchformung zeigt sich mit aller Deutlichkeit der Wandel, der zwischen der Bres- lauerin und der Krumauerin liegt. Es ist der Weg zur wirklichkeits- nähe und zur seelischen Indivi- dualisierung, wie er sich bereits in den Skulpturen der Parler- Zeit, vor allem in den Triforiums- büsten des Prager Veitsdomes aus der Zeit um 1370[90, ange- bahnt hatte. Auf der Suche nach den Vorstufen und dem Ausgangspunkt der Schönen Madonnen ist immer wieder auf Prag gewiesen Wor- den. Hier war unter Kaiser Karl IV. ein Kunstzentrum entstan- den, das weit über die Reichs- stadt ausstrahlte und lange Zeit noch unter seinem Sohn Wenzel wirkte. Zwei Strömungen Waren es vor allem, die die deutsch- böhmische Kunst seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts be- einHußten: die eine war vom Süden, aus Italien, gekommen mit einer Wendung zu größerer Festigkeit der Form und Kla- rung der räumlich-plastischen Ver- hältnisse; die andere Richtung - ausgehend von Peter Parler und seiner Bauhütte - zeigte neben einem starken Zug zu einer realistischen Auffassung Tendenzen auf, die sowohl in der Architektur wie in der Plastik bereits als früher Ausdruck des „Weichen Stils" angesehen wer- den können: sanftfließende Be- wegungen, ineinandergehende, auf- und absteigende Raum- und Linienformen. Einflüsse der Pla- stik auf die Schönen Madonnen lassen sich nicht schlüssig nach- weisen. Eine Bestandsaufnahme der böhmischen Skulpturen vom letzten Drittel des vierzehnten Jahrhunderts steht noch aus. Zu- viel ist wohl auch in den Hussiten- wirren verlorengegangen. Doch die Malerei der Epoche gibt erschöpfende Auskunft und Hin- 35