Bschorer (1692-1764) für den Hochaltar der Pfarrkirche in Eggelstetten geschaffen wurde (ehem. Berlin, Deutsches Museum). Bei ihr erscheint an der gleichen Stelle der Mantelinnenseite ein etwas größerer geflügelter Engelputto, der sich, wie bei Günther, auch in den ihn umgebenden Mantelbauscb einkuschelt 17). Die neu entdeckte Günther-Madonna ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, welche eminent wichtige Rolle die farbige Fassung für ein solches Stück spielt, bei dem bildhauerische Form und Farbe untrennbar miteinander verbunden sind. Sie erst gibt, wie ll. Kreisel es einmal formulierte, ihm „die endgültige künstlerische Ausdrucknotemß), und wir fügen hinzu, auch die großartige Einheitlichkeit, die Geschlossenheit der Gesamterscheinung im Sinne der ldee des Gesamtkunstwerkes. Man muß dazu freilich vorausschicken, daß diese Statuette in dem Augenblick, in dem sie im Dezember 1962 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde, der Gestalt des Aschenputtcls in dem bekannten deutschen Volksmärchen wirklich schr ähnlich schien und nicht - um es mit einiger Überspitzung zu sagen - wie eine Madonna aussah. Die bereits abgeschlossene ausgezeichnet gelungene Restaurierung erfolgte durch den bekannten Münchener Restaurator Joachim Böhm. Die Statuctrc trug nicht weniger als drei Fassungen übereinander, von denen die oberste als die schlechteste am finde des 19. Jahrhunderts entstand und in einer überlackierten Vergoldung auf braunrotem Poliment durchgeführt war. Die unmittelbar daruntcrliegende Kreideschicht war an einigen Stellen mehrere Milli- meter dick aufgetragen, die die nuancicrte Oberflächengestaltung Günthers mit ihrem feinen Moire-Schnitt sehr vemnklärten und auch dem Ausdruck der sensitiven Madonnengestalt förmlich Gewalt antaten. Von besonderem Interesse war dann die Konstatierung einer zweiten Fassung, die allem Anschein nach bereits ausgangs des Barock, das heißt etwa um 1780 e1790, vorgenommen wurde. Sie zeichnete sich dadurch aus, daß auf gelblich-weißem Poliment der Mantel matt-golden und das Kleid mattesilbern gcfaßt waren. Die angeschlossene Metallfolie war mit Fischleim überzogen, damit sie das matte Aussehen des geschlagenen Metalls beibehalten und w beim Silber - nicht oxydieren sollte. Warum man relativ kurze Zeit nach dem Entstehen der Erstfassung dann die zweite mit Mattgnld und hiattsilber darüberlegte, ist kaum mehr mit Sicherheit auszumachen. Möglicherweise war daran der veränderte Zcitgescbmack im Sinne des frühen Klassizismus schuld, dem sie zu ungeschlossen, zu bunt oder auch bereits zu „unkirchlich" vorkam 19). Als Grundierung der originalen Kascin-Tempera-Fassung der Günther-Madonna wurde ein dünn aufgetragcncr lichtgrau-weißer Steingrund verwendet, der durch die vor kurzem erfolgte Restaurierung an einigen Stellen in Fr- scheinung trat, was durch die bei der Zubereitung der Zweitfassung getroffenen Maßnahmen leicht erklärlich ist. Dieser Steinkrcidegrund hat dabei nicht nur die Aufgabe, eine Isolierungsschicht gegenüber der liolzoberHäche zu bilden, sondern er ist auch wegen seiner einheitlichen lichtgrauen Tönung eine ideale Basis zum Auftragen der hauch- dünnen Farbschichten und ihrer lasierenden Zwischcntönc, die eben das Spezif-ikum einer sorgfältig durchgeführten Kasein-Tempcrailbchnik ausmachen. Glücklicherweise sind von der Erstfassung dieser Statuctte so viele originale Stellen erhalten geblieben, aus denen man die ursprüngliche Farbgebung sehr gut ablesen kann. Dominant für sie, damals wie heute, ist die sehr schöne hell-kobaltblauc Farbgebung des Mantelfutters, die die Gesamterscheinung der Figur farbig zusammenbindet, während die nur an einigen Stellen sichtbare Außenseite des Mantels jetzt steingrau ist. Von dem hellen Krapprot des Kleides waren dagegen nur noch andeutungsweise Farbspurcn vorhanden, die durch vorsichtiges Punktieren und Austupfen in der gleichen Farbe wieder zu Rosa-Nestern zusammengefügt werden konnten, so daß trotz der steingraucn Gewandflächcn und Iialtenrücken sich der Rosa-Eindruck in den Gewandvertiefungen wieder verstärkte. Der ikonographisch gegebene Farbakkord: hell-kobaltblauer Mantel und hcll-krapprotes Kleid, den diese Günther-Madonna hat, ist in eben