FELIX BRAUN Die Kunst unserer Zeit ist antinaturalistisch. Die Ursache der so genannten mm Die Bl-ldhlHlPrl-II [In Gjdniuggruplalbuber nen Bestrebungen, der surrealistischen, gegenstandslosen, abstrakten und ähnlici scheint mir in dem Begehren begründet, zwei Begrenzungen aufzuheben oder durchbrechen: die Begrenzung durch die drei Dimensionen des Raums und durch die fünf Sinne gegebene. Vilas der Musik, der Dichtung, der Malerei Experiment leichter fiel, konnte die Bildhauerei nicht sogleich erzielen, da ihr wie der Schauspielkunst, vor allem die Gestalt des Menschen aufgetragen bl" Spät gelang ihr der Versuch, diese Gestalt durch einen kühnen Appell an die Ph tasie des Betrachters der Ergänzung anheimzugeben. KWas wir durch äußere 2 störungen als Torso überkommen haben, wird nun durch bewußre Auslassunj von Bestandteilen des natürlichen Körpers künstlich bewirkt. Henry Moore und junge irische Bildner Macwilliam haben wichtige Lösungen erreicht. Die gr artigste vielleicht war eben in der Ausstellung französischer Plastik im Schwarz bergpark durch die eherne Prophetenfigur des in Paris schaffenden Spaniers Pa Gargallo zu bewundern, von der wie von keiner „ganzen" Skulptur eine Berührt durch das Erhabene auf die Seele überging. Die Zeiten der vollkommenen Kunst sind selten über zwei Generationen hina reichend. Sähen wir die Kunstgeschichte der Erde als ein Gesamtes an, so würi wir erschrecken, einen wie geringen Anteil an ihr das Schöne besitzt. Heute, da die Kunst der farbigen Völker kennen, nehmen wir wahr, in welchem Ausn das Dämonische verwaltet, und weil sich die Menschen in ihren Göttergestal abspiegeln oder fortsetzen - wen kann es noch erstaunen, daß sich die eigi Häßlichkeit selbst abbilden muß? Das kleine Griechenland des fünften vorchr lichen Jahrhunderts hat, nicht ohne Einwirkung anderer mittelmeerischer Schöpfi gen, allein das Bekenntnis zu der ldee der Schönheit gewagt, das der Enthusiasn späterer Jahrhunderte wiederholt und in edlen Nachbildungen bezeugt hat. Es sieht aus, als ob heute für das Schöne nur etwa im Bereich des Kunsthandwe noch Raum sei. Der junge Maler, Bildhauer, Dichter fürchtet es fast. Andersi wird der berufene Künstler schwerlich auf die Tugend der Anschaulichkeit v zichten können. Gewiß hat es auch in frühen Zeiten abstrakte Kunst gegeben - n erinnere sich an den Stil der großen Dipylon-Vase -, doch hat die Geschicl mit Ausnahme der Juden des Alten Testaments und der Calvinisten und Puritan nirgends eine Feindschaft gegen das Bild feststellen können, obwohl aus religiö: Gründen sogar in Byzanz Ikonoklasten dem Vernichtungstrieb nachgegeben hatt XVie der Sinn für das Konkrete aus der Flucht in das Abstrakte neu sich wied herstellen kann, das ist noch verhüllt. Aber vom Abstrakten ist wohl viel gelernt w den. An manchen Werken jüngerer Künstler mag sichs einsehen lassen, und dann w das Fruchtbare des scheinbar Negativen erkannt werden. An dem Beispiel einerjung Tiroler Bildhauerin, Ilse Glaninger-Plalbzlber, möchte ich es zu erläutern versuchen Tirol, das angestammte Land der Bildnerkunst, Jahrhunderte vor Michael Pacl und den Meistern des Maximiliangrabmals in der Innsbrucker Hofkirche, ist I Heimat Ilse Glaninger-Halhubers, die von ihren Vorgängern das Geheimnis streng Gestaltgebung empfing. Der vortreffliche Bildhauer Pontiller war ihr erster Lehr doch fand sie Weisungen auch in anderen Werkstätten, und es ist schön, zu gewahr: wie die verschiedenen Epochen doch immer wieder das eine, das Ererbte und c zu Erzielende, beibehalten, das wohl durch den Zeitgeist Verwandlungen erfäh aber aus einerGrundtreue nicht anders hervorgeht als Pflanzen, die veredelt werden, a ihren Wurzeln. Das Übereinstimmende des Gotischen und des Barocken hat Wilhe Worringer nachgewiesen. In Tirol aber ist auch der Anteil der Renaissance ein verwar ter, und dieses Gemeinsame läßt sich ebenso gültig für unsere Zeitkunst feststellen. Nicht so weit wie die Bildhauer und Erzgießer anderer Völker wagen sich die c Alpenlandes vor: denn sie leben innerhalb einer großen Natur. Gleichwohl entsch den auch sie sich für ein gewisses Maß an Abstraktion, das die Kontinuität sell im Material aufhebt und nur die essentiellen Momente betont. Sogar in ihr Büsten hat Ilse Glaninger-Halhuber der reinen Linie die Notwendigkeit des Z sammenhangs hintan gesetzt - ich hebe die Büsten der Dichter Josef Leitg und Raimund Berger, besonders die späteste, die das Haupt des Arztes Antoi magistral darstellt, hervor -; aber in den Reliefs, die sie für Tiroler Landkirch geschaffen hat, wurde manche glückliche Findung für einen neuen bildnerisch Stil geformt, die sowohl dem zeitlichen Geschmack als auch dem Dienst am Schön gemäß ist. Hier sind vor allem die bedeutenden Leidensstationen und Ambonc reliefs in der neuen Kirche von Wlattens, ferner die nicht geringeren Arbeiten den Kirchen von Scharnitz, Seefeld, lmst, Nauders, Steinach und Rotholz hoch rühmen. Überall wird das Konkrete bewahrt, jedoch nicht im naturalistisch Sinn, und das Abstrakte einbezogen, nicht als Negatives, sondern als Stilbildendi ja, als jenes „Weglassen des Unwesentlichen", als das ein berühmtes Wort die Kur überhaupt definiert hat. Betrachten wir die Leidensstationen und Ambonen. so fällt zunächst auf, daß die Reliefs keinen Hintergrund, keine Perspektive haben und, was sie vorstellen, nic in einer kausalen Verbindung darbieten, sondern nach einem Grundsatz kumpxmii sind, den man in der Poesie „pats pro toto" nennt. Der Schauende kann aus chara