Buchbesprechungen Dora Heinz. Europäische Wand- teppiche. Verlag Klinkhardt Bi Bier- mann. Braunschweig. In dem Braunschweiger Verlag Klink- hardt St Biermann erscheint in nächster Zeit der erste Band des Handbuches ..Europäische Wandteppiche" von Dora Heinz. der bis zum Beginn des17. Jahr- hunderts reicht. Ein knapp gehaltenes. aber klares und erschöpfendes Einleitungskapitel ist allen technischen Fragen gewidmet. Die Geschichte des Wandteppichs selbst beginnt mit der Antike in Mesopotamien. Ägypten und Griechenland: da keine Denkmäler aus dieser Zeil auf uns gekommen sind, muß man sich mit literarischen Hinweisen begnügen. Günstiger steht es für den Zeitraum vom 3. bis zum 7. Jahrhundert: aus dieser Kulturepoche haben sich doch einige Wandteppiche oder Fragmente davon erhalten. Dann aber klafft eine Lücke bis zum 11. Jahrhundert. bis zu der byzantinischen Seidenwirkerei im Bamberger Damschatz. dem soge- nannten Bahrluch des Bischofs Günther (1- 1065). Nach den wuchtigen romanischen Bild- teppichen im Haiberstädter Dam und den Illustrationen zur Apokalypse in Angers reißt der Strom der Denkmäler nicht mehr ab; nur der Schwerpunkt verlagert sich von Zeit zu Zeit. Paris wird abgelöst von Arras. dieses von Taurnai. die Loiregegend spielt vor- übergehend eine Rolle. bis schließlich Brüssel die Vorherrschaft erringt, den künstlerischen Anschluß an die ita- lienische Renaissance findet und seine Einflußsphdre auf die Nachbarländer. ja sogar auf Italien ausdehnt. Die erhaltenen archivaiischen Nachrichten geben Einblick in das Zusammenspiel der Kräfte. die zu diesen großen Leistungen führen: künstlerischer Ent- wurf. kunsthandwerkliche Fähigkeiten. materiell wohlfundierte Manufakturen (Aelst. Pannemaker, Geubel u. a.). schließlich und nicht zuletzt der Auf- traggeber und sein Geld. Dazwischen fällt der Blick immer wieder auf die einfacheren bürger- lichen Leistungen in der Schweiz, im Elsaß, in Franken und anderwärts: lange beharren diese Gegenden bei ihren Rücklaken mit den aufgereihten Heiligen, einfachen biblischen Szenen, Wildmännerdarstellungen und den un- entbehrlichen Schriftrollen. bis auch hier das Vorbild Brüssels. fürstlicher Wille und zugewanderte Kunsthand- werker für einen Anschluß sorgen. Durch das stete Einschieben von Kapiteln, die über die Vorgänge im deutschen Kulturraum berichten. zwi- schen die Kapitel über die westlichen Tapisserien wird Unterschied und An- näherungsbestreben besonders klar. Den Beschluß bildet ein Katalog der gedeuteten Signaturen. die ja in der Geschichte derTapisserien eine wichtige Rolle spielen. Dora Heinz ist die Leiterin der umfang- reichen Textilsammlungen am Öster- reichischen Museum für angewandte Kunst in Wien, und das Schwester- 60 institut. das Kunsthistorische Museum, besitzt eine von den drei größten Sammlungen von Wandteppichen der Welt. Mit diesem Buch erscheint endlich ein übersichtliches Werk. das ein Zurechtfinden in der umfangreichen Materie ermöglicht. Ich bin überzeugt. daß. wer diesen Band studiert hat, den zweiten mit Ungeduld erwarten wird. Der Verlag hat das Buch mit mehr als zweihundert Schwarzweiß-Abbildungen meist großen Formates und einem Dutzend Farbtafeln ausgestattet. Ignaz Schlosser Alfred Stange, Deutsche Malerei der Golik, XI. Band. Deutscher Kunstverlag. München-Berlin (1961). 178 Seiten. 37.8 Abbildungen auf Tafeln. Im Jahre 1934 erschien der erste Band von Alfred Stanges großem Werk über die deutsche Malerei der Gatik; heute liegt es mit dem elften und letzten Band abgeschlossen vor. Daß ein der- artiges Unternehmen nach 27 Jahren. die - wie man weiß 7 wahrlich nicht arm an äußeren Katastrophen und Krisen waren. tatsächlich zu einem guten Ende gebracht werden konnte. bezeugt eindrucksvoll. mit welchem hohen Bewußtsein gemeinsamer Ver- antwortung sich Autor und Verlag ihrer Aufgabe stellten. Verdient schon dieses Ereignis an sich. überall dankbar gewürdigt und als ein Sieg zielstrebiger Forschungsarbeit und verlegerischer Energie über die Ungunst der Zeit gefeiert zu werden. so besteht für die österreichische Kunstgeschichte noch ein zweiter triftiger Grund, das Er- scheinen des .,Stange XI" wärmstens zu begrüßen. Der erste und zweite Band des Gesamt- werkes hatten die österreichische Ma- lerei des 14, Jahrhunderts im Zusam- menhang mit jener der deutschen Land- schaften und unter Einschluß der böhmischen behandelt; mit dem elften Band, der dem 15. Jahrhundert in Österreich und im ostdeutschen Sied- lungsraum (von Danzig und Ost- preußen bis Slowenien und Sieben- bürgen) gewidmet ist. rundet sich das Bild einer zweihundertjührigen Ent- wicklung. die gerade in ihren Anfängen und in ihrer Spätzeit österreichische Beiträge von höchstem Rang ein- schließt. Dazu kommt, daß die spät- gotische Malerei Österreichs zwar schon in ihren wichtigsten Aspekten relativ gut durchforscht wurde. daß aber eine wissenschaftlich verläßliche Zusammen- schau aller dieser in zum Teil ganz hervorragenden Einzelstudien gewon- nenen Ergebnisse bisher nicht zur Verfügung stand. Hier hat Stange, der in dem vor- liegenden Band zwei Drittel des Textes und drei Viertel der Abbildungen dem österreichischen Material widmet, end- lich das Standardwerk geschaffen. das der schnellen. doch gründlichen Infor- mation ausgezeichnet dient und zu- gleich das Fundament für künftige Forschungen legt. Darüber hinaus ist ein Autor von seinem Rang und seiner Erfahrung gegen die Gefahr gefeit. die Gedankengänge der älteren Lite- ratur kritiklos zu übernehmen. So wird man es besonders begrüßen dürfen. daß manche zwar nur auf Hypothesen ruhende, doch im allgemeinen Be- wußtsein schon allzufest verankerte kunsthistorische .,Legende" hier neuer- lich energisch in Frage gestellt wird. (In diesem Zusammenhang sei etwa auf die klare Darlegung der Theorien und Kontroversen um die Gestalt des ,.Hans von Tübingen" verwiesen.) Daß daneben offene Probleme bestehen bleiben, daß auch manche Deutungs- versuche und Zuschreibungen des Ver- fassers erst von Spezialuntersuchungen erhärtet oder korrigiert werden müssen. daß schließlich dem Spezialisten ein- zelne Ungenauigkeiten auffallen i all das versteht sich bei einem so groß angelegten und dennoch von der Ar- beitskraft nur eines einzigen Menschen getragenen Werk von selbst. Um so dankbarer darf man vermerken. daß zu vielen bisher vernachlässigten oder unzureichend durchdachten Detail- fragen eine überzeugende Antwort geboten wird. (Beispielshaiber mit der sehr einleuchtenden Verankerung des originellen Buchmalers Martinus opifex im bayrischen Milieu.) Weiter in die Diskussion sachlicher Probleme einzutreten, verbietet uns der knappe Raum. Hingegen sei noch erwähnt. daß der Text durch die Lebendigkeit der Sprache und den Schwung der Darstellung auch den Nichtfachmann zu fesseln vermag, wie denn überhaupt die komprimierte. sehr plastische und dem Werturteil nicht ausweichende Schreibweise Stanges wesentlich zu dem Vergnügen beiträgt. das die Lektüre seiner Ar- beiten bereitet. Die Ausstattung des Bandes hält sich mit gutem Grund an das Muster der ganzen Reihe, fußt also auf Prinzipien, die im Jahr 1934 fest- gelegt wurden. Daß dieserort kein "Bilderbuch" nach dem Geschmack des Tages entstehen konnte. sei nicht verschwiegen. Doch möchten wir glauben. daß die Betrachtung des um- fänglichen. sehr sorgfältig gedruckten Tafelteiles auch dem Laien Gewinn bringen sollte; der Fachmann wird es jedenfalls begrüßen, daß die Fülle der Abbildungen zahlreiche Tafel-, Wand- und Buchmalereien einschließt. die bisher nach gar nicht oder nur an sehr entlegenen Orten publiziert waren. Gerhard Schmidt Literarisches und Graphisches auf Habaner Keramiken. Von Adolf Mais. Aus: Österr. Zeitschr. f. Volkskunde, Neue Serie, Bd. XV. Wien 1961. Dem bekannten Spezialisten für die Volkskunst des europäischen Ostens ist der Nachweis gelungen, daß der so charakteristische Dekor auf Habaner Keramiken in vielen Fällen von der graphischen Ausstattung der von den Wiederläufern besonders geschätzten, ja verehrten Bücher und Schriften abzuleiten ist. Neben den betreffenden Hinweisen bringt Dr. Mais eine Reihe van analytischen Herauszeichnungen dieser Zierelemente und verbindet diese mit einer zum Teil gänzlich neu geschaffenen Terminologie ("Schreiber- schlinge", ,.Flechtknoten". "Zopfleiste", ..Doppelwelle". "Bogenpyramide" etc.), so daß es auch dem Praktiker in Hin- kunft unschwer möglich sein wird, sich bei der Beschreibung und Bestimmung einschlägiger Objekte einer angemes- senen Nomenklatur zu bedienen. Dar- über hinaus besteht die grundsätzliche Bedeutung des ausführlichen Aufsatzes in einer neuen Klarlegung des Sinnes der Habaner Ware. deren Botschaft, in aller Kürze formuliert. lautet: ..Von Gott ist alles." Ernst Köller