dieser Farbzusammenstellung mit anderen originalen „Günthcr-Fassungen" identisch, die sich bei der knienden lmmakulata in Berlin und bei den Marienf-iguren der beiden Pietät-Gruppen in Weyarn (1764) und in seinem großartigen Spätwerk in Nenningen (1774) erhalten haben 10). Sowohl an dem unteren Gewandsaum des Kleides wie auch an der unteren Innenseite des flächig ausgebreiteten Mantels der Madonncnstatuette waren wie bei der Atteler Madonna und bei den Figuren des südlichen Seitenaltares in Altenhohenau am lnn (1761) in dünner pastiglia versilberte Ornamente aufgelegt, deren Motive beim Kleid leicht in den Grund eingraviert sind 1'). Am Mantelsaurn gingen sie bei der Grundierung für die Zweitfassung verloren, aber man erkennt die hier ehemals aufgelegte feine Spitzcnhordüre mit ihrcn gezacktcn Rändern noch deutlich durch die dunklere, weniger verblaßtc Farbschicht und an ihrcn Konturen 11). Ein ganz besonderer Glücksfall war es, daß das lnkarnat des Madonnen- gcsichtchens, das des lingclsktapfes und das der feingliedrigen Hände nahezu unversehrt erhalten blieb. Es blieb auch ein kleiner Rest von dem llellblau des Bändchens über dem glatt anliegenden hellbraunen Haar der Madonna erhalten, das auf seine Weise das Mädchenhaftc dieses Kopfes betont. Die in den zartestcn Rokokofarbcn lavierten Werkzeichnungen Ignaz Günthers beweisen es, daß dieser Bildhauer des süddeutschen Rokoko seine holzgeschnitzten und später von bedeutenden Faßmalern farbig gefaßten Figuren schon bei ihrer Konzeption farbig vor sich stehen sahZ-i). Daraus resultiert aber auch, daß der von uns bereits erwähnte „handschriftliche" Stil der Oberfiächengestaltung Günthers offensichtlich den Stil der Farbgebung der dünn aufgetra- genen Kascin-Tcmpcraifechnik der Maler für die „Günther-Fassungcn" entscheidend bceinflußte. Sowohl die technische Art der Durchführung der Fassung unserer Madonncnstatuette wie auch ihre charakteristische ikonographisch bedingte Farbgebung: helles Kobaltblau - helles Krapprot haben mit zwei anderen vor über einem Jahrzehnt freigelegten originalen Fassungen von Skulpturen Günthers so viele gemeinsame Züge aufzuweisen, die kaum rein zufälliger Natur sind. lis sind dies die beiden bekannten Verkündigung-Mariä- und Pietät-Gruppen in Weyarn 14), für die auf Grund einer von uns aufgefundenen Urkunde 15) der Bildhauer den sehr bescheidenen Preis von 124 fl. und der Münchener liaßmaler Nikolaus Nepaur 26) den noch wesentlich geringeren Betrag von 50 fl. für beide Stücke im Jahre 1764 von der Rusenkranzbruderschafr ausbezahlt bekamen. Da wir die hier verbürgtc Zusammenarbeit der beiden Münchener Künstler urkundlich auch noch von anderen kirchlichen Ausstattungen her kennen, vermuten wir aus guten Gründen, daß sie in gleicher Weise auch für unsere Madonnenstatuette zutrifft, wobei auch der Umstand nicht unwichtig erscheint, daß die sicher in München hergestellte Fassung auf einer Figur angebracht ist, die nachweislich aus altem Münchener Privatbesitz stammt. Die bisher unbekannte Günther-Statuctte ist zugleich ein sehr willkommener neuer Beitrag für die Kenntnis auf dem noch wenig bearbeiteten Gebiet der Kasein-Tempcra-Fassung auf Holzüguren des bayerischen Rokoko. Wir zweifeln persönlich keinen Augenblick daran, daß Adolf Fculner ; der unvergessene Kenner der Kunst des 18. Jahrhunderts und der erste Biograph Ignaz Günthers - für diese neu entdeckte Madonnenstatuctte des Münchener Bildhauers und für die dadurch ermöglichte Bereicherung und Erweiterung seines bisher erforschten Oeuvres auch die gleiche enthusiastische Beurteilung gefunden hätte, die er vor vielen Jahren der ihr zeitlich vorausgegangenen Atteler Immakulata zuteil werden ließ. Von ihr sagte er treffend, sie sei das „Urbild zartester Rokokoschünheit" und zugleich „eine der schönsten plastischen Schöpfungen der Zeit"l7). Wir schließen mit seinen Vierten, die wir zu den unseren machen möchten: „ich könnte auch kein italienisches und kein französisches Werk von gleicher Grazie nennen. Dieses Urteil spreche ich mit aller Bewußtheit aus." 8 11 Ginvnxxxui Antonio Guardi. Ymmakula ö: auf Leinwand, 110 x 97 C Ehemak französischer Privatbes 12 Iguaz (iilnlhcr. Himmelfahrt Mma, m1. 17m. SlinchinglOpf, Schlußkapc