BELGISCHE MALEREI SEIT 1900
Zur Ausstellung im Museum des 20. Jahr?
himderts. 19. 11 15. 12. 1962
Mit dieser Veranstaltung nahm das
neue Museum seinen Alltagsbetrieb auf;
nunmehr ist die Situation so. dciß die
Parterrehalle den Wechselausstellungen
zur Verfügung steht. während sich
Eigenbesitz und Dauerleihgaben auf
der großen Galerie behnden. Diese
Lösung ist vorzüglich. die Dauerschau-
stellung hat an Pragnanz und Schlag-
kraft zugenommen. Außerdem ist ein
erfreulicher Zuwachs an Objekten zu
verzeichnen. die bei der Eröffnungs-
ausstellung nicht gezeigt werden konn-
ten.
Die Belgien-Ausstellung greift uber den
zeitlich abgesteckten Rahmen hinaus,
sind doch in ihr auch Künstler ver?
treten. die noch im 19. Jahrhundert
starben: vor allem denken wir an die
beiden Vertreter der Generation ..um
1840". Guillaume Vogels (1836?1896)
und Henri de Brackeleer (184071888).
Beide sind genaue Zeitgenossen der
lmpressionisten; Vogels verharrt noch
tief in den Traditiowcn von Barbizon.
Brackeleer ist ein penetranter Natura?
list. bei dem in einer das Surreale
vorwegnehmenden Weise das über?
betonte Detail lSgllChES Zusammensehen
zu großen Formen überwuchert.
Die in den sechziger Jahren Geborenen
bilden eine Generaliansgruppe von
größter Schlagkraft (vergleichbare
Altersgenossen: Klimt. Munch). James
Ensor (1860). Khnapff (1858). Ryssel?
berghe (1862). van de Velde (1863) und
Saedelaer (1867) sind die markantesten
Vertreter. Die Möglichkeiten weisen
ins Parapsychologische und Forma-
listische an deh Extremen (Ensor.
Rysselberghe). impressionistische Tradi?
iionen geben eine gemeinsame ver?
bindende Basis ab (Saedelaer), Be-
sonders Ensor kam gldnzend heraus
und kannte in der ganzen Vielschichtig?
keit seiner Ausdrucksskala gezeigt
werden: sie reicht vom Impressioni-
stischen (Dame iri Blau. 1881) bis ins
ProtoSurreale (Die seltsamen Masken.
1892).
Die Künstler. deren Geburtsdaten in
den siebziger Jahren liegen. bilden
eine weniger klar akzentuierte Gruppe.
Hervorgehoben seien Edgar Tytgal
(1879 1957). bei dem Ensorsche Ten?
denzen ins Volkstumlich?Parabolische
übersetzt werden (Die Jahrrncirktsbude.
1923). und der grandiose Gustave de
Smel (187771943). der im wesentlichen
dem Naturvorbitd treu bleibt. es aber
durch gelinde Abstrahieruig ins Monu-
mentale und Typische steigert (Akt am
Bettrand.1930).
Wie in Frankreich. Österreich und
Deutschland ist auch in Belgien die
Gruppe jener Künstler. die in den
achtziger Jahren zur Welt kamen. am
entscheidendsten für die Entwicklung
gewesen. Der Hauptmeister ist ohne
Zweifel Kokoschkas Jahrgangskamerad.
Constant Permeke (1886 1952). ein
Künstler. der seine Herkunft aus dem
Impressionismus nie geleugnet hat. aber
zu einer gewaltigen. düsteren. elemen?
taren Urkraft varstieß. in der sich der
zeitlose Genius des Flämischen wieder
einmal überzeugend manifestiert (Grüne
See. 1924). Doch auch Spilliaert.
Wouters (der Faistauer unter den
Malern Belgiens). van den Berghe,
Saverys und Brusselmans haben eine
Stimmgewalt. die ein Uberhören nicht
zulöllt.
