von 1376, einem Werk des sogenannten „Maitre aux Bouqueteaux" entwickeln, und in der die ersten Schritte zur vollen Verwirklichung der Raumtiefe 7 und Unbegrenztheit der nordischen Renaissance voll- zogen werden, scheint auf unserem Pokal nicht auf. Auch die Raumauffassung und im besonderen der Figurenstil der Handschriften aus der „Pucellli Richtung (diese Gruppe absorbierte im 2. Viertel des Jahrhunderts alle italienischen Einflüsse) hat mit dem Stile des königlichen Goldpokals nichts zu tun. Der begrenzte Raum unseres Pukals, der durch die Felsenlandschaft, die massiven Bäume und die drei- dimensionalen Qualitäten der Figuren selbst ge- schalTen wird, kann in den erwähnten Handschriften nirgends beobachtet werden. Aber wo stoßen wir dann auf so starke Florentiner Tendenzen in der Kunst der siebziger und achtziger Jahre des 14. Jahre hunderts? Unzweifelhaft ist der lebendigste Mittel- punkt in jenem Stile zu suchen, der am böhmischen Hof in Prag geübt wurde. Dieser Stil breitet sich von dort über Norddeutschland und sogar bis ling- land aus. ln der berühmten Wenzel-Bibel können wir alle diese Elemente feststellen (Abb. 10), die begrenzte Tiefräumlichkeit, die „Abschlußvorhang- wirkung" des Hintergrundes, die durch die Vere wendung naturalistischer und pointillistischer Floral- dekoration zustande kommt, die symbolischen Archi- tektur-Fragmente. Obwohl die Gesichtstypen mit den betonten Stirnpartien und den spitzen Nasen und auch der weiche Fluß des Faltenwerkes an die Gestalten des Goldpokales erinnern (Abb. 6), ist der Stil der Wenzel-Bibel dem unseres Pokals doch nicht nahe genug, um in seiner möglichen Vorbildhaftigkeit ganz überzeugen zu können. Vielleicht kommt der Stil des Meisters Bertram, der in Hamburg tätig War und manche grundlegende Zügc der böhmischen Kunst bewahrte, unserem Pokal ein wenig näher (Abb. 9). Seine Figuren sind breiter, kleiner, die Köpfe sind größer. Aber unser Pokal hat nichts gemein mit den Gesichtstypen der von Meister Bertram dargestellten Bauern. Die „deutsche" Eigen- schaft des Übertreibens bis zur Grenze des Karikatur- haften ist dem Stil des Goldpokales fremd. Hinsicht- lich einer grundlegenden Abhängigkeit von italieni- schen Vorbildern, wie in der Raumauffassung, der Beziehung der Figuren zum Raum und ihrer Ein- fügung in die Landschaft, erweisen sich der Kleister des Goldpokals und Meister Bertram als Angehörige einer Generation. Nur in der zurückhaltenden lile- ganz erinnert uns der Meister des (Soldpokals an jene höfischen Qualitäten, die dem irdischeren, einfache- ren deutschen Meister abgingen. Aber wo in Paris v und der Pokal kann nur dort entstanden sein finden wir jene Qualitäten, die zum wesentlichsten Punkt des Stiles unseres hleisters gehören? Jean Porcher hat unlängst auf eine der wenigen fran- zösischen Handschriften hingewiesen, die für Jo- hann ll., den Vater Karls V., während einer kurzen und ohne Gelegenheit zu weiterer Entwicklung gebliebenen Periode italienischen Einflusses ges schaffen worden warä). Teile dieser Handschrift wurden um 1355 illuminiert. Aus einigen der lNIarginalillustrationen können wir ersehen, wie ein in böhmischer oder deutscher Umgebung heran- gebildeter Goldschmied9) dennoch fähig war, sich jene Feinheit und Eleganz anzueignen, die not- wendig waren, um seinen Stil zur Erreichung der glanzvollen Synthese des königlichen Goldpokzils emporzuläutern. (Übersetzung aus dem Englischen von Dr. Ernst , 10 Köller) x Die Apokalypse von Angcrs, Paris, 137571384 9 Meister Bcrmm. Detail vom PeKri-Allar. 1379. Kunsthalle Hamburg IO Vtnrcibuug aus dem Pamdia. Wenzel-Bibcl. m5, Spiißi vicr- zchnlcs jahrhundtrt (Cod, 2759, (01,5, Oslcr "icllischc National- bibliothek, Wien) l) Die vollständigste lluhlikatiun, die bisher über den Pokal erschie- nen ist. ist die von O. M. Dallon, Til! Royul Gulil Clip, London, 1924. Für alle näheren Details sei auf diese Schritt hingewiesen. 1) Die Inschrift lautet: GAZAE SACRAE EX ANGLlA RE- LIQUIAS PAClS INTER RE- GES FACTAE MUNUMEN- TUM, CRATERA AUllO SO- LIDUM, lOAN. VELASQ. CO- MESTAB. lNDE R. B. G. REDIENS, XTU. PACIFICA- TORI D D." (Dieser Pokal aus Gold, ein Relikt des [heiligen] Kronschatzes von England und ein Gedenkzeichen des Friedens zwischen den beiden Königen, bietet als ein Opfer Christus dem Friedenßtifter an, der Ktinnetahle juan de Velasco, nach Ruckkehr seiner erfolgreichen Misiinn). 3) S. Dalton, S.Hr9 und S. 9, Anm. 1, wo der französische Text Zitiert ist. Die Originalmanuskrip- tc sind Paris. hibl. Nat. Ms. franqzis 21445, f. I6 und 21446, f. 45 v. i) Auf dieser Photographie kann der Ring nicht gescheit werden; er ist durch den äußeren unteren Rand der Kuppel verborgen, wel- ehe sich nach unten neigt, bevor sie aufsteigt. 5) S. die Zeichnung bei Dalton. S. 3, nder die Photographie bei 1. Evans. Ar! in Jlledizlvnl Fmnre 987 - N98, Oxford, 1948, T. 175. ") Mir sind nur noch drei weitere Zyklen über das Leben der hLAgnes bekannt. Der früheste beßndet sich in Neapel. in der Küche Donna Regina,und stammt aus der Schule Cavallinis. Der zweite befindet sich im Breviarum des Duke of lletlford von 1424-35 (Paris, Nat. Bihl. Nut. ms. lat. 17294, f. 398r und v. s. Leroquais, Les lneiliuires . . ., Bd. Hi [1934], Nr. 634. S. 315). Der dritte ist auf einem nord- deutschen Gemäldc aus dem 15. Jahrhundert in der Gemälde- galerie Straßburg. Keiner von diesen Zyklen stimmt ikono- graphisch mit den Szenen des Gnldpokzls überein, obwohl der des Breviarums ihnen am nächsten steht. So wird z. B. die Heilige auf dem Gollipnkal und im Bre- viarum durch einen Speer. in den beiden anderen Zyklen mit einem Dolch getötet. Auf dem Deckel dß Goldpokals sind die Szenen von Spruehbindcnt mit ent- sprerhendem Text begleitet. Mein Kollege, D. Turner, VOIII Depart- trteut cf Manuscripts, British Museum, gestattete mir. folgende Meinung zu zitierel Die bibli- sche Herkunft eini er Textstellen war schon von Dniztun festgestellt worden (s. 4). aber es scheint dnCh, daß der unmittelbare Ur- sprung in einem Ofiieium oder einer Legende der Heiligen ge- legen ist. Obwohl man .llli surn dcsponsatauf in dem üblichen Oftizium der Heiligen finden kann. hat sich jedorh diese Quelle für die weiteren lnsehriften als unergichig erwies. " 7) T. Mü er und E. Stelllgriibcr, Die Französische Goldemailplastik um 1400, Müiltilflttblrlillblltll der bilden- den Kunst, dritte Folge, lid. V, 1954, S. 32. ") Porcher, Frrvrrll Vinirilurzr. Lun- don, 1960, 355-26. Abb 5B 9) Es ist crwiuen, daß in jahreu deutsche Goldschmiede In Paris tätig waren. s. c. Troeseher. Kunst und Kiimtlenlmrldzrungerl in Mineleinepn 8004500. Baden- "ßaden, erster Band, 1953. Seite lD6ä111.