Die nächsten entscheidenden Entwick?
lungsimpulse kommen von den Künst?
lern der Jahrgänge knapp ver 1900.
Dieser Generation gehören die Erz-
surrealisten Delvaux (ein melancho?
iischer Erotiker) und Magritte (ein
monumentaler Konfusionisl und tief-
ernster Taschenspieler). aber auch ein
Victor Servranckx an. der sowohl auf
dem surrealen Sektor (Opus 2.1927)
als auch als Postkubist Legeresker
Observanz (Opus 45.1923) ein sehr
gewichtiges Wort mitzureden hat.
Die breite Generation der um 1910
Geborenen 7 sie klingt mit den Kin?
dern des 1. Weltkriegs aus 7 bringt
den Durchbruch zur ..reinen" Ab?
straktion; an wesentlichen Namen
seien Antoine Mcrlier (1908). Luc Peire
(1916). ein ganz im Gegensatz zum
Vorgenannten an streng geometrischen.
mondricinesken Gebilden Orienlierler.
der gleichgesinnte Gaston Bcrtrand
(1910) und der noch kompramißlosere
Jean Rets (1910). aber aurh der die
Rolle eines Vorlaufers spielende. dem
Expressionismus verpflichtete Jacques
Mae; (1905) und der schon informelle
Marc Mendelson (1915) genannt.
Eine letzte Generatiorisgruppe wird von
den etwa um 1925 Geborenen gebildet.
Sie sind im Gegensatz zu den vor?
nehmlich an der geometrischen Ab?
straktion interessierten Gruppe der
nNeunzehnhundertzehner" nun schon
echte ..tnf0rrnels". Der eindrucksvollste
unter ihnen ist Jan Burssens (1925).
der mit dem Riesenparineau ..Das
Gespenst" (1958) eine erschreckend
monumentale Leistung setzte. bei Ale-
chinsky (1927) löst sich Expressiv-
Folkloristisches zu beherrscht-chaoti-
schem Farmengeslrudel auf. Maurice
Wnkaert wühlt mit Erregtheit in
pastosen Farbstromen und produziert
echtes 'action painting"
Das Fazit der Ausstellung mull lauten:
Die Kiiristler Belgiens sind Nachfahren.
aber keine Epigonen ihrer großen
Landsleute Bruegel d. Ä, und Rubens.
Ihnen liegt das Parabolische. Hinter-
gründige. Abstruse. aber auch das
Monuinenlale. Sinnennahe. Daseins-
bezogene. Alle stehen mit den großen
Strömungen der europäischen (seit
neuestem auch der amerikanischen)
Malerei in inniger Verbindung. aber
sie sprechen die übernationale Sprache
der zeitgenössischen Kunst mit einem
sehr eigenen. sehr harten. sehr kom?
promißlosen Akzent. sie sind entschieden
keine Allerweltsproduzenten. die es
überall geben könnte. lhre Stimme ist
deutlich. stark und vermag Wesent-
liches zu berichten.
Die Ausstellung. die von vortrefflichen
und eindrucksvollen Filmen über Ensor
und die Surrealisten begleitet war.
stand im Zeichen der Zehmahres-
feiern zum belgiscnösterreichischen
Kulturabkommen. Ernst Köller
DIE SAMMLUNG
FRANZÖSISCHER MALEREI
DES 19. um: zu. JAHRHUNDERTS
IN nen PRAGER NATIONALGALERIE
Die Prager Ndliondlgolerie herindel sich im
ehemoligen Poldis siernberg oiir dem
Hrcldschin. einem zwischen 1698 bis 1730
ei-riehlelen lnleressanlen Bdrdekbdii. Im
Erdgeschaß der Anlage isi seil Anfang 1962
die Sammlung fruruö scher Malerei des
19. und 20. Jahrhunderts unlergebrachl;
im Herbsl 1962 erschien auch der FSlCh
bebilderle, leider nur ln lschechischer Sprache
ubgelaüte wissenschaflliche Kalalog. der
156 Nummern umfaßl; V. V. Siech und
Olga Mackovd zeichnen für
wOflllCh.
Die Proger Sdrnriilong wurde irri wesenllichen
im Jahre 1923 erworben, die seilher hinzu-
gekommenen Erganlungen sind xahlenmüßlg
gering. Die Beslände Urrlldiiäfl rdsl riiir ersie
Qudlilälen; in dlphdbeliseher Reihenfolge
seien von vorimpressionisllschen Meislern
52
ihn veranl-
des 19. Jahrhunderls cdroi. Courbel, ooii-
bigny. Ddumier. Delacroix. DlClI de ld Peno.
Fromenlin. Th. uoiissedii Und Troydn ge-
ndnnl. Der Impressionismus Und seine zeii
isl mii einer hervorragenden Kolleklion von
nichl weniger dls 1s Gemälden von aoiidin,
diireli drei cezorines. vier coiigiiins. einen
Van Gogh. einen Monel, drei Monllcellls.
drei Fissarros iind einen Renoir iierireien.
In der gleichen Sachgruppe des Kalaloge;
seheinen CILICh Puvls de Chdvannes, der
Douanier Rousseau. seiirol, signor Und
Toiiloiise-Loiilree der. viele dieser Aroeilen
sind (AUCH in wien durCh grdßwgige Gar
wdrirong von Leihgaben (GQIJQIJIYI. CÄZGHHE)
beslens nekdnni. Die Molerei des 20. Johrr
hunderls reprdseniieren sonnord, Braque
(s Gemüldel). laeroiri (9 Bilder). n. Diily.
Olhan Friesz. Chcgall, Mallsse, PICUSSO (mit
14 Arbei'en e glückliches Prugl). Ulrillo.
s. volodon iind Maurice Vlaminck.
Bei den Bildhuuern finden wir unier anderem
Werke von Archipenko. A. L. Barye, Bour-
delle. COFPEQIJX, oegds. oespidii, Houdon
(der hier eigenlllch nichls verloren hol).
Henri Laurens, Mulllol. Rodin und Rude.
Die Aufslellung isl lm Prinzip chronologisch,
miin sieh jedoch den räumlichen Gegebenr
heilen anpassen. SO hangen wunderschöne
Boudlns Il'l der kleinen Eingangshalle. durch
die man in einen großen quergelclgerlen
ROUm gelangl. dessen reehier Flügel von den
vorinioressionislen eingenommen wird. wäh-
rend der linke Flügel ZU den lrnpressionislen
und ihrer Nachfolge überleilel. Ein sich in
schielem Winkel anschließender kurzer Ver-
bindungsgnng mhrl zum ovalen KUDpGlSGCIlI
hier hui das 20. Jahrhnnderi Unierkunh
geriinderi, aber oiirh der große (nishl sehr
gule) Renoir hüngl dorl.
Die Plasllken siehen lexls ln den Museums-
rüumen, lellä In dem reizvollen kleinen
Pqlasigclrien. einem der slillslen und ver-
iraumleslen Winkel von Prng.
Die Äufileliurig der sornmliing isi rvluälerilafl
iind wird mii den nierii gerode giinsligeri
räumlichen Gegebenhcllcn blendend ferlig.
Köller
3 Lourbam Permeke. Over Per-
rvveke 1922 (Pruvmzmuseum
Permeke Jubbeke)
4 Theo vun Rysselberghe. Por-
m39 der Maria Leihe. 1881
(Musäe Roycl des Beaux-Arls.
Anlwerpen)
s Rik Wouiers. Geburislags-
blumen. 1911 (Sammlung
C. Lussianß, Anuwerpen)
6 Peoi WeixIgürlner-Neulru.
Die drei Marien, Emml auf
Kuufer
Curl Hollilzer. Amen Kuh
Curl Holliüzer, Helene Thimig
Curl HolliYzer. Selbslkurikn-
iur (zwe: Grenadiere, ge-
sungen und qezexchnel von
cm Holliner)
